Passiert es dir manchmal, dass dir etwas so absurd vorkommt, dass du denkst, du hättest es dir ausgedacht? Genau das ist mir vor ein paar Tagen widerfahren. Ich, die über viele Jahre im
Gesundheitswesen nur auf Abweisungen gestoßen bin, erlebte genau das erneut. Es fühlt sich so abwegig und absurd an, dass ich glauben möchte, ich hätte mir das nur eingebildet – aber das ist
nicht der Fall, denn es ist wirklich passiert.
Im Jahr 2023 hatte ich bereits eine Reha bei meiner Krankenkasse beantragt, was jedoch abgelehnt wurde. Ich wollte in die einzige geeignete Klinik, die eine Spezialabteilung für Patient*innen mit
funktionellen neurologischen Störungen und gleichzeitig eine Pflegestation hat. Im März 2024 versuchte ich es erneut und stellte einen neuen Antrag auf eine Rehabilitationsmaßnahme in der
Schmieder Klinik in Konstanz.
Nach einer ersten Ablehnung und einem Widerspruch wurde die Reha schließlich genehmigt – allerdings zunächst in einer anderen Klinik. Meine Krankenkasse behauptete, dass die Klinik in Konstanz
keinen Vertrag mit ihr hätte. Mit einer E-Mail konnte ich diese Behauptung jedoch widerlegen. Daraufhin wurde die Reha nun in der richtigen Klinik genehmigt, und seit September wartete ich auf
die Aufnahme in der Schmieder Klinik in Konstanz.
Ende November erhielt ich dann den langersehnten Anruf, dass ich im Dezember meine Reha antreten könnte. Zur Vorbereitung darauf schrieb ich viele Listen, kaufte jede Menge neue Kleidung und
einige andere Dinge ein, die ich in der Reha brauchen würde. Ich hatte gut eine Woche Zeit, um die Fahrt an den Bodensee zu organisieren. Ich wollte mit dem einzigen Rollstuhltaxi, das es in
meinem Landkreis gibt und mit dem ich fahren kann, dorthin reisen – und glücklicherweise klappte das auch.
Am 10.12.24 um 22 Uhr stand das Taxi vor meiner Haustür. Wir luden mein beträchtliches Gepäck ins Auto und machten uns auf den Weg zu einer kleinen Weltreise Richtung Süden. Meine Mutter
begleitete mich und sollte nach ein paar Tagen wieder nach Hause fahren. Mit einer kleinen Umleitung lagen gut 900 Kilometer vor uns.
Ein Grund, warum ich lange hin- und her überlegt hatte, einen erneuten Antrag zu stellen, waren meine großen Bedenken wegen der langen Fahrt. Zu Hause schaffe ich es höchstens einmal in der
Woche, für ein paar Stunden im Rollstuhl zu sitzen. Da ich weiß, welche Schmerzen ich nach nur wenigen Stunden im Rollstuhl habe, hatte ich große Angst vor der langen Reise. Aber es gibt eben nur
diese eine Klinik für mich und keine anderen brauchbaren Transportmittel.
Am 11.12.24 kamen wir um 9 Uhr morgens in Konstanz an. Die Klinik ist sehr schön gelegen, direkt am Bodensee mit direktem Zugang zum See. Trotz meiner Bedenken bezüglich der Fahrt und wie ich in
der Klinik behandelt werden würde, freute ich mich darauf und wollte mir die Möglichkeit geben, alles einfach auf mich zukommen zu lassen und den Bodensee zu sehen.
Meine Mutter und die Taxifahrerin luden also das Auto aus und stellten meine durchaus amüsante Menge an Gepäck im Eingangsbereich ab. Schnell kam ein Krankenpfleger von der Station, auf die ich
kommen sollte. Er brachte uns auf die Station. Zu diesem Zeitpunkt saß ich bereits seit 11 Stunden im Rollstuhl und hatte wirklich erhebliche Schmerzen.
Der Pfleger, der mich auf die Station brachte, führte mit mir das erste Eingangsgespräch, fragte nach genauen Informationen zu meinem Pflegebedarf und wirkte dabei wirklich freundlich. Danach
konnte ich mit einem Patientenlifter in mein Bett umgesetzt werden, worüber ich sehr glücklich war. Kurze Zeit später kam dann die Pflegedienstleiterin ins Zimmer und sagte zu mir in einem
vorwurfsvollen und erstaunten Ton: „Sie sind ja ein * Pflegefall * !“
und meinte, dass sie den Pflegeaufwand für mich nicht leisten könnten. Das Gesicht meiner Mutter, als uns diese Informationen mitgeteilt wurden, geht mir nicht aus dem Kopf. Mein Lachanfall ging
schnell in Weinen über.
Wir riefen sofort das Taxi an, das bereits auf dem Nachhauseweg war, und hielten die Rückfahrt an. Denn ich hatte keine andere Möglichkeit, ohne das Taxi nach
Hause zu kommen.
Zur Vorbereitung auf meinen Klinikaufenthalt musste ich natürlich einige Fragebögen und Informationen an die Klinik senden. Auch meine Hausärztin musste einen
Fragebogen ausfüllen und den Barthel-Index angeben. Der Barthel-Index berechnet eine Punkteanzahl, die zeigen soll, wie pflegebedürftig jemand ist. Ich kenne außerdem einige andere Patientinnen,
die meiner Meinung nach einen vergleichbaren Pflegebedarf und eine ähnliche Schwere der Behinderung haben und in dieser Klinik waren. Deswegen hatte ich mir keine Sorgen gemacht, dass meine
Pflege ein Problem darstellen könnte.
Nun wurde jedoch behauptet, dass meine Unterlagen nicht aussagekräftig seien und der Barthel-Index nicht korrekt ausgefüllt wurde. Meine Hausärztin hätte meinen Pflegebedarf zu gering bewertet.
Dass ich Pflegegrad 4 und einen Grad der Behinderung von 100 mit den Merkzeichen G, AG, B und H für hilflos habe, würde keinerlei Aufschluss über meine tatsächliche Pflegebedürftigkeit geben. Uns
wurde gesagt, dass ich auf den Chefarzt der Station warten sollte, um die Situation erneut zu besprechen; er würde das letzte Wort haben.
Der teilte mir (durchaus freundlich) mit, dass sie meinen Pflegeaufwand nicht leisten könnten und ich mit einem 24/7-Assistenzteam, das ich selbst organisieren müsste, wiederkommen solle. Die
zwei Sätze, die mir aus diesem Gespräch am meisten im Gedächtnis geblieben sind, waren: „Frau Kraus, das tut mir leid“ und meine Antwort darauf: „Ja, ich tue mir auch gerade
leid.“
Wir baten also erneut das Taxi, das schon auf dem Rückweg war, umzukehren und uns wieder mitzunehmen. Nach etwa einer Stunde im Bett setzte mich meine Mutter dann wieder in meinen Rollstuhl,
packte mein Gepäck ein und wir verließen erneut die Station. Ich war vorher noch nie am Bodensee gewesen und wollte nicht ohne einen Blick auf den See den Heimweg antreten. Die Stimmung war
genauso trübe wie das Wetter und der sonst so schöne See- und Alpenblick war in Nebel und Wolken gehüllt.
Um kurz vor 15 Uhr am 11.12.24 fuhren wir wieder aus Konstanz los. Wir verbrachten viele Stunden im Auto und mussten zahlreiche Pausen einlegen, da meine Beine regelmäßig bewegt werden mussten,
nachdem ich so lange im Rollstuhl gesessen hatte. Es machte keinen Sinn, über die Schmerzen und die Umstände während der Autofahrt zu jammern, denn es gab keine andere Möglichkeit; wir konnten
uns nicht entscheiden, dass wir das nicht wollen. Die Fahrt war wirklich schlimm! Ich bin ganz schön resilient!
Wir kamen endlich gegen 3 Uhr nachts am 12.12. wieder zu Hause an. Ich wurde so schnell wie möglich umgesetzt und meine Mutter und ich fielen dann ziemlich schnell ins Bett. Richtig schlafen
konnten wir im Auto auf beiden Strecken nicht wirklich. Vom Start am 10.12. bis zu unserer Heimkehr am 12.12. waren wir insgesamt gute 30 Stunden unterwegs – das war heftig!
Ich hatte bereits oben erwähnt, dass ich große Bedenken wegen der Fahrt hatte und es mir davor graute. Eine Strecke war schon schlimm, aber die Rückfahrt am selben Tag war unbeschreiblich.
Die Ärzte und das Pflegepersonal aus der Klinik konnten nicht wissen, dass ich seit vielen Jahren mit Ablehnung konfrontiert werde. Ich hatte wirklich gehofft, dass diese Serie endlich
unterbrochen wird, aber dieses Erlebnis reiht sich nahtlos in die Reihe der verweigerten Hilfe und Behandlung ein.
Natürlich möchte ich nicht in einer Klinik bleiben, in der mir von vorneherein gesagt wird, dass man mich nicht angemessen versorgen kann – das liegt schließlich in meinem eigenen Interesse. Ich
weiß nicht genau, wo der Fehler lag. Vielleicht hätte ich proaktiver sein und nachfragen sollen oder meine Hausärztin hat den Fragebogen tatsächlich nicht richtig ausgefüllt. Auch die Klinik
könnte meine Unterlagen nicht gründlich genug durchgesehen haben oder sich nicht gemeldet haben, wenn es Unklarheiten gab. Wahrscheinlich spielen viele Faktoren zusammen. Fakt ist jedoch: So wie
es gelaufen ist, ist es eine Katastrophe. Auch deswegen, weil diese Klinik alternativlos ist: es gibt in Deutschland keine andere spezialisierte Klinik, die FNS Patient*innen behandeln und eine
Pflegestation in der Reha Phase C hat. Das weiß ich auch durch meine ehrenamtliche Mitarbeit in der Patienteninitiative Funktionelle Neurologische Störungen.
Mein ganzes Umfeld und ich haben so viel Energie, Zeit und Geld in die Vorbereitung gesteckt. Ich musste mich komplett neu einkleiden, diverse Hilfsmittel besorgen. Außerdem musste geplant
werden, was hier mit meinem fünf-köpfigen bestehenden Assistenzteam während meiner Abwesenheit passiert. Meine Katze musste betreut werden und tausend andere Kleinigkeiten waren zu regeln. Und
ich habe mich wirklich auf die Reha gefreut. Alles umsonst!
Die Alternative, mit einem 24-Stunden-Assistenzdienst zurückzukehren, ist zwar gut gemeint, aber schwer umzusetzen – Finanzierung, Personalakquise usw. Momentan kann ich mir nicht vorstellen,
noch einmal mit Assistenz in die Klinik zurückzukehren, denn der erneute Schlag sitzt tief und die Fahrt dorthin würde ich auch nicht noch einmal freiwillig auf mich nehmen.
Fürs Erste habe ich die Schnauze voll!
„Behinderte Menschen als „Pflegefall“ zu bezeichnen, reduziert sie auf Pflegebedürftigkeit. Wenn Menschen zu „Fällen“ werden, werden sie als Objekte und Last für die Allgemeinheit
wahrgenommen.“
Quelle: Leidmedien
Es gab nun schon zwei Jahre keinen richtigen Blogartikel auf meiner Webseite mehr. Ich hatte lange Zeit mit mir gerungen, ob ich Wirr Wege einstampfe, hab mich dann aber im Endeffekt dafür
entschieden meine Webseite umzuschreiben. Meine Geschichte habe ich schon neu geschrieben und arbeite noch an anderen Seiten. Heute melde ich
mal wieder mit einem akuten Thema, nämlich mit meinem Vorhaben an den Bodensee zu reisen.
Dort ist eine der ganz wenigen Kliniken in Deutschland, die sich auf die Behandlung von der funktionellen neurologischen Störung (FNS)
spezialisiert hat und die Einzige, die pflegebedürftige Patienten behandeln kann. Den Reha-Antrag habe ich schon im März gestellt, aber wie üblich geht das nicht ohne Schwierigkeiten.
Die Vorgeschichte begann schon vor einem Jahr, als ich zum ersten Mal einen Reha-Antrag für die gleiche Klinik gestellt hatte. Der Antrag wurde aber abgelehnt und damals hatte ich nicht die Kraft
in den Widerspruch zu gehen. Somit verlief sich das im Sand.
Als es mir wieder besser ging, wollte ich stattdessen noch einmal das Thema Diagnostik angehen. Die Diagnose FNS steht zwar bei mir im Raum und erscheint auch manchmal auf Verordnungen, aber
wurde nie positiv durch Untersuchungen diagnostiziert und ist bestenfalls eine unsichere Ausschlussdiagnose. Die bisher einzige Diagnostik wurde vier Jahre nach Beginn der Lähmung durchgeführt,
sie bestand in einem MRT und einer Nervenleitbahnmessung, mehr nicht. Die Läsionen, die auf meinem MRT zu sehen waren, seien untypisch für MS gewesen. Es wurde nicht für nötig gehalten, weitere
diagnostische Untersuchungen durchzuführen. Stattdessen wurde mir geraten, mich an die psychiatrische Institutsambulanz zu wenden. Dieses MRT ist nun aber auch schon über 5 Jahre her. Das reicht
mir nicht!
Ich bat meine Neurologin also letztes Jahr um eine umfangreiche Diagnostik inklusive neuem MRT, Lumbalpunktion, Gentest etc.. Nach langem Hin und Her, Abstimmungen zwischen Radiologie, Neurologie
und Hausärztin, nach der Frage, ob die Untersuchung ambulant oder stationär erfolgen muss und egal ob ich freundlich gebeten, bestimmt gefordert oder wütend protestiert habe - bis heute habe ich
keine Möglichkeit für ein MRT und andere Untersuchungen bekommen.
Da ich in einer kleinen Stadt wohne, ist es nicht so einfach, mal eben so die Neurologin zu wechseln. Trotzdem habe ich versucht, mir eine Zweitmeinung von einer anderen, etwas weiter entfernten
Neurologin einzuholen. Leider las sie den Entlassungsbericht von der Klinik, in der ich 2019 das MRT bekommen hatte und die meine Erkrankung auf die Psyche reduzierte. Genau wie meine eigentliche
Neurologin nahm sie diesen Bericht zum Anlass, eine weitere Diagnostik als unnötig abzutun. Eine positive Diagnostik von FNS fand aber auch hier nicht statt. Nach diesem Arzttermin war ich
wirklich verzweifelt. Wieder einmal fühle ich mich machtlos und dem Wohlwollen der Ärzte auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Und das, ohne dass es eine nachvollziehbare Begründung für diese
Entscheidung gibt. Es ist absolut unverständlich für mich, warum mir diese notwendigen und völlig übliche Untersuchungen verwehrt werden. Durch meine ehrenamtliche Tätigkeit in der Patienteninitiative für funktionelle neurologische Störungen lese ich ständig von anderen Betroffenen,
die völlig selbstverständlich verschiedenste neurologische Untersuchungen bekommen und das nicht, weil sie es selber unbedingt wollen, sondern weil die Ärzt*innen es für selbstverständlich und
notwendig erachten. Warum ist das bei mir so anders?
Die Hoffnung auf Diagnostik habe ich nun begraben, denn es scheint mir aussichtslos, meine Neurologin zu überzeugen. Das habe ich ihr auch persönlich so gesagt und sie hat auch nicht
widersprochen.
Wenn wir jetzt mal annehmen, dass ich wirklich FNS habe, macht es das auch nicht besser. Die einzige Behandlung, die ich bekomme, ist einmal wöchentlich Ergotherapie, wobei an der Kontraktion
meiner Hände gearbeitet wird. Die Behandlung ist aber auch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein und kann meinen Zustand nicht verbessern oder die Verschlechterung verlangsamen. Zusätzlich würde
ich hochfrequente Physiotherapie und auch Logopädie benötigen. Physiotherapie geht nur im Hausbesuch. Seit Jahren telefonieren wir regelmäßig alle Praxen hier am Ort ab und finden niemanden, der
das übernehmen kann.
Eine Reha-Maßnahme ist für mich offensichtlich die einzige Möglichkeit, an Behandlung zu kommen. Deshalb habe ich, wie schon gesagt, im März einen Reha-Antrag gestellt. Wenig überraschend habe
ich vor kurzem den Ablehnungsbescheid bekommen.
Die Ablehnungsgründe waren leider genauso wenig überraschend. Mein erster Antrag war schon mit der Begründung abgelehnt worden, ich könnte alle Therapien auch ambulant zu Hause machen. Ich
dachte, diesmal beuge ich vor und habe gleich beim Antrag eine ausführliche Erklärung mit abgegeben, dass das so nicht möglich ist. Anscheinend wurde dem aber nicht viel Bedeutung zugemessen,
denn auch beim zweiten Anlauf war die Begründung für die Ablehnung genau die gleiche. Zusätzlich hatte meine Neurologin nicht rechtzeitig ihren Befundbericht abgegeben.
Dieses Mal habe ich aber nicht lange gefackelt und habe mit Hilfe des Sozialverbandes Widerspruch eingelegt. Ich bin so sauer und gleichzeitig müde. Ich weiß, dass es so gut wie allen chronisch
kranken und behinderten Menschen da sehr ähnlich geht. Man muss sich ständig rechtfertigen und Begründungen schreiben. Leute, die einen noch nie gesehen haben, entscheiden vom grünen Tisch per
Aktenlage über das weitere Leben, und rauben uns Zeit und Energie. Mit dem Widerspruch waren viele Laufereien, Telefonate und Schreiben verbunden. Und vor allem wird es nun noch viele weitere
Monate dauern, bis ich möglicherweise zur Reha fahren kann. In der Zeit werde ich weiterhin keine Behandlung haben und so weiter vor mich hindümpeln. Ich fühle mich diesem ganzen System so
ausgeliefert! Ich bin jetzt seit 8 Jahren körperlich behindert und war ja auch schon vorher durch meine damalige psychische Erkrankung in dem System. In dieser Zeit habe ich alle möglichen
Ablehnungen bekommen, für Hilfsmittel, Behandlungen Diagnostik, Reha-Aufenthalte, Pflege und mehr - ich bin auf Ablehnung vorbereitet und habe gelernt, damit umzugehen, aber trotzdem trifft es
mich jedes Mal wieder.
Für diesen Artikel konnte ich absolut keinen passenden Titel finden. Schließlich bin ich auf das Wort Psychohygiene gestoßen und das trifft es eigentlich ziemlich genau.
Definition: "Zur Psychohygiene zählen alle Maßnahmen, die dem Schutz und dem Erhalt der psychischen Gesundheit dienen. Dazu gehören Lebensgewohnheiten und Verhaltensweisen, die Personen unterstützen mit Belastungen (z.B.Stress) umzugehen, sowie tägliche „Pflegemaßnahmen“ für die Seele." Quelle Gesundheit.gv
Mir geht es psychisch sehr viel besser und ich möchte gerne beschreiben, wie mein Weg dahin war.
Seit meiner ersten schweren Krise und meinem ersten Aufenthalt in der Psychiatrie sind 10 Jahre vergangen. Seitdem habe ich viel durchgemacht und es hat sich einiges verändert – in letzter Zeit zum Positiven.
Als ich 2015 anfing diesen Blog zu schreiben, war ich schwer psychisch krank und bis 2018 wurde es immer schlimmer. Die Symptome, die ich hatte, habe ich auf meiner Webseite ja ausführlich beschrieben. Der Tiefpunkt war erreicht, als meine damalige Psychotherapeutin meine Behandlung aufgab und ich nach ca. 80 Absagen von Kliniken überhaupt niemanden mehr hatte, der*die mich begleitet hätte. Zusätzlich zu den ganzen psychischen Symptomen kam 2016 noch körperliche Probleme: Ich konnte nicht mehr laufen und bekam verschiedenste neurologische Symptome. Auch darum kümmerte sich kein*e Fachärzt*in.
Was zuerst wie eine Katastrophe aussah, stellte sich hinterher aber als gar nicht so schlecht heraus. Ich war zu Hause in meinem Bett durch die Ängste und Dissoziationen gefangen, außerdem gelähmt, stumm und generell in einem ziemlich miserablen Zustand. Allerdings verlangte auch niemand mehr von mir, meine Komfortzone zu verlassen und über meine Grenzen zu gehen. Ehrlich gesagt war meine Komfortzone wirklich winzig und ich war so empfindlich wie ein rohes Ei.
So führte ich ein unfreiwilliges Eremitenleben. Außer meiner Mutter sah ich kaum andere Menschen und verbrachte die meiste Zeit mit mir allein. Mit der Zeit wurden die Panikattacken, Dissoziativen Zustände und Persönlichkeitswechsel immer weniger. Es gab ja auch nur wenig, was mich triggern konnte. Es war furchtbar langweilig und frustrierend. Ohne aktiv irgendwas dafür zu tun, konnte ich mich offensichtlich immer mehr entspannen.
Meine Mutter war immer für mich da, hat mir eine Schulter zum Anlehnen gegeben, hat nicht versucht, mich mit leeren Sprüchen aufzumuntern, hat mir Raum gegeben für alle meine Emotionen und auch die unangenehmen Facetten angenommen. Wenn ich geweint hab, hat sie mich gehalten und mir das Gefühl gegeben, dass auch das da sein darf. Ich durfte einfach so sein, wie ich bin und hatte absolute Entspannung, Ruhe und keinerlei Druck von außen.
Dass schon länger ein innerer Prozess am Laufen war, war mir lange Zeit gar nicht so bewusst. Das erste Mal, dass mir das wie Schuppen von den Augen gefallen ist, war bei einem Zahnarzttermin im September 2021. Weil ich ja gelähmt bin und keinen Rollstuhl habe (aber das ist eine andere Geschichte), musste ich mit einem Krankenwagen im Liegendtransport dorthin gefahren werden. Dabei wurde ich von fremden Männern angefasst und um mich herum war in einem kleinen Raum viel los. Vor ein paar Jahren hätte mich das unmittelbar in einen dissoziativen Krampfanfall katapultiert. Aber es passierte nichts, ich war die ganze Zeit ziemlich entspannt und fühlte mich nicht unwohl. Als wir nach Hause kamen, waren meine Mutter und ich erstmal total verblüfft und freudig. Dass ich seit 2019 keine Dissoziativen Symptome und Panikattacken mehr gehabt hatte, hatten wir darauf zurückgeführt, dass es einfach keine Auslöser gegeben hatte. Nun war aber klar, dass ich auch in durchaus stressigen Situationen klar und ruhig bleiben konnte. Es kamen auch noch ein paar weitere Situationen wie Handwerker, Besuche usw. und auch da blieb ich entspannt und symptomfrei. Also hatte sich wirklich etwas grundlegend bei mir verändert.
Ich kann nicht sagen, wie es dazu kam, dass meine schweren dissoziativen Zustände, Switches und Angststörungen komplett verschwunden sind. Ich kann nur sagen, dass sie wirklich da waren und jetzt nicht mehr. Ich habe heute keinerlei Symptome der komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung mehr. Meine Vergangenheit belastet mich überhaupt nicht, ich kann über vieles reden, was vor einiger Zeit völlig tabu war. Mittlerweile bezweifle ich, dass wirklich alle Behauptungen und Vermutungen meiner damaligen Behandler*innen bezüglich der Ursachen meiner psychischen Erkrankung zutreffen.
Auch im Umgang mit mir selbst hat sich vieles verändert. Früher habe ich immer viel Selbsthass empfunden. Meinen Körper habe ich verabscheut. Ich habe mich wertlos gefühlt und mich nicht selbst geachtet. Ich war mir selber mein größter Feind. Wenn ich das Gefühl hatte etwas „falsches“ gemacht zu haben, hatte ich immer den Druck mich selbst zu bestrafen. Die kleinste Kritik an mir machte das nur noch schlimmer. Andererseits hatte ich auch null Toleranz für die Fehler anderer Leute, hauptsächlich traf das natürlich meine Mutter. Wenn sie bei meiner Versorgung irgendetwas nicht „richtig“ machte – und am schlimmsten war das natürlich, wenn sie mir unabsichtlich wehtat - dann wurde ich wütend und aggressiv. Es gab wirklich schlimme Szenen. Danach hatte ich jedes Mal große Schuldgefühle und wieder den inneren Zwang mich zu bestrafen. Also ein Teufelskreis.
Situationen, in denen ich mich nicht verstanden fühlte oder wo es zu einem Kontrollverlust kam, setzten mich so unter Stress, dass mein rationales Denken aussetzte und ich die Impulskontrolle verlor.
Auch das wurde im Laufe der Zeit immer besser. Nach und nach wurde ich immer weicher und mir selbst gegenüber verständnisvoller. Ich denke, ich habe wirklich ein gesundes Selbstmitgefühl entwickelt. Einige meiner Verhaltensweisen sind immer noch schwierig - für mich und andere, aber ich kann meine Impulse jetzt wesentlich besser kontrollieren. Ich sehe mich als ziemlich reflektiert, ich kann mittlerweile gut mit meiner Mutter über unser Zusammenleben und über meine inneren Konflikte reden. Ich weiß, wann es problematisch wird und arbeite daran, besser damit umzugehen. Gleichzeitig habe ich aber auch Verständnis und Akzeptanz für mich und meine Emotionen. Ich empfinde deshalb nicht mehr diesen heftigen Selbsthass und habe auch demzufolge schon seit langer Zeit nicht mehr den Druck mich selbst bestrafen zu müssen.
Wenn ich wegen meiner desolaten Situation traurig, bedrückt, verzweifelt, frustriert, genervt oder sonstwie missgestimmt bin, dann sehe ich das als eine normale menschliche Reaktion und nicht als Krankheit.
Meine Wahrnehmung meines eigenen Körpers hat sich grundlegend gewandelt. Ich komme damit klar, dass ich Übergewicht habe und dass sich mein Körper wegen meiner körperlichen Behinderung verformt hat. Ich kann heute in den Spiegel schauen, ohne mich abstoßend zu finden und ich gehe achtsam mit meinem Körper um. Ich kenne meine Bedürfnisse und achte darauf. Das gilt auch für das Essen: nach jahrelangen schweren Essstörungen in alle Richtungen ist das Essen heute kein Thema, das mich ständig beschäftigt.
Menschen, vor allem Fremde, die mir irgendwie nahe kamen, waren für mich lange ein riesiges Problem und sorgten immer wieder für Panikattacken, dissoziative Zustände etc.. Leute, die mich schon länger kennen, wundern sich, wie viel unbeschwerter mein Umgang mit Menschen geworden ist. Das macht so vieles einfacher! Sogar Pflege kann ich von anderen Leuten zulassen, sodass meine Mutter endlich ein bisschen entlastet wird. Für die Zukunft kann ich mir vorstellen, noch mehr mit persönlichen Assistent*innen zusammenzuarbeiten und dadurch unabhängiger und selbstständiger zu werden.
Die lange Isolation war also offensichtlich für mich ziemlich heilsam. Trotzdem waren die letzten Jahre für mich schrecklich und mir ging es nicht gut. Mit 25 wurde ich bettlägerig, jetzt bin ich 30 Jahre alt. Die letzten fünf Jahre fühlen sich für mich an als wäre ich wie Captain America im Eis begraben gewesen. Während draußen das Leben weiterging und Leute ihr Leben weiterlebten, war ich in meinem Bett gefangen und habe nichts von dem ganz normalen Alltagsleben miterlebt. Aber nun bin ich psychisch so stabil, dass ich unbedingt wieder am Leben teilnehmen möchte. Mein körperlicher Zustand allerdings hat weiterhin abgebaut. In den nächsten Tagen bekomme ich endlich meinen sehnsüchtig erwarteten E-Rollstuhl! Da ich ja in den letzten fünf Jahren gar nicht draußen war, werde ich ganz achtsam und in meinem eigenen Tempo die Welt da draußen erkunden. Ich bin sehr neugierig meine neue Komfortzone auszutesten und bin nicht daran interessiert meine Grenzen zu überschreiten. Wo meine Grenzen sind? Vielleicht beim Briefkasten, vielleicht beim Bäcker nebenan, der Eisdiele, in der Fußgängerzone oder vielleicht irgendwo, wo ich sie gar nicht erwarten würde. Ich freu mich darauf es herauszufinden!
Das ist meine ganz persönliche Geschichte mit einer schweren psychischen Erkrankung. Ich möchte deutlich sagen, dass mir das Ganze, so wie es im Endeffekt gekommen ist geholfen hat, aber ich würde das nicht auf Andere übertragen. Ein gewollter oder erzwungener Abbruch jeglicher Behandlung kann durchaus schädlich und gefährlich sein.
Das ist ein Zusammenschnitt aus zwei Facebook-Posts von meiner Facebook Seite.
Ich habe im Januar 2022 meinen E-Rollstuhl bestellt, ohne vorher auf die Kostenübernahme von der Krankenkasse zu warten. Im Wissen, dass meine Mutter den E-Rollstuhl schlimmstenfalls selber zahlen muss. Ich konnte nicht mehr warten, weil der E-Rollstuhl lebensnotwendig geworden ist. Ende Mai kam er im Sanitätshaus an und am 21.06. hatte ich die erste Anprobe.
Die erste Anprobe von meinem neuen E-Rollstuhl (Meyra IChair Orbit) lief prima. Ich bin total glücklich! Nachdem wir zum Schluss noch eine kleine Runde ums Haus gefahren sind, wurde der E-Rollstuhl erst nochmal mitgenommen. Jetzt verbessern die Techniker vom Sanitätshaus noch die Kopfstützte, Rückenteil, Sitz, Armlehnen und den Beinkasten. In der kommenden Woche ist die zweite Anprobe und wenn er dann schon gut passt, kann ich ihn erstmal für eine Woche zur Probe behalten, um zu schauen, ob alles für mich wirklich optimal ist.
Ich bin nicht wirklich überrascht. Die Krankenkasse hat meinen Antrag auf den E-Rollstuhl abgelehnt. Wir haben den Rollstuhl bestellt im Wissen, dass meine Mutter ihn schlimmstenfalls selber zahlen muss. Ich habe mit vielem gerechnet, allerdings nicht mit dieser Begründung:
„Aus keinem der vorliegenden Berichte geht eine somatische Ursache der beschriebenen Immobilität hervor, sondern eine psychogene Störung, ohne dass in den letzten Jahren eine fachspezifische Behandlung erfolgt ist.
Alternativ zur Maximalversorgung mit Hilfsmitteln, welche die Versicherte in ihrer Immobilität unterstützen und nicht die eigentliche Ursache der Störung lindern, wird die Einleitung einer fachspezifischen Behandlung empfohlen, bei der bestehenden Schwere der Erkrankung sinnvollerweise als stationäre Behandlung.“
Diese Aussage ist auf so vielen Ebenen falsch und verletzend! Ich habe eine neurologische Störung, die nicht offiziell diagnostiziert ist, weil ich ja schon seit Jahren nicht zu Fachärzt*innen komme. Seit Jahren habe ich keine psychiatrischen Symptome mehr. Jetzt unterstellt mir das Gutachten nach Aktenlage, dass ich es mir mit meiner Lähmung zu Hause im Bett gemütlich mache mit meinem vielen tollen Hilfsmitteln (die ich gar nicht habe) und nur zu bequem bin, um Psychotherapie zu machen, die mich ja bestimmt ganz schnell von meiner Lähmung heilen würde. Deshalb ist der Rollstuhl medizinisch ja eh nicht notwendig. Was für eine gequirlte ableistische Kackscheiße!
Natürlich gehe ich in den Widerspruch und HURRA, wenn mein E-Rollstuhl ganz fertig ist, kann ich ja auch zu Fachärzt*innen fahren, um ein neurologisches und psychiatrisches Gutachten machen zu lassen.
Ich habe ja schon sehr lange keinen Blogbeitrag mehr geschrieben und ich dachte auch nicht, dass ich das nochmal tun würde. Aber die Tage habe ich über etwas nachgedacht, das ich doch nochmal teilen möchte. In einer Facebook Gruppe fragte mich jemand, wie ich mit der Trauer über den Verlust von Fähigkeiten, Selbstständigkeit und Lebensqualität umgehe. Ich habe mir gleich gedacht, dass das eine gute Frage ist, über die es sich lohnt nachzudenken.
Meine Antwort war: „Ich finde es wichtig der Trauer erstmal Platz zu geben. Der Verlust von Fähigkeiten und Lebensqualität macht natürlich traurig und das ist völlig berechtigt. Mir tut es gut, das nicht einfach wegzudrücken und ich habe gelernt, Mitgefühl mit mir selbst zu haben, nicht zu verwechseln mit Selbstmitleid. Mir tut es auch gut, wenn ich mit jemanden darüber reden kann, die mich ernst nimmt und meine Trauer nicht kleinredet.“
Trauer ist ein emotionaler Zustand, der aus ganz unterschiedlichen Gründen da ist. Am ehesten verbindet man Trauer ja mit einem Todesfall, aber Trauer empfindet man auch bei vielen anderen Verlusten oder unerfüllten Sehnsüchten. Ich persönlich trauere nicht um einen anderen Menschen, sondern um ganz viel verlorene Lebensqualität, körperliche Fähigkeiten und um unerfüllte Wünsche. Diese Art von Trauer wird im Lauf der Zeit nicht weniger, weil meine Krankheit ja auch nicht besser wird, eher im Gegenteil. Sie sucht sich ihren Weg, flammt auf, flaut ab, aber es wird mit der Zeit nicht leichter.
Die eigentliche Frage war ja, wie ich mit der Trauer umgehe. Der Verlust meiner Gesundheit und Selbstständigkeit fing ja schon vor neun Jahren an. Zu der Zeit war ich einfach nur verwirrt und wusste nichts mit mir und der Situation anzufangen. Die Trauer kam erst einige Jahre später, als ich merkte, dass meine Erkrankung chronisch ist. Keine meiner damaligen Therapeutinnen hat jemals mit mir über das Thema Trauer gesprochen. Seit es mir körperlich so schlecht geht, habe ich mit Ärzt*innen, Therapeut*innen und Ämtern fast ausschließlich schlechte Erfahrungen gemacht. Ich wurde abgelehnt, im Stich gelassen, nicht ernst genommen, unverstanden, nicht respektiert, missachtet. Zunächst habe ich versucht, die Situationen sachlich und nüchtern zu betrachten. Ich habe immer deutlicher wahrgenommen, wie unfair ich behandelt wurde und wie einfach sich die Fachleute das mit mir gemacht haben. Wie wenig manche Leute mein Schicksal interessiert und wie sie sich hinter Paragraphen, Sachzwängen und Ausreden versteckten. Oft war ich darüber völlig geschockt und wie gelähmt. Mit der Zeit konnte ich immer besser fühlen, wie sehr mich das verletzt hat und ich entwickelte immer mehr Selbstwahrnehmung und Mitgefühl für mich selbst. Das bedeutet auch, dass meine Selbstachtung gewachsen ist: mir ist bewusst geworden, dass ich ein Recht darauf habe, von anderen geachtet zu werden.
Früher wäre an so eine Aussage gar nicht zu denken gewesen. Statt Selbstachtung war eher der Selbsthass die vorrangige Empfindung. Ich habe immer noch kein wirklich gutes Selbstbild, aber es ist ausgewogener geworden. Ich weiß nicht, ob ich das lustig oder traurig finden soll, aber diese Entwicklung hin zu mehr Selbstachtung ist erst in Gang gekommen, nachdem ich diese massive Ablehnung von allen Seiten erfahren habe. Als mich niemand ernst genommen hat, habe ich angefangen mich selbst ernst zu nehmen. Ich akzeptiere immer weniger simple Ausreden und Entschuldigungen. Ich orientiere mich mehr an anderen Aktivist*innen für Behindertenrechte.
Ich habe das Gefühl, dass ich auf meinem Weg viel weitergekommen bin, seit ich keine Therapie mehr habe. Ich weiß nicht, ob ich in meinem Selbstbild auch da angekommen wäre, wenn ich weiterhin Therapie erfahren hätte. Ich möchte aber auch die Therapeut*innen nicht entschuldigen, denn das Aufgeben kann ja nicht Sinn und Zweck gewesen sein. Ständig von Therapeut*innen zu hören, dass ich nicht ins Konzept passe, dass meine Erkrankung zu komplex ist, dass keine Aussicht auf Verbesserung besteht usw. war und ist verletzend und durchaus traumatisch.
Mein psychischer Zustand hat sich zwar deutlich verbessert, aber körperlich geht es mir trotzdem immer schlechter, da hilft auch das Mitgefühl nichts.
Selbstmitgefühl zu haben bedeutet aber nicht, sich selbst zu bemitleiden. Mitgefühl ist ein Ausdruck von Achtung und Respekt, Mitleid macht klein und machtlos. Ich versuche so wenig wie möglich zu jammern und meistens gelingt mir das auch.
Die Trauer um Verlorenes oder auch über alles was ich mir für mein Leben gewünscht hätte ist immer da, mal sehr präsent, mal mehr im Hintergrund. Wenn die Trauer sich so in den Vordergrund drängt, dann darf sie erstmal da sein. Es tut mir gut, wenn meine Mutter mir zuhört. Sie versucht nicht, mir meine Trauer auszureden oder mich zu trösten, sondern sie ist einfach da und sitzt mit mir in dieser Situation und lässt mich einfach „sein“. Nur so kann ich dem Gefühl Raum geben, dass das alles wirklich traurig ist.
Ich habe ja schon längere Zeit nichts mehr geschrieben. Das liegt daran, dass es einfach nichts mehr zu sagen gibt. Kein Kampf, keine Hoffnung, nichts, nur stupider, langweiliger sich immer wiederholender Tagesablauf.
Mittags aufwachen, Grundpflege, den Nachmittag bis 18:30 Uhr alleine verbringen, Grundpflege, Abendessen, Grundpflege und um 4 Uhr leg ich mich schlafen. 24 Stunden 7 Tage die Woche liege ich im Bett, ohne Abwechslung oder Lichtblicke. Es gibt keine guten, lebenswerten Tage.
Die Gardinen sind immer zugezogen, weil ich sofort anfange bitterlich zu weinen, wenn ich aus Versehen nach draußen schaue. Der elektrische Rollstuhl, den ich im November 2019 beantragt habe, wurde endgültig und ohne weiteren Rechtsweg im Dezember abgelehnt.
Ich glaube im Moment nicht, dass es noch weitere Blogbeiträge geben wird.
Vor ein paar Tagen habe ich eine Mail von einer Psychotherapeutin erhalten, die mich nicht mehr loslässt. Es bringt ja eigentlich nichts, sowas öffentlich zu machen, aber ich habe einfach das Bedürfnis das auszusprechen.
Vor 2 ½ Jahren hatte meine letzte Psychotherapeutin die Therapie beendet, weil sie von sich selbst sagte, sie sei ratlos. Danach haben meine Mutter und ich mit mehreren anderen ambulanten Psychologen Kontakt gehabt, aber niemand wollte mich als Patientin aufnehmen. Mit der Zeit habe ich den Versuch, eine ambulante Therapie zu finden, aufgegeben. Die ständigen Absagen haben mich so runtergezogen und mir noch mehr Hoffnung genommen. Meine Mutter hat aber immer weitergesucht, ohne mir weitere Versuche und Ablehnungen mitzuteilen. Vor ein paar Wochen habe ich aber auf einen Tipp reagiert und doch noch mal eine Psychologin hier in der Nähe angeschrieben. Meine Mutter ging zu ihr in die Praxis für ein Kennenlerngespräch. Sie wäre bereit gewesen, Hausbesuche zu machen und sie hatte Erfahrungen mit Traumapatienten. Sie hat gleich gesagt, dass sie mir keine großen Hoffnungen machen will, aber meine Geschichte hätte sie berührt und deshalb hat sie trotz voller Warteliste überlegt, ob sie mich aufnimmt. Letztendlich hat sie mir abgesagt. Was mich an der Mail so traurig macht ist nicht, dass sie abgesagt hat, sondern die Begründung.
Zitat „…Ihre Lebenssituation berührt mich wirklich sehr, und ich sehe wahrlich Ihre große Not! Dennoch sehe ich mich leider nicht in der Lage, Sie zu unterstützen.
Es scheint mir ehrlich gesagt sehr wenig aussichtsreich, mit den begrenzten zeitlichen Möglichkeiten einer ambulanten Psychotherapie an dieser Situation, die sich in den letzten Jahren ja immer mehr chronifiziert hat, die erforderlichen Veränderungen erzielen zu können. Sicherlich sehe ich den dringenden Bedarf einer langfristig angelegten psychotherapeutischen Begleitung/Behandlung. Diese müsste meiner fachlichen Einschätzung nach jedoch eingebettet sein in die Behandlung durch ein multiprofessionelles Team (Krankengymnastik, Soziotherapie) und eine räumliche Trennung der Wohnsituation implizieren. Es tut mir sehr leid, Ihnen mit meinen Möglichkeiten nicht weiterhelfen zu können.
Ich wünsche Ihnen beiden für Ihren weiteren Lebensweg von ganzem Herzen alles alles Gute. ...“
Ich werde immer gereizter, wenn ich im Internet Motivationstexte lese, wie „Du musst nur um Hilfe bitten, dann bekommst du sie auch!“ Genau dieses multiprofessionelle Team und eine andere Wohnsituation versuchen wir ja seit vielen Jahren aufzubauen – ohne Erfolg. Unterstützende therapeutische Gespräche werden mir nicht gewährt, weil ich nicht genug Unterstützung habe und sie die Therapie als wenig aussichtsreich sieht. Also werde ich ganz alleine gelassen und zum Abschluss der Mail wird mir ein guter weiterer Lebensweg gewünscht. Sie hat das gut gemeint, aber vor allem der letzte Satz hat mich wirklich verletzt. Die Mail kam in der Woche der Suizidprävention – irgendwie makaber!
Bildnachweis: 416617_original_R_K_B_by_Rainer Sturm_pixelio.de
Ich habe vor kurzem einen Artikel von einer anderen Frau gelesen, die wegen ihrer chronischen Erkrankung Schwierigkeiten hat, Freundschaften aufrecht zu erhalten. Was sie schrieb, passte zwar nicht genau auf mich, aber ich habe mir Gedanken über das Thema Kontakte gemacht.
Ich hatte schon immer Schwierigkeiten, Freundschaften einzugehen und zu behalten. Aber seit ich chronisch krank bin, habe ich eigentlich gar keine Freunde und Bekannten mehr. Das liegt nicht nur daran, dass ich nicht „mithalten“ kann: ich erlebe nichts, habe keinen Beruf, keinen Partner oder großartigen Hobbys. Da fehlen einfach die Gesprächsthemen.
Aber darüber hinaus gibt es auch noch ein paar andere Faktoren, die es mir sehr schwer machen, Kontakte zu pflegen.
Meine Konzentrationsfähigkeit ist mangelhaft. Neulich hat meine neue ambulante Betreuerin mir von einem Tag in der Falknerei im Wildpark erzählt. Eigentlich ein voll spannendes Thema! Vielleicht sprach sie ein bisschen zu schnell, vielleicht war es „too much information“, jedenfalls konnte ich ihr überhaupt nicht mehr folgen und habe nur noch bruchstückhafte Erinnerungen. Irgendwann meinte sie, ich solle Bescheid sagen, wenn ich nicht mehr kann und ich brauchte wohl einige Zeit bis ich die Frage überhaupt verstand und sagen konnte, dass es mir reicht; schade eigentlich.
Hin und wieder bekomme ich Besuch von meinem Stiefbruder und seiner Freundin, die ich beide mag. Wenn er Geschichten aus seinem Alltag erzählt, ist das mehr oder weniger spannend. Letztes Mal war ich überzeugt, dass ich ihn während er sprach anlächelte. Aber er sagte hinterher zu meiner Mutter, dass er ganz verunsichert war, weil ich so ausdruckslos und abwesend geguckt habe. Das zum Thema Fremd- und Selbstwahrnehmung.
Manche Geschichten aus dem Alltag machen mich einfach nur traurig. Es gibt so viele Dinge, die ich so gerne selber machen würde, z. B. im Wald spazieren gehen, an die Elbe fahren, Eis essen gehen, Kino …. Es ist total frustrierend, jemandem zuzuhören, der davon erzählt, aber auf der anderen Seite ist das mein Fenster zur Welt und ich will auch hören, was da draußen so vor sich geht. In solchen Momenten wird mir schmerzlich bewusst, dass ich 24 Stunden ans Bett gefesselt bin und es momentan nicht so aussieht, als ob sich daran jemals was ändern wird.
In gewisser Weise bin ich egozentrisch! Ich meine damit, dass ich so wenig Kraft habe, dass ich mich nur um das kümmern kann, was mich selbst ganz direkt betrifft. Ich interessiere mich zwar für Politik, Klima, Menschenrechte etc., aber da bin ich nur passiv beteiligt. Ich habe überhaupt keinen Nerv für Themen, die in meiner Skala von Wichtigkeit ganz unten stehen. Für mich ist es einfach trivial, dass Urlaubsreisen, Partys und Shopping etc. wegen Corona gerade nicht möglich sind. Für manche Leute ist das sicherlich total wichtig, aber wenn mir jemand davon vorjammert, habe ich dafür kein Verständnis. Triviale Themen sind der Hauptinhalt von Small Talk jeder Art und damit kann ich überhaupt nichts anfangen.
Probleme, Sorgen und Schmerzen von anderen Menschen in meinem direkten Umfeld lasse ich überhaupt nicht an mich herankommen. Nicht deswegen, weil mir Menschen generell egal sind, sondern weil mich das Leid anderer komplett überfordert. Es sieht dann so aus, als ob ich total unempathisch wäre, aber es ist nur Selbstschutz. Ich bin generell hochsensibel: wenn mir jemand von Leid und Schmerzen erzählt, dann fühle ich den Schmerz noch zusätzlich zu meinem Packet und das übersteigt meine Kapazität. Da baue ich lieber eine Mauer, was aber natürlich den Kontakt zu Menschen noch mehr erschwert. Deshalb habe ich auch kaum Kontakt zu anderen Betroffenen. Eigentlich wäre es ja ganz gut, sich mit Menschen, die in einer ähnlichen Situation sind, auszutauschen und sich vielleicht auch gegenseitig zu helfen. Das gelingt mir ausschließlich, wenn es um ganz sachliche, nüchterne Fragen geht, dann kann ich anderen mit Tipps und Ratschlägen helfen, aber sobald Emotionen beteiligt sind, bin ich raus.
Allerdings kann ich viele Dokumentationen über Krankheiten, Behandlungsmethoden und Lebensgeschichten sehen. Die Personen, um die es da geht, sind weit weg und niemand erwartet eine Reaktion von mir.
Beim direkten Kontakt über Facebook, Mails und Co zu anderen Betroffenen kommt noch eine Schwierigkeit dazu. Wenn ihr meine Artikel lest, denkt ihr vielleicht, dass ich mit dem Schreiben und Formulieren gut klarkomme und dass es mir leichtfällt. Das ist aber leider gar nicht so. So ein Blogartikel ist immer Teamwork von meiner Mutter und mir. Meistens habe ich eine Idee und ein paar wirre Gedanken im Kopf. Dann bitte ich meine Mutter, mir zu helfen, ganze und verständliche Sätze daraus zu bilden. Wir feilen dann gemeinsam an dem Text, um sicherzugehen, dass meine Mutter meine Gedanken richtig übersetzt. Ohne diese Hilfe würde es meine Webseite nicht geben. Mit E-Mails und Facebook Messenger Chats ist das ganz ähnlich. Sogar mit Menschen, die ich von „früher“ kenne, schaffe ich es nicht, selbstständig und allein zu kommunizieren. Mir einfach nicht zu helfen, würde bedeuten, dass keinerlei Kontakt oder Fortschritt stattfinden würde. „Einfach mal alleine machen lassen“ funktioniert einfach nicht.
Das Beantworten von Mails ist jedes Mal eine größere Aktion. Erstmal freue ich mich über jede Zuschrift. Zuerst überlege ich lange, ob ich den Inhalt richtig verstanden habe. Wenn ich dann mit Hilfe meiner Mutter dabei bin eine Antwort zu formulieren, diskutieren wir lange über jedes Wort, was für uns beide manchmal sehr anstrengend ist. (Ja wir haben gerade 15 Minuten diskutiert, wie es weiter geht.) Wenn ich dann noch zu allem Überfluss einen Smiley einfügen möchte, dauert auch diese Entscheidung ewig. Letztens habe ich 20 Minuten gebraucht zu entscheiden ob ein rotes oder ein grünes Herz angemessener ist.
Social Distancing ist ja gerade ein beherrschendes Thema, aber für mich bedeutet das nochmal ganz was anderes. Ich fühle mich oft einsam und habe auf der einen Seite schon das Bedürfnis nach Menschen, aber auf der anderen Seite ist das, was ich hier beschrieben habe, so erschwerend, dass ich mir denke, dass mir das alles viel zu anstrengend ist. Mein Lebensraum ist winzig und die Mauern sind viel zu hoch. Ich wünsche mir sehr, mehr Kapazität und Kraft zu haben, um daran arbeiten zu können, Türen zu öffnen.
Nach vielen Monaten gab es endlich mal wieder etwas Bewegung in meinem Alltag, wenn man einen 20-minütigen Termin als Bewegung sehen kann. Naja, wie auch immer es gibt ein paar Neuigkeiten, die ich mitteilen wollte.
Seit 2018 stehe ich ja komplett ohne Psychotherapie da, auf einen Hausbesuch von meinem Psychiater warte ich auch schon seit zwei Jahren und andere Fachärzte habe ich auch keine. Ein bis zweimal im Jahr kommt meine Hausärztin zu mir nach Hause, um meine Blutwerte zu testen. Das Highlight meiner Woche ist, wenn meine Physiotherapeutin zum Hausbesuch kommt, um meine Beine durchzubewegen. Meine Mutter und ich haben ja aber trotzdem nie richtig aufgegeben und haben immer nach anderen auch alternativen Behandlungsmethoden gesucht und auch in Anspruch genommen.
Mein letzter Versuch war es, mit CBD Kapseln und Liquid zum Verdampfen irgendeine Wirkung zu erzielen. Einen wirklichen Unterschied meiner Gemütslage haben wir damit nicht bemerkt. Die entspannende Wirkung, die oft beschrieben wird, trat bei mir nicht ein. Aber was sich möglicherweise durch das CBD verbessert hat, ist die Streckspastik in meinen Beinen. Die war in den letzten Wochen zwar noch deutlich vorhanden, aber nicht mehr ganz so extrem. Bei einer Streckspastik verkrampfen sich ganz plötzlich die Muskeln in meinem Bein, sodass es sich komplett durchstreckt. Das ist sehr unangenehm und schmerzhaft.
Mittlerweile bin ich nun für meine Schmerzbehandlung bei Akupunktur nach Chinesischer Medizin angelangt. Vor zwei Wochen gab es ein erstes Kennenlern-Gespräch mit einer Heilpraktikerin. Daraufhin hat die Heilpraktikerin sich mit Kollegen besprochen und einen Behandlungsplan mit mehreren anthroposophischen Medikamenten vorgeschlagen. Gestern bekam ich wieder einen Hausbesuch von ihr und sie hat mir erstmal zum Warmwerden in einer Hand eine Akupunkturnadel gesetzt. Plan ist es, in Händen und Füßen Nadeln zu setzen, aber für den ersten richtigen Termin war das erstmal genug. Die Termine werden wir so fortführen und ich hoffe auf das Beste.
Morgen bekomme ich sogar noch einen Besuch von meiner neuen ambulanten Betreuerin. Ja! Es hat geklappt, mein Antrag auf Eingliederungshilfe wurde genehmigt und ich habe endlich wieder mal jemanden zum „Reden“ (Ich bin stumm, aber kommunizieren hört sich blöd an). Durch Corona konnten wir erstmal nur per Mail schreiben, was für mich sehr schwierig ist. Die ersten zwei Mails von ihr hörten sich aber sehr freundlich und passend an. Meine letzte ambulante Betreuerin über die Eingliederungshilfe ging 2017 und seitdem gab es keine ABW. Zwischendurch hatten wir einen großen Streit mit dem Landkreis und mir wurde jegliche Eingliederungshilfe verweigert, aber nun endlich hat es wieder nach einem Personalwechsel geklappt. Zuerst wird meine Mutter noch bei den Terminen dabeibleiben, bis ich mich sicher genug fühle und die Frau mir nicht mehr ganz so fremd ist. Weil generell meine Aufmerksamkeit bei Gesprächen nicht lange durchhält, werden wir erstmal einmal in der Woche kurze Termine machen. Und dann schauen wir mal wie‘s weiter geht und ob überhaupt die Sympathie stimmt. Aber zumindest habe ich die Aussicht, mit einer weiteren Person als nur mit meiner Mutter regelmäßig über Probleme und den Alltag reden zu können.
Oben hatte ich ja geschrieben, dass meine Physiotherapeutin einmal die Woche zu mir kommt. Sie ist die einzige, die meinen Zustand momentan regelmäßig sieht und die mich körperlich einschätzen kann. Von ihr haben wir den Tipp bekommen, einen Lymphomat zu beantragen. Das ist eine maschinelle Lymphdrainagentherapie. Die Beine werden in ein Schlauchsystem mit Luftkammern gelegt. Diese pumpen sich auf und führen eine massierende Bewegung von unten nach oben über das Bein durch. Dicke Beine durch Wasseransammlung vor allem im Sommer, kennen wahrscheinlich ziemlich viele Menschen. Durch die Inaktivität meines Körpers und speziell der Beine ist die Durchblutung und Zirkulation in meinem Körper sehr schlecht. Dadurch staut sich in meinen Beinen und Füßen sehr viel Lymphflüssigkeit an, was zu dicken Beinen führt. Um einen Dekubitis oder offene Wunden an den Beinen zu verhindern, brauche ich eigentlich Lymphdrainage. Das wird durch eine leichte Massage gemacht, was leider bei mir nicht geht, weil dabei Körperregionen angefasst werden müssen, die ein No-Go sind. Meine Physio hatte schonmal versucht meine Beine eng zu wickeln, aber das klappte auch nicht gut und meine Füße sind so schmerzempfindlich, dass wir keinen Kompressionsstrumpf drüber bekommen können. Also gab sie uns den Tipp, einen Lymphomat zu beantragen. Eine Beraterin vom Sanitätshaus kam und wir testeten, welches Produkt funktioniert. Danach haben wir einen Lymphomat ohne Fußteil bei der Krankenkasse beantragt, die daraufhin sofort ablehnte. Was auch sonst! Wir mussten lange auf eine Stellungnahme von meiner Hausärztin warten und meine Physiotherapeutin hat auch eine Stellungnahme geschrieben. Heute bekam ich Post, dass der Widerspruch angekommen sei, aber der MDK das noch prüfen müsse. Ich war schon mega sauer! Aber kurz darauf bekam ich eine Nachricht von meiner gesetzlichen Betreuerin, dass das Teil doch genehmigt wurde. Puh!!! Hoffentlich wird das Teil schnell geliefert. Ich hoffe sehr, dass der Lymphomat etwas bringt und dadurch Schmerzen an den Beinen gelindert werden können.
Zu meinem E-Rollstuhl gibt es noch keine Neuigkeiten. Bei der Krankenkasse warten wir auf den Widerspruchsausschuss, der nochmal über den Widerspruch entscheiden muss. Außerdem haben wir beim Landkreis den E-Rollstuhl als wichtiges Mittel zur Teilhabe beantragt. Auf jeden Fall wird es noch lange dauern, bis eine endgültige Entscheidung getroffen wird. Ich bin ja geduldig.
Schon vor einiger Zeit hatten wir bei meiner Krankenkasse ein Pflegebett bestellt. Die Krankenkasse wollte mir aber nur ein 90 cm breites Bett bewilligen. Das habe ich abgelehnt, da ich nicht wollte, dass sich mein Lebensraum von 140x200 cm auf 90x200 cm verkleinert. Die Krankenkasse ließ aber nicht mit sich reden und ich habe mich strikt geweigert meinen Lebensraum zu verlieren. Also arrangierten wir uns weiterhin mit meinem alten Bett, was aber für meine Mutter und mich immer schwieriger wurde, weil es für mich als bettlägerige Person einfach nicht geeignet war. Mit der Zeit wurde aber immer deutlicher, dass ich ein neues Bett brauchte. Also schenkte mir meine Mutter ein neues 140ger Bett, das extra hoch ist, damit meine Mutter besser rankommt und sich nicht ständig bücken muss. Zusätzlich hat das Bett einen elektrisch verstellbaren Lattenrost. Es kam diese Woche und ich freue mich sehr darüber. Jetzt musste mein Schlafzimmer etwas umgestellt werden, was für mich erstmal Stress bedeutet, weil ich ein strukturiertes, aufgeräumtes Zimmer ohne viele Reize brauche. Diese Woche haben wir damit verbracht, zu organisieren, was wohin gehört und was ich in erreichbarer Nähe brauche und wo ich Dinge ablegen kann. Aber mittlerweile haben meine Mutter und ich das ganz gut im Griff. Der Lattenrost lässt sich wie ein normales Pflegebett im Kopf und Fußteil verstellen, sodass ich tagsüber immer mal wieder meine Sitzposition verändern kann, das ist sehr angenehm. Danke Mama!
Also zusammengefasst gab es einiges Erfreuliches (soweit sich jemand mit einer schweren Depression freuen kann). Ich bin gespannt ob und wie die geplanten Behandlungen anschlagen und wie das mit der neuen ambulanten Betreuerin wird. Und ich hoffe natürlich immer noch, dass ich einen E-Rollstuhl bekomme, um auch mal mein Bett verlassen zu können. Im Februar 2021 habe ich einen ersten Vorstellungstermin bei einer neuen Psychiaterin, bis dahin MUSS der E-Rollstuhl da sein!
Ende April 2020 habe ich auf meiner Facebook-Seite zwei kurze emotionale Updates zu meinem Antrag auf einen E-Rollstuhl gepostet. Der Vollständigkeit halber kopiere ich diese hier auf meinen Blog.
Der Himmel ist blau, die Bäume sind grün und ich möchte so gerne aus dem Fenster schauen können! Fast sechs Monate ist es nun schon wieder her, seitdem ich bei der Krankenkasse einen neuen E-Rollstuhl beantragt habe. Sicher hat die Krankenkasse und der MDK viel zu tun und Corona macht es auch nicht leichter, aber ich kann schon so unglaublich lange mein Bett nicht verlassen und möchte so gerne ein winziges Stück Selbstbestimmung und Mobilität haben. Erst seitdem meine Mutter wöchentlich hinterher telefoniert, hat die Krankenkasse dem MDK für deren Stellungnahme nach Aktenlage eine Frist bis morgen (27.04.) gesetzt. Ich hoffe so sehr, dass der E-Rollstuhl dann ganz schnell bewilligt wird. Ich sehne mich sehr danach, an die frische Luft zu kommen.
Mein Widerspruch zum E-Rollstuhl wurde abgelehnt. Ich werde also auf weitere unbestimmte Zeit 24 Std. am Tag 7 Tage die Woche bettlägerig in meinem Bett im wahrsten Sinne des Wortes vergammeln. Ich werde weiterhin nicht aus dem Fenster gucken können, eben mal so in den Kühlschrank, Spiegel oder Kleiderschrank schauen können. Meine Mutter an der Tür begrüßen. Selbst entscheiden, in welchem Zimmer ich sein möchte. Meine Wohnung aus einer anderen Perspektive als aus meinem Bett sehen oder auf den Balkon fahren. Nicht zu Fachärzten fahren können, die mir im erneuten Widerspruch oder Klage oder so ganz generell helfen können. Ich geb auf. Meine Mutter und ich sind die ganze Zeit am Heulen. Und verdammt, das ist auch zum Heulen.
Nach dieser niederschmetternden Nachricht haben wir mit meiner gesetzlichen Betreuerin gesprochen. Die versucht, den Träger der Eingliederungshilfe an dem Verfahren zu beteiligen. Schließlich geht es darum, dass der E-Rollstuhl Voraussetzung dafür ist, dass ich ein Mindestmaß an Teilhabe bekomme. Die EUTB-Beratungsstelle unterstützt das auch. Aber trotzdem bedeutet diese Ablehnung, selbst falls der Rollstuhl irgendwann genehmigt wird, dass ich noch viele weitere Monate an mein Bett gefesselt bin und weiterhin keine Möglichkeit habe aus dem Fenster zu gucken. Und diese Gewissheit ist schwer zu verkraften!
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Manchmal klappt ja doch was. Der Zahnarzttermin, von dem ich im letzten Zahnarzt-Artikel berichtet habe, wurde sogar noch vorverlegt und fand gut eine Woche nach dem Vorgespräch statt.
Bei der Rettungsleitstelle des Landkreises bestellte meine Mutter einen Krankenwagen für mich. Da ich den Pflegegrad 4 und 100 GdB mit Merkzeichen aG habe, habe ich einen Anspruch auf einen Krankentransport. Dafür braucht man nur einen Transportschein vom Hausarzt und dann bezahlt die Krankenkasse die Fahrt. Meine Mutter hatte gefragt, ob es möglich wäre, eine rein weibliche Besatzung des Krankenwagens zu bekommen und sogar das hat geklappt. Die beiden Rettungssanitäterinnen waren professionell und freundlich und die Fahrt verlief glücklicherweise ohne Probleme.
Als wir in der Zahnarztpraxis ankamen, ging alles ganz schnell. Keine unnötigen Vorgespräche, keine Wartezeit, die Spritze saß ganz schnell und ich war weg. Bevor ich wieder richtig aufwachen konnte, waren wir schon wieder im RTW zurück nach Hause. Durch Zufall wieder mit einer rein weiblichen Besatzung.
Als ich wieder im Bett lag, konnte ich es gar nicht fassen, wie gut alles geklappt hat. Und ich war heilfroh!
Im Nachhinein betrachtet, gibt es eine Sache, die nicht so optimal war; in der Praxis gab es keine Möglichkeit, mich in Narkose zu röntgen. Der Zahnarzt hat also nach „Gefühl und Augenmaß“ gebohrt und anscheinend war das leider nicht genug. Denn ich habe immer noch Zahnschmerzen, zwar deutlich weniger als vorher, aber ich merke, dass da noch was ist. Ein normales Röntgenbild im wachen Zustand zu machen, ist nicht möglich. Dazu muss man einen größeren Fremdkörper in den Mund nehmen und das Gerät ist sehr nahe am Kopf, das geht bei mir einfach nicht. Ich mache dem Zahnarzt überhaupt keine Vorwürfe, dass er nicht alles erwischt hat. Unter den gegebenen Umständen hat er ganz sicherlich sehr gute Arbeit geleistet und sein Umgang mit mir war wirklich sehr respektierend und angenehm. Auch alle anderen Beteiligten waren sehr freundlich.
Ich würde mich auf jeden Fall wieder von dem Zahnarzt behandeln lassen. Nur bin ich mir momentan sehr unsicher, wie wir das Röntgen-Problem lösen können. Meine Mutter hatte ja mit außerordentlich vielen Praxen gesprochen, die alle die Behandlung abgelehnt hatten. Eine geeignete Praxis zu finden, die mich behandelt und gleichzeitig unter Narkose röntgen kann, ist echt schwer.
Hier kommt nun der angekündigte nächste Teil der Zahnarzt Saga.
Den letzten Blogartikel haben wir mit ziemlich viel Unsicherheit wie es weiter geht beendet. Am Tag nachdem ich den Artikel veröffentlicht hatte, gab es wieder zwischen uns und der Zahnarztpraxis und der Anästhesistin mehrere Telefonate. Das Ganze endete damit, dass die Anästhesistin ihr Angebot, dass wir zu ihr in die Praxisklinik kommen können, zurückzog.
Wir mussten also ganz von vorne anfangen.
Die Aufgabe war, eine Praxis oder Zahnklinik zu finden, die normale Zahnbehandlungen unter Vollnarkose durchführt, die nicht nur rollstuhlgerecht, sondern auch mit einem Liegendtransport erreichbar und befahrbar ist. Außerdem mussten wir jemanden finden der/die nicht nach Schema F arbeitet, sondern bereit ist, sich auf mich einzustellen.
Meine Mutter hängte sich also gleich wieder ans Telefon. In einer Facebook-Gruppe für Pflegende Angehörige fragte sie nach Tipps und bekam auch ganz viele Rückmeldungen. Viele rieten, wir sollten doch in die nächstgelegene Zahnklinik fahren. Alle Praxen im Umkreis von 50 km, die meine Mutter anrief, meinten, sie wären für so eine Behandlung nicht ausgestattet. Die Zahnkliniken, u. A. auch die Universitätsklinik in Hamburg, machen Zahnbehandlungen und Vollnarkose nur für Kinder. Bei Erwachsenen gibt es nur Kieferorthopädische Eingriffe unter Narkose. Eine andere Zahnklinik an einem Krankenhaus erweckte zuerst den Anschein, als ob sie meine Behandlung übernehmen könnten, aber nach 14 Tagen und nachdem wir alle nötigen Unterlagen eingereicht hatten fiel denen auf, dass sie ja auch gar keine Zahnbehandlungen an Erwachsenen machen, sondern nur Operationen. Die Corona-Krise kam natürlich jetzt noch erschwerend dazu. Krankenhäuser sind überlastet und viele Zahnärzte machen nur noch die allernotwendigsten Behandlungen. Bei der Zahnklinik hat das leider dazu geführt, dass meine alten Röntgenbilder nicht mehr auffindbar sind.
Das Drama mit der ersten Praxis und die vielen Absagen zerrten doch sehr am Nervenkostüm meiner Mutter, sodass sie nicht mehr in der Lage war, sachlich und professionell zu telefonieren. Für solche Fälle habe ich ja auch noch eine gesetzliche Betreuerin, die wir dann gebeten haben, uns zu unterstützen. Leider konnte sie auch nicht wirklich was ausrichten.
Von einer Praxis, die absagte, bekamen wir den Tipp, uns bei einem Zahnarzt zu melden, der ca. eine Stunde von uns entfernt praktiziert. Beinahe hätte meine Mutter da gar nicht angerufen, weil er keine Webseite hat. Aber nachdem ich gedrängt hatte es trotzdem zu versuchen, landeten wir endlich bei einem Arzt, der viel mit Kindern und behinderten Menschen arbeitet und eben nicht nach Schema F vorgeht.
Dieser Zahnarzt bot von sich aus an, zu einem Vorgespräch zu mir nach Hause zu kommen. Unglaublich! Ein paar Tage später bekam ich dann tatsächlich Besuch von ihm. Ich war angenehm überrascht, dass er meine Grenzen absolut respektierte. Er fragte mich z. B., ob er in meinen Mund schauen dürfe und respektierte mein „Nein“ ohne weiteres Drängen. Das habe ich so noch nie erlebt! Oft ist es ja so, dass Ärzte nochmal nachhaken und versuchen mich zu überreden: „Ist doch gar nicht schlimm! Tut doch gar nicht weh!“. Als wir erklärten, warum eine normale Röntgenaufnahme nicht möglich ist, hat er auch das ohne Diskussion akzeptiert und wir konnten gemeinsam eine andere Lösung besprechen. Und es kommt noch besser, denn der Narkosetermin ist in spätestens vier Wochen. (Bei meiner Glückssträhne glaub ich das aber erst wenn die Spritze sitzt.)
Falls hier jemand mit ähnlichen Problemen diesen Artikel liest und im Raum Hamburg/Bremen wohnt, kann ich gerne per E-Mail oder auf Facebook als PN Kontaktdaten weitergeben.
Der dritte Teil der Zahnarzt Saga folgt, wenn es denn auch wirklich geklappt hat. *Daumen drück*
Eigentlich hatte ich diesen Blogartikel ganz anders geplant. Ich wollte einen ersten informativen Teil schreiben, wie wir an eine Zahnarztpraxis gekommen sind, die behinderte Menschen unter Vollnarkose behandelt, unter welchen Umständen die Narkose von der Krankenkasse übernommen wird und wie unsere weitere Vorbereitung verlaufen ist. Und im zweiten Teil wollte ich von meinem super gut geplanten und abgesprochenen Zahnarzttermin inklusive Liegendtransport im Krankenwagen und der erfolgreichen Behandlung berichten. Nun hat jedoch wieder Murphys Gesetz „Was schiefgehen kann, wird schiefgehen“ volle Breitseite zugeschlagen. Familie Kraus hat einfach das Pech gepachtet: Mit einer mir uneinsichtigen Begründung, dass ich aufgrund meiner Behinderung nicht zu händeln sei, wurde sechs Tage vor dem eigentlichen Termin die Behandlung verweigert, obwohl ich drei Monate darauf gewartet hatte und vorher alles in der Praxis persönlich abgesprochen war. Ich musste den Plan für diesen Artikel also nochmal überdenken.
Zahnarzt – bei dem Gedanken daran bibbert bestimmt nicht nur bei mir der ganze Körper. Die wenigsten Leute gehen gerne zum Zahnarzt, aber ich nehme an, dass besonders viele Menschen mit Angststörungen und PTBS damit genauso ein riesengroßes Problem haben wie ich. Klar sind viele Behandlungen an den Zähnen unangenehm bis schmerzhaft, aber das ist für mich gar nicht so ein großes Hindernis. Ich habe nur bedingt Angst vor möglichen Schmerzen, viel mehr ist das Gefühl ausgeliefert und hilflos zu sein, sich nicht bewegen zu dürfen, und Menschen die dicht über meinem Gesicht stehen eine Situation, die ich nicht aushalten kann. Alleine schon die unmittelbare Nähe von der Ärztin und den Zahnarzthelferinnen, ohne dass überhaupt was behandelt wird ist für mich persönlich schon ein Auslöser für viele verschiedene Symptome – von Panikattacke bis hin zum Krampfanfall. Da kann die Ärztin noch so nett sein, ein Persönlichkeitswechsel oder geschweige denn ein Krampfanfall während sie gerade in meinen Zähnen bohrt, wäre für alle Beteiligten wirklich gefährlich.
Ein normaler Zahnarztbesuch ist für mich also gar nicht möglich. Was also tun?
Ich fange am besten ganz von vorne an. Als ich 16 Jahre alt war wurden mir alle vier Weisheitszähne unter Vollnarkose gezogen. Fünf Jahre später hatte ich schon ausgeprägte Ängste, aber noch nicht so viele andere Symptome. Deswegen ließ ich mich nochmal unter Vollnarkose behandeln. Das mussten wir selber bezahlen – kostete ca. 500 Euro.
Als 2016 der nächste Zahnarztbesuch dringend nötig war, musste ich den Zahnarzt wechseln, weil die erste Praxis keine Narkosebehandlungen mehr anbot. Außerdem saß ich zu dem Zeitpunkt schon im Rollstuhl, also brauchte ich eine barrierefreie Praxis.
Meine Mutter, die alle Termine für mich regelt, machte sich also auf die Suche nach einer neuen rollstuhlgerechten Praxis. Im Internet fand sie bei der Zahnärztekammer Niedersachsen die Zahnärztliche Arbeitsgruppe für Menschen mit Behinderungen in Niedersachsen e. V.. Dort gibt es eine Liste von Zahnarztpraxen, die barrierefrei sind, Narkosebehandlungen anbieten und generell auf die Behandlung behinderter Menschen vorbereitet sind.
Die Vollnarkose beim Zahnarzt ist für mich ja nicht nur nice-to-have, weil es angenehmer ist, sondern die Voraussetzung, dass ich überhaupt behandelt werden kann. Also fragte meine Mutter bei meiner Krankenkasse an, unter welchen Voraussetzungen eine Vollnarkose von der Kasse bezahlt wird. Wenn der Zahnarzt bestätigt, dass die Narkose medizinisch notwendig ist, übernimmt die Krankenkasse die Kosten. Das machen Zahnärzte natürlich nicht einfach so. Also besorgten wir ein Attest meines Psychiaters, dass meine Symptome eine Behandlung unter Vollnarkose notwendig machen. Das Attest bekommt die Zahnarztpraxis und die kann dann die Narkose als Kassenleistung abrechnen und ich muss nichts dafür bezahlen.
Anhand der Liste von der Zahnärztekammer fand meine Mutter einen Zahnarzt, der ganz in der Nähe ist und wir machten einen Termin zum Kennenlernen. Die Praxis sollte rollstuhlgerecht sein, aber es war alles super eng und verwinkelt. Aber wenigstens durften wir gleich ins Sprechzimmer, ohne Zwischenstation im Wartebereich. Ich erwarte von keinem Zahnarzt, dass er Kenntnisse oder Erfahrung mit Dissoziativen Störungen aller Art hat und immer richtig darauf reagieren kann. Deswegen hatten wir vorher schon eine schriftliche Information über mein Krankheitsbild dort abgegeben. Aber dem Zahnarzt mangelte es an Empathie, Geduld und Freundlichkeit. Er lehnte es auch strikt ab, die Narkose als Kassenleistung abzurechnen (dafür bekommt er ein bisschen weniger Geld, als wenn der Patient es selber zahlt). Da waren wir ganz schnell wieder draußen!
Der zweite Versuch war dann erfolgreich. Im Nachbarort fanden wir eine sehr nette Zahnärztin, die gleich ganz anders mit mir umging und deren Praxis hell, freundlich und vor allem rollstuhlgerecht war. Die Kassenabrechnung war auch überhaupt kein Problem und sie hat ein mobiles Röntgengerät, mit dem Aufnahmen gemacht werden können, während ich schon in Narkose auf dem Stuhl sitze. Mit meiner Klaustrophobie bin ich nicht in der Lage in einem kleinen, dunklen Röntgenraum zu sein. Die Behandlung verlief sehr positiv, die Narkoseeinleitung ging schnell und nach dem Wachwerden konnte ich auf dem Stuhl sitzen bleiben, bis ich soweit war die Praxis zu verlassen. Drei Jahre lang war ich danach ohne Beschwerden.
Mein Tipp mit der Kassenabrechnung ist: sich nicht zufrieden zu geben, wenn ein Arzt fälschlicherweise behauptet, dass die Narkose auch bei medizinischer Notwendigkeit nicht übernommen wird.
Mit der positiven Erfahrung dachte ich eigentlich, dass ich mir über das Thema Zahnarzt keine Sorgen mehr machen muss. Eine nette Ärztin mit rollstuhlgerechter Praxis und mobilen Röntgengerät, die unter Vollnarkose behandelt und die Abrechnung verlief auch ohne Probleme.
Im Herbst letzten Jahres merkte ich, dass ich ein Loch im Zahn hab. Also war es Zeit, wieder einen Termin bei meiner Zahnärztin zu machen. In der Zwischenzeit hat sich mein körperlicher Zustand nochmal deutlich verschlechtert. Deswegen fuhr meine Mutter Ende November zu einem Vorgespräch mit der Ärztin, um abzuklären, dass ich voraussichtlich mit dem Krankenwagen liegend dorthin gebracht werde. Die Ärztin war sehr zuversichtlich und meinte, das könnte alles geregelt werden. Zusammen schauten sie sich die Räumlichkeiten an, um sich zu versichern, dass ich mit der Trage vom RTW direkt zum Stuhl gebracht werden kann. Ich sollte als Erste an dem Behandlungstag drankommen, um Wartezeit zu vermeiden. Es wurde gleich ein Termin für Ende Februar vereinbart und ich hoffte, dass mein Zahn so lange durchhält.
Jetzt gab es natürlich wieder einiges vorzubereiten:
Genau eine Woche vor dem Termin meldete die Praxis sich, wie abgesprochen, nochmal bei meiner Mutter, um den Termin zu bestätigen. Nun fing das Ganze an kompliziert zu werden. Die Praxismanagerin wusste offensichtlich nichts von dem Vorgespräch mit der behandelnden Zahnärztin und zweifelte alles an, was damals besprochen wurde. Es wäre gar nicht möglich, mit der Trage aus dem Krankenwagen in den Behandlungsraum zu fahren. Nach der Behandlung müsste ich den Stuhl räumen und in ein anderes Zimmer umziehen, bis ich fit genug bin, um nach Hause zu fahren. Davon wussten wir bis zu diesem Zeitpunkt nichts. Nur wie soll ich ins andere Zimmer kommen?
Der eigentliche erste Plan war direkt vom Behandlungsstuhl wieder auf die Trage umgesetzt zu werden. Aber das sei nicht möglich, ich müsste eine Weile in dem provisorischen Aufwachraum bleiben. Natürlich kann man nicht erwarten, dass ein Krankenwagen wartet bis ich richtig wach bin. Die Praxismanagerin meinte, die Helferinnen könnten mich ja stützen oder der Zahnarzt könnte mich rüber tragen. Ähhm… Ich habe kein Restgehvermögen und ich bin adipös. Der Arzt hat so wenig Ähnlichkeit mit Hulk, ich glaub nicht, dass der mich tragen kann, abgesehen davon, dass ich nicht von fremden Männern getragen werden möchte. Das war ein sehr unerfreuliches Gespräch, aber meine Mutter versprach, das Transportproblem zu lösen.
Wir haben also zusammen überlegt, wie ich von A nach B kommen kann:
Es schien also so, als würde der Behandlung nichts mehr im Weg stehen.
Falsch gedacht! Nun rief die Zahnärztin an, die berichtete, dass sie mit der Anästhesistin telefoniert hätte und dass diese die Behandlung ablehnt, weil das alles zu kompliziert sei. Daraufhin sprach meine Mutter mit der Anästhesistin. Die meinte sie könnte das nicht verantworten.
Sie könnte die Verantwortung für die Vollnarkose nicht übernehmen. Fakt ist, es gibt keinerlei medizinische Bedenken, ich habe weder Herz noch Kreislaufprobleme oder sonst was. Wo ist also das Problem? Ich versteh nicht wo es da einen medizinischen Unterschied zu allen anderen Patienten gibt.
Die Praxis wäre gar nicht für solche Behandlungen ausgerichtet. Ach nein? Und wieso machen die dann einmal im Monat einen Narkose-Tag?
Sie wüsste nicht, wie man mich von dem Behandlungsstuhl runter bekommen sollte. Die Transportfrage innerhalb der Praxis war längst geklärt. Das Sanitätshaus hätte uns für den Tag einen Pflegerollstuhl geliehen. Was will man noch mehr? Meine Mutter setzt mich außerdem jeden Tag mehrmals um, warum sollte sie das in der Praxis nicht auch können?
Ich wäre zu schwer, um von den Zahnarzthelferinnen getragen zu werden. Nein wirklich, das ist natürlich ein Argument. Ich stelle mir gerade bildlich vor wie mich zwei kleine Zahnarzthelferinnen unter den Armen stützen und mich halb narkotisiert über den Flur ins andere Zimmer schleifen. Äh, hatte ich schon erwähnt, dass wir einen Pflegerollstuhl besorgt hatten?
Ihr sei gesagt worden, dass ich keine Männer in der Praxis tolerieren würde. Jaja, das war mein erster Befehl, dass alle Männer im Ortsteil evakuiert werden müssen! Da hat irgendwer was falsch verstanden.
Ich weiß, dass einige Bekannte meiner Mutter meinen Blog lesen. Die würden vermutlich alle bestätigen, dass meine Mutter sehr sanft und bedacht ist. Um sie so weit zu bringen, dass sie am Telefon Leute anschreit und weint, braucht es eine ganze Menge!
Je mehr wir darüber nachdenken, umso unverständlicher ist die ganze Geschichte. Wie kann es sein, dass ein lang geplanter Behandlungstermin eine Woche vorher abgesagt wird, weil man gerade gemerkt hat, dass das zu kompliziert ist? Und das, obwohl drei Monate vorher alles haarklein persönlich besprochen wurde und ich als Patientin in der Praxis bekannt bin! Wie kann es sein, dass ich aufgrund meiner komplexen Erkrankung immer und immer wieder von allen möglichen Ärzten sofort fallen gelassen werde, sobald denen das zu anstrengend wird? Durch die Art und Komplexität meiner Erkrankung bekomme ich keine Hilfe – mit wenigen Ausnahmen.
Und was mach ich jetzt? Ich habe mittlerweile dolle Zahnschmerzen. Jeder gesunde Mensch könnte zum zahnärztlichen Notdienst gehen und würde dort selbstverständlich von seinen Schmerzen befreit werden. Im Rollstuhl und mit der Notwendigkeit einer Vollnarkose klappt das für mich so nicht. Die Zahnärztin selbst würde mich behandeln, die Anästhesistin ist diejenige, die blockiert und mir somit mit für mich nicht nachvollziehbaren Ausreden meine Behandlung verwehrt. Es gibt jedoch einen alternativen Vorschlag von der Anästhesistin: Ich könnte ja zu ihr in ihre Praxisklinik kommen, da hätte sie die entsprechende Ausstattung. Meine Zahnärztin könnte mich da behandeln. Die Klinik ist ca. 100 km von meinem Wohnort entfernt, das bedeutet mindestens eine Stunde Fahrt in einem engen Krankenwagen mit Klaustrophobie. Als meine Mutter am Telefon zu der Anästhesistin meinte, dass das für mich eine ganz schöne Zumutung wäre, erwiderte sie, dass sie ja auch die gleiche Strecke fahren müsste, wenn sie mich hier behandelt. Kann man das wirklich vergleichen?!
Ich weiß noch nicht wie es weiter geht. Ich futter alle paar Stunden Schmerzmittel und habe bis ich einen neuen Zahnarzttermin hab, eine reine Suppen-Diät. Mit dem Termin in Aussicht fiel es mir wesentlich leichter die Schmerzen auszuhalten. Aber nicht wissend, wann mir geholfen wird, ist das eine ganz blöde Situation. Heute ist Sonntag. Am Montag wird meine Mutter Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um eine Lösung zu finden. Ich hoffe das gelingt ihr ganz schnell.
...to be continued
Zum Jahreswechsel zieht alle Welt Bilanz, wie das vergangene Jahr so gewesen ist und welche Wünsche man für das kommende Jahr hat. Mein 2019 war sicher alles andere als gut, aber eines hat sich auf jeden Fall verbessert. Nachdem wir einige Experimente mit einem Pflegedienst und anderen Betreuerinnen gemacht haben, hat mich meine Mutter seit Ostern 2018 ganz allein gepflegt und betreut. Keine von uns beiden findet das optimal, wir sind viel zu sehr von einander abhängig. Der Vorteil dieser Lösung ist aber, dass es für mich kaum Aufregung und Reize gibt, die dann Krampfanfälle und andere dissoziative Zustände auslösen.
Unser Alltag ist sehr gleichförmig:
Meistens klappt dieser Zeitplan ganz gut, aber wenn es Störungen gibt und ich meine Mutter zu ungeplanten Zeiten brauche, ist das natürlich schlecht - entweder für ihre Nachtruhe oder für ihren Job. Alle Termine müssen sich nach unserem Tagesrythmus richten. Wir müssen beide viel zurückstecken und Kompromisse schließen, nur so kann das funktionieren. So muss meine Mutter z. B. immer abrufbar sein, sie kann keine Dienstreisen machen und muss manchmal mitten aus einer Konferenz alles stehen und liegen lassen und nach Hause rasen. Glücklicherweise hat sie es nicht weit vom Büro zu meiner Wohnung. Ich sitze den ganzen Tag bei zugezogenen Vorhängen und mit Noise-Cancelling-Kopfhörer komplett alleine in meinem Schlafzimmer, damit ich jegliche Art von Reizen und Triggern ausblenden kann. Mehrere Stunden im Rollstuhl oder auf einem Sessel zu sitzen, geht gar nicht, weil es viel zu schmerzhaft, anstrengend und einschränkend wäre.
Die einzigen Menschen, die ich sonst noch sehe, wenn sie zu mir ins Haus kommen, sind einmal wöchentlich meine Physiotherapeutin, die vierteljährliche Pflegeberatung, ganz selten meine Hausärztin und auch sehr selten ein Berater vom Sanitätshaus. An diese Leute hab ich mich mittlerweile so gewöhnt, dass ich mit deren Besuchen einigermaßen entspannt umgehen kann. Im ganzen Jahr 2019 habe ich nur zweimal meine Wohnung verlassen, als wir nach Bielefeld in die Klinik gefahren sind. Dabei gab es allerdings das volle Programm an Dissoziationen und Panik. Ironie an: 'Zum Glück gibt es ja weder Fachärzte noch Psychotherapeuten die mich behandeln würden, also entfällt auch dieser Trigger und ich bekomme keine Anfälle durch therapeutische Interventionen.' Ironie aus.
Mit dieser verlässlichen und monotonen Zeitplanung und ohne große Trigger und Aufregungen habe ich im letzten Jahr nur zwei Krampfanfälle gehabt. Darüber bin ich sehr froh, weil so ein Krampfanfall bei mir ja immer über viele Tage große Schmerzen und noch mehr Bewegungseinschränkungen als ich sie sonst schon habe verursacht. Außerdem hat sich nach Krämpfen mein Allgemeinzustand oft verschlechtert und sich nicht wieder erholt. Generell sind die krassen dissoziativen Zustände seltener und weniger dramatisch geworden. Das heißt aber nicht, dass es mir gut geht. Ob Krampfanfälle oder nicht, ich verliere immer mehr Körperfunktionen durch die dissoziative Lähmung, die schwere Depression ist erdrückend, chronische Schmerzen und Fatigue machen mir echt zu schaffen, die Zwänge erschweren die Pflege und generell ist das Gefühl von Ausweglosigkeit und Endgültigkeit allumfassend.
In der Zeit, als wir mit verschiedenen Pflegekräften experimentiert haben, hatte ich mehrmals in der Woche Krampfanfälle und andere Krisen. Meine Mutter musste ständig von der Arbeit nach Hause kommen und hatte dadurch erheblich mehr Stress als jetzt - und ich natürlich auch.
Trotzdem ist das natürlich keine Dauerlösung. Nach wie vor wünsche ich mir eine Wohngemeinschaft mit anderen Frauen, die ähnliche Befürfnisse haben wie ich. Ich bin eine erwachsene Person und möchte nicht so abhängig von meiner Mutter sein. Die wünscht sich natürlich auch ein normales Leben, in dem sie über ihre Zeit frei verfügen kann.
Kleiner Spoiler für 2020: wir starten das Jahr mit einem neuen Widerspruch gegen die Ablehnung eines neuen elektrischen Rollstuhls. Außerdem 'freu ich mich schon wahnsinnig' auf mein nächstes Abenteuer: ein Zahnarzttermin inklusive komfortabler Anreise liegend im Krankenwagen und erholsamen Tiefschlaf in Vollnarkose.
Ich habe ein sehr überraschendes Schreiben erhalten, vom Sozialgericht im Rechtsstreit um den Grad der Behinderung und das Merkzeichen aG (außergewöhnliche Gehbehinderung, um einen Behindertenparkausweis bekommen zu können). Seit 2017 sind wir damit beschäftigt und eigentlich waren wir gerade dabei, einen Gutachter zu finden, der ein gerichtlich angeordnetes Gutachten über meine Gehfähigkeit anfertigen sollte. Dann kam heute ganz überraschend die Post, dass mir nun doch ganz plötzlich das Merkzeichen aG zugesprochen wurde und sich somit der Rechtsstreit erledigt hat. Wir waren ziemlich verblüfft, denn damit hatten wir gar nicht gerechnet. Ist schon kurios, wie sich plötzlich die Meinung von den Beteiligten geändert hat. Wie es nun wirklich dazu kam wissen wir nicht. Aber wir haben schon so oft miese Schreiben von Ämtern bekommen, da war das Schreiben heute doch eine sehr positive Überraschung.
In der letzten Zeit habe ich nicht viel Persönliches in meinem Blog geschrieben. Auf meiner Facebookseite gab es immer mal kurze Updates, aber heute will ich mal wieder ein bisschen mehr erzählen.
Schon im letzten Jahr haben wir eine Klinik gefunden, in der ich endlich mal neurologisch untersucht werden kann. Es war erstaunlich schwer ein Krankenhaus zu finden, das ein MRT unter Vollnarkose macht. Vor drei Jahren habe ich schonmal ein MRT versucht, aber auch mit starker Sedierung war meine Klaustrophobie zu stark.
Im April war es nun endlich so weit. Mit meiner Mutter, Judith und meiner beinahe Schwägerin fuhren wir nach Bielefeld. Autofahren ist mittlerweile echt schwierig geworden; mich überraschte es selber wie wenig Stabilität mein Rücken hat. Bei jeder Kurve und bei jedem Bremsen kippte ich einfach mit um. Wir haben mich dann zu allen Seiten mit Kissen abgepolstert. Nach über drei Stunden waren wir dann endlich angekommen. Das Krankenhaus hat eine Abteilung für Behindertenmedizin. Da werden Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen behandelt. Weil eben alle Patienten ganz unterschiedliche Einschränkungen haben, sind dort alle Ärzte/innen und Pfleger/innen besonders geduldig und bereit sich auf speziellere Bedürfnisse einzustellen. Es wurde sogar ein Zettel an meine Zimmertür gehängt, auf dem z. B. draufstand „nur nach Klopfen eintreten“. Außerdem ist dort viel mehr Pflegepersonal da, als auf herkömmlichen Stationen. Trotzdem hatte ich viel Angst vor dem Unbekannten. Judith war zum Glück als meine Begleitperson die ganze Zeit bei mir.
Als wir ankamen wurde gleich eine Aufnahmeuntersuchung gemacht. Blutdruck messen und Blut abnehmen klappte noch ganz gut. Aber dann sollte ein EKG gemacht werden. Dazu müssen ja Elektroden auf die Haut im Brustbereich aufgeklebt werden. Dass Leute mich im Brustbereich anfassen ist für mich ein absolutes NoGo. Die Krankenschwester war eigentlich super nett, versuchte aber, mich zu überreden und mir zu erklären, dass das ja gar nicht weh tut. Dabei ging sie einen Schritt zu weit und prompt überfiel mich ein Krampfanfall. Natürlich ist das immer scheiße, aber zumindest haben Ärzte und Schwestern mich so gesehen und sich selbst davon überzeugen können, dass der Ablauf wirklich genau so ist, wie ich das immer beschreibe und das ich und auch meine Mutter meine Grenzen genau kennen und „Nein“ wirklich „Nein“ heißt. Den Anfall haben wir dann im Untersuchungszimmer ausgesessen. Der Tag war gelaufen.
Am nächsten Tag war der Neurologe da, der zuerst mit uns lange geredet hat und mich auch körperlich untersucht hat. Er nahm sich wirklich viel Zeit und war sehr bedacht im Umgang. Er ordnete das MRT und eine Messung der Nervenbahnen vom Gehirn in die Beine an.
Am dritten Tag sollte es eigentlich ein Gespräch mit einem Psychiater geben, das aber von seiner Seite abgesagt wurde, weil sein Spezialgebiet nur Psychiatrische Erkrankungen bei geistig behinderten Menschen ist. Aber weil ich ja geistig, außer in dissoziativen Zuständen, völlig fit bin, sah er sich als nicht zuständig an. Der Termin fiel also aus. Gegen Mittag kam die Oberärztin zu uns aufs Zimmer und erklärte recht verlegen, dass das MRT, das für den folgenden Tag geplant war, auch ausfallen müsste, weil das Gerät kaputt sei. Eine Reparatur wäre kurzfristig auch nicht möglich, also müsste es bei einem weiteren Aufenthalt nachgeholt werden. Die Messung der Nervenbahnen haben wir dann auch auf das nächste Mal verlegt und sind noch am selben Tag nach Hause gefahren.
Genau einen Monat später haben wir uns wieder auf den Weg nach Bielefeld gemacht. Diesmal waren wir schon etwas beruhigter, weil wir ja schon wussten, was uns erwartet und dass alle Mitarbeiter dort wirklich nett und hilfsbereit sind. Wieder die gleiche Aufnahmeprozedur, nur ohne EKG Versuch. Gleich am Aufnahmetag hatte ich ein langes Gespräch mit einer Assistenzärztin und später noch ein Vorbereitungsgespräch mit der Anästhesistin wegen der Vollnarkose. Die beiden gaben mir wirklich das Gefühl, dass ich ernst genommen werde und dass sie sich bemühen, das Ganze für mich so schonend wie möglich zu gestalten.
Am zweiten Tag sollte dann das „große Ereignis“ MRT stattfinden. Dafür musste ich mit einem Krankenwagen in ein anderes Haus gebracht werden. Das war natürlich schon eine riesen Herausforderung. Damit ich das besser verkrafte bekam ich eine halbe Stunde vorher ein Beruhigungsmittel verabreicht. Die Schwester guckte mich mit großen Augen an als sie mich fragte ob ich mich denn schon müde fühle… äh nein Beruhigungsmedikamente haben bei mir noch nie gewirkt, aber trotzdem Danke für den Versuch. Dann kam das Transportteam und mit vereinten Kräften haben vier Leute versucht, mich mit einem Rolltuch vom Bett auf die Trage zu bugsieren. Zu viele Leute, zu viel anfassen, zu viel Action, alles ging so schnell… da war ich auch schon weg. Bevor ich von der Bildfläche verschwand, war ich kurz davor anzufangen zu krampfen, ich merkte schon wie meine Arme in die Position gingen. Das Positive war dann aber, dass es nicht in den Krampf ging, sondern ich noch rechtzeitig von Lea, einer Innenperson von uns abgelöst wurde. Kleine Anmerkung: ich schreibe eigentlich nie öffentlich über Innies, aber Lea hat sich selber öffentlich schon einige Male gezeigt. Lea ist jugendlich und in jeder Hinsicht stärker als ich. Keiner von uns kann zwar mehr gehen, aber Lea kann z. B. sich ohne Hilfe umsetzen. Außerdem kann sie ganz normal laut sprechen und hat auch keine Angst vor Menschen. Weil sie einer der Innies mit der höchsten Alltagskompetenz ist, hatte sie die Aufgabe bekommen die Untersuchungen zu übernehmen. Alles was passierte während Lea da war, habe ich natürlich nicht mitgekriegt, sondern es wurde mir hinterher von Judith erzählt.
Nunja, Lea fuhr also mit Judith rüber in das andere Krankenhaus. Die Fahrt, das Warten und die Einleitung in die Narkose hat sie sehr gut hinbekommen. Das Aufwachen war dann wohl ziemlich schwierig. Wir nehmen an, dass es ein ziemliches Multichaos mit viel Verwirrung und Angst gab. Bis ich dann wirklich wach geworden bin, dauerte es ziemlich lange. Das war für uns alle heftig verwirrend. Das Letzte was ich ja mitgekriegt hatte, war das Umsetzen in meinem Krankenzimmer und dann im Aufwachraum einer anderen Klinik aufzuwachen war beängstigend.
Am nächsten Tag sollte die Untersuchung der Nervenleitbahnen sein. Dazu musste ich wieder in die andere Klinik. Ich hatte sehr dolle Panik davor und wollte eigentlich zuerst alles absagen. Habe dann aber doch zugestimmt, die Untersuchung war mir ja auch wichtig. Also wieder das Ganze von vorne: Beruhigungstablette, die nicht wirkt, Transportteam kommt, aber diesmal waren wir schlauer. Judith hat alle rausgeschickt und hat mich mit dem Patientenlifter auf die Transportliege gesetzt. Die Fahrt mit dem Krankenwagen habe ich dissoziiert überlebt. Im anderen Krankenhaus mussten wir durch etliche Flure fahren bis wir in der Neurologie ankamen. Dort noch ein bisschen warten. Das war mir dann wieder zu viel und war dann wieder weg vom Fenster. Die Untersuchung an sich ist nicht angenehm, die Nervenleitbahnen in den Beinen werden mit Stromstößen getestet. Das tut ungefähr so weh, wie wenn man einen Weidezaun anfasst. Eigentlich nicht schlimm, aber nicht alle Innies können verstehen, dass das jetzt notwendig ist und keine böse Absicht hinter dem Schmerz steht. Manche von uns reagieren bei körperlichem Schmerz sehr heftig. Die Untersuchung hat das ganze System ziemlich aufgeschreckt, sodass es viele schnelle Wechsel gab, bis Lea wieder etwas Ruhe reingebracht und die Situation gerettet hat. Lea war auch ein bisschen verstört, weil das Letzte was sie mitbekommen hatte, war am Vortag die Einleitung der Narkose gewesen. Und nun saß sie in einem Untersuchungsraum mit Elektroden an den Beinen. Aber sie hat die Untersuchung cool zu Ende gebracht und durfte dann zur Belohnung mit den Krankenwagenfahrerinnen eine Zigarettenpause machen. Die Tests waren alle völlig unauffällig, die Nerven sind also alle ok.
Als wir wieder zurück im Krankenzimmer waren, brachte uns die Oberärztin das Ergebnis vom MRT. Sie sagte, dass darauf eine Auffälligkeit gefunden wurde, die sie als Internistin aber nicht interpretieren könnte. Das müsste der Neurologe übernehmen, der sei aber erst in der nächsten Woche wieder im Haus. So fuhr Judith immer noch mit Lea an dem Tag nach Hause. Auf der Autobahn habe ich den Schreck meines Lebens bekommen als ich bei 150 km/h plötzlich wieder da war.
Die Oberärztin rief uns ein paar Tage später an, sie hatte mit dem Neurologen gesprochen, der noch mit der Neuroradiologie besprechen wollte, welche weiteren Tests nötig sind. Denn die Auffälligkeit könnte auf eine entzündliche Erkrankung schließen lassen.
Nun warten wir auf einen weiteren Anruf, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Falls der Neurologe meint, dass dem nachgegangen werden sollte, müssen wir nochmal dort antreten.
Das hört sich jetzt wahrscheinlich blöd an, wenn ich sage, dass ich mich freue, dass was gefunden wurde! Für viele körperliche Erkrankungen gibt es Behandlungsmethoden, die vielleicht dazu beitragen, dass ich wieder auf die Füße komme. Es ist alles noch sehr unklar und das Warten ist natürlich doof, aber vielleicht entsteht ja die Möglichkeit einer Heilung oder zumindest Verbesserung der körperlichen Symptome. Denn wenn ich körperlich fitter wäre, könnte ich auch leichter an Psychotherapie rankommen. Es bleibt spannend.
P.S.
Das Highlight der Woche: Judith hat nun endlich einen Pflegedienst gefunden, der über die Entlastungsleistungen der Pflegekasse meine Wohnung reinigt. Judith hat lange gesucht, aber hier in der Gegend hatten die Pflegedienste immer keine Kapazitäten frei. Als sie es bei dem letzten Pflegeberatungsgespräch ansprach, meinte die Beraterin, dass ihr Dienst das sofort regeln könnte. Nun kommt alle zwei Wochen eine Haushaltshilfe für zwei Stunden.
Wer einen Pflegegrad ab PG 2 hat und zu Hause gepflegt wird, muss in regelmäßigen Abständen ein Pflegeberatungsgespräch bekommen. Das Gespräch wird mit einer Mitarbeiterin von einem von Dir ausgesuchten ambulanten Pflegedienst geführt, um sicherzustellen, dass Deine häusliche Pflege gesichert ist und es Dir und Deiner Pflegeperson gut geht. Bei Pflegegrad 2 und 3 muss das Beratungsgespräch alle sechs Monate geführt werden, bei PG 4 und 5 alle drei Monate. Die Beratung ist gesetzlich vorgeschrieben, wenn man diese nicht macht, kann es zu Sanktionen von der Krankenkasse kommen.
Ich habe in Foren zu Pflegegraden oft Fragen zu genau dieser Pflegeberatung gesehen. Ich habe von Leuten gelesen, die Angst davor hatten und sich nicht wirklich vorstellen konnten, worum es dabei geht. Deshalb wollte ich Euch kurz berichten wie die Beratung bei mir und meiner Mutter, die auch meine Pflegeperson ist, abläuft. Vielleicht kann ich Euch ein bisschen die Angst davor nehmen.
Ich habe seit Dezember 2017 nach einem erfolgreichen Höherstufungsantrag den Pflegegrad 4. Somit findet die Beratung bei uns jedes Quartal statt. Meine Mutter rief bei einem uns bekannten Pflegedienst an und bat um eine leise und umsichtige Pflegerin. Die Beratung findet in der eigenen Wohnung statt.
Bei uns ist es immer die gleiche Fachkraft, die zu uns nach Hause kommt. Ich finde die Frau sehr nett und ich merke deutlich, dass sie auf „meiner Seite“ ist. Der Ablauf ist ganz unkompliziert. Je nachdem, wie ich mich fühle, sitze ich im Rollstuhl oder bleibe im Bett. Bei den ersten Malen blieb sie weit auf Abstand; mittlerweile sitzt sie auf einem Stuhl neben meinem Bett. Meine Mutter/Pflegeperson bleibt die ganze Zeit dabei. Die Pflegerin fragt meine Mutter und mich, ob sich etwas am Zustand oder der Pflege verändert hat und ob wir mit der Pflege zurechtkommen. Falls es etwas gibt, hört sie uns geduldig zu. Dann fragt sie uns, ob wir noch weitere Hilfe oder Hilfsmittel benötigen. Wenn ihr etwas auffällt, rät sie uns von selber, welches Hilfsmittel vielleicht helfen könnte. Falls nötig, bietet sie uns an eine Stellungnahme zu schreiben, z. B. wenn wir bei der Beantragung von Hilfsmitteln ihre fachliche Meinung brauchen. Sie ist dazu da alle unsere Fragen zu beantworten und uns Rat zu geben.
Je nachdem wie viel wir zu berichten haben, dauert der Termin 20 bis höchsten 60 Minuten. Zum Ende des Gesprächs füllt sie ein Formular für die Krankenkasse aus. Und dann sehen wir uns in drei Monaten wieder. Die Pflegeberaterin bietet uns auch immer an, sie bei allen Fragen rund um die Pflege stets anrufen zu können.
Ich schreibe hier natürlich von meinen eigenen Erfahrungen. Die Pflegeberatung ist für einen da, um zu helfen und da zu unterstützen wo man es braucht. Es ist absolut keine Begutachtung, bei der man fürchten muss, dass einem der Pflegegrad aberkannt oder herunter-gestuft werden könnte. Man wird auch nicht ausgehorcht oder verurteilt.
Klar ist es anstrengend und aufregend, wenn eine fremde Person das eigene sichere Zuhause betritt, aber der Termin geht schnell vorbei. Die Beratung ist für uns wirklich etwas Positives!
... von Judith. (Zur Sicherheit #Werbung weil Namensnennung)
Letzten Sommer haben wir zum ersten Mal über unsere Idee einer Pflege-WG geschrieben. So ein Wohnprojekt ist natürlich nicht einfach umzusetzen und braucht Zeit. Nach und nach haben wir immer mehr Informationen gesammelt.
Um wirklich weiterzukommen, sollten zumindest schon einige ernsthafte Interessentinnen da sein, die sich vorstellen können, in eine WG in Schleswig-Holstein, in ländlicher Umgebung, zu ziehen. Voraussetzung ist ein Pflegegrad ab PG 2 und der Anspruch auf Eingliederungs-hilfe / Ambulant Betreutes Wohnen. Gedacht ist die WG für Frauen mit Traumafolgestörungen, aber auch Frauen mit anderen Behinderungen sind willkommen, wenn das Bedürfnis nach Ruhe, Sicherheit, Einhaltung der Grenzen, Wunsch nach reizarmer Umgebung, Struktur passt.
Damit unser Wohnprojekt Gestalt annehmen und Realität werden kann, habe ich inzwischen mit vielen Menschen gesprochen, die Projektidee vorgestellt und einige neue Erkenntnisse gewonnen. Alle, mit denen ich gesprochen habe, fanden die Idee sehr gut und notwendig und konnten mir wertvolle Tipps geben.
Careunities ist eine Vermittlungsplattform für Wohngemeinschaften für junge Menschen mit Handicap. Leute, die eine Wohngemeinschaft suchen oder einen Platz in einer bestehenden WG anbieten, können sich hier treffen und vernetzen. Careunities begleitet die Gründung neuer WGs, sucht geeignete Immobilien und baut sie barrierefrei um. Die Zielgruppe ist zwar nicht die gleiche, aber wenn wir genügend Interessentinnen für „unsere“ WG haben, dann würde die Firma auch für uns tätig werden und uns bei der Suche nach einem geeigneten Haus und einem Investor helfen.
Mit einer der Gründerinnen der WG „LebensTRäume“ in Bad Schwartau hatte ich ein sehr interessantes Telefonat. Aus einer Elterninitiative ist hier eine WG für 7 junge Männer mit Handicap entstanden. Die Eltern haben einen Verein gegründet, ein Haus gekauft und umgebaut. Pflege und Betreuung der Bewohner kommen aus einer Hand, über die Paritätische Pflege Schleswig-Holstein gGmbH. Dabei werden die reinen Pflegedienstleistungen von der Krankenkasse bezahlt, dazu haben alle Bewohner Anspruch auf Eingliederungshilfe und der Träger gibt dann die Leistungen für das Ambulant Betreute Wohnen dazu. Die Eltern geben ihr Wissen und ihre Erfahrungen gern weiter und beraten andere, die auch so eine WG gründen möchten.
Auch mit der Paritätischen Pflege Schleswig-Holstein habe ich telefoniert und auch hier bin ich auf offene Ohren gestoßen. Wenn wir so weit sind, dass wir die WG gründen können, dann können wir hier möglicherweise einen Partner finden.
Wir hoffen weiterhin, dass sich das Projekt realisieren lässt. Jedenfalls begegnet uns das Thema Wohngemeinschaften für Menschen mit Behinderungen immer häufiger und das ist doch ein gutes Zeichen, dass sich sowas auch umsetzen lässt.
Wer also Interesse hat, in so eine Wohngemeinschaft einzuziehen oder eine Frau kennt, für die sowas genau das Richtige sein könnte, möge sich gerne bei uns melden. Weitere Fragen beantworten wir gerne.
Ihr könnt uns über unsere E-Mail Adresse oder gleich über das Kontaktformular erreichen.
wirrwege@gmail.com
Es ist mal wieder an der Zeit für ein Update zum Thema Versorgungsamt. In meinem Blog hatte ich bereits hier, hier und hier über meinen Schwerbehindertenausweis und die damit verbundenen Probleme berichtet.
Das Versorgungsamt bzw. das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie ist für die Feststellung der Schwerbehinderung in Niedersachsen zuständig. Der Grad der Behinderung (GdB) wird auf einem Spektrum in Zehnerschritten bis 100 Grad festgestellt. Ab 50 GdB gilt man als schwerbehindert und man bekommt einen Ausweis. Zu dem Grad können auch noch Merkzeichen vergeben werden: z.B. G – erhebliche Gehbehinderung, B – Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson, H – Hilflosigkeit, aG - Außergewöhnliche Gehbehinderung und noch einige weitere. Mehr Infos dazu gibt es hier.
Kurze Zusammenfassung: 2015 Erstantrag 30 GdB, Widerspruch 40 GdB, Widerspruch 60 GdB, 2017 Verschlechterungsantrag abgelehnt, nach dem letzten Widerspruch habe ich jetzt 80 GdB mit Merkzeichen G und B.
Die meisten Vergünstigungen, die man mit einem Schwerbehindertenausweis bekommt, sind für mich gar nicht relevant, weil ich ja z. B. nicht erwerbsfähig bin und auch nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann. Aber einen Parkausweis, um Behindertenparkplätze nutzen zu dürfen, brauche ich wirklich dringend. Und dafür muss man das Merkzeichen aG haben. Deshalb habe ich, bzw. meine gesetzliche Betreuerin, auch gegen den letzten Bescheid Widerspruch eingelegt und sogar vor dem Sozialgericht Klage eingereicht. Da ich ja weder eine Steh- und Gehfähigkeit und sehr eingeschränkte Sitzfähigkeit habe und für jeden Weg auf einen Rollstuhl und Hilfe von meiner Pflegeperson angewiesen bin, sehe ich mich deutlich im Recht.
Natürlich haben wir alle möglichen Arztberichte und Atteste eingereicht, aber das Sozialgericht will unbedingt ein Fachärztliches Medizinisches Gutachten von einem Institut in der Hamburger Innenstadt haben. Das wurde am 21.06.2018 angeordnet. Wir haben dem Gericht gleich mitgeteilt, dass ich unmöglich nach Hamburg in die Innenstadt fahren und mich dort begutachten lassen kann. Ich schaffe es ja nicht einmal, ohne dissoziative Krampfanfälle zu meinen bekannten Ärzten in meiner kleinen Heimatstadt zu kommen. Es ist völlig aussichtlos, dass ich es bei so einer Reizüberflutung schaffe, in der Praxis anzukommen und dann noch für Untersuchungen zu gebrauchen bin. Wir haben um einen Hausbesuch des Gutachters gebeten.
Heute am 23.02.2019 bekam ich Post von dem Gutachteninstitut. Ich soll nun im April nach Hamburg in die Mönckebergstraße kommen. Das ist die Haupteinkaufsstraße direkt am Hauptbahnhof: Menschenmassen, Verkehrschaos und keine Parkplätze.
„Wir empfehlen die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln.“
„Wir machen Sie darauf aufmerksam, dass für Begleitpersonen nur ein begrenzter Warteraum zur Verfügung steht.“
„Die Untersuchungen können sich über mehrere Stunden hinziehen (mit Pausen).“
Hm!!! …
Das Institut weiß sicherlich nichts von mir, die müssen ja auch unvoreingenommen sein. Das ist natürlich ein Standardbrief.
Das Sozialgericht hat aber meine Einwände gegen den Termin in Hamburg offensichtlich überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Ich bin mit einer Begutachtung absolut einverstanden. Aber eben nicht mitten in der Großstadt. Das ist schlichtweg nicht möglich. Und das Versorgungsamt ignoriert einfach alle eingereichten aktuellen Arztatteste und stützt sich auf ältere Berichte in denen steht, dass ich ein paar Schritte laufen kann. Jedenfalls ist das eine feine Beschäftigungstherapie für Behördenmitarbeiter. Was da alles für Geld in den Sand gesetzt wird?! Jeder medizinische Laie, der mich einmal sieht, kann zweifelsfrei erkennen, dass ich nicht aus dem Rollstuhl aufstehen und keinen Schritt laufen kann. Aber nun beschäftigen sich eine ganze Reihe hochbezahlter Beamter damit, mir zu beweisen, dass ich keine außergewöhnliche Gehbehinderung habe. Und dass alles nur um einen Parkausweis zu bekommen, damit ich direkt vor Arztpraxen einen Parkplatz habe, bei dem ich die Autotür öffnen kann und mit Hilfe meiner Mutter/Pflegeperson in den Rollstuhl gesetzt werden kann. Ich will weder Steuervergünstigungen noch verbilligten Eintritt in Freizeitparks oder Bahnreisen durch Deutschland. Dieser ganze Rechtsstreit ist total überflüssig.
Fortsetzung folgt… ich bin ein Steinbock.
Ein Beitrag von Judith, aus der Sicht der Angehörigen.
„Meine Tochter ist psychisch krank“ Dieser Satz, zu Außenstehenden gesagt, öffnet beim Empfänger der Botschaft das Kopfkino, gefüttert von den Medien. Eine Psychisch kranke Mutter ersticht ihre Kinder im Schlaf, ein psychisch kranker Jugendlicher begeht einen Amoklauf an seiner Schule, ein psychisch kranker Torwart wirft sich vor den Zug. Dieser Sammelbegriff „psychisch krank“ ist völlig ungreifbar, macht unsicher, macht Angst und macht hilflos. Psychisch Kranke, das sind Menschen, die außerhalb der Normalwelt stehen. Deshalb bemühe ich mich, diesen Begriff nicht mehr zu verwenden.
Es gibt so viele verschiedene seelische Krankheiten und Auffälligkeiten. Organische Erkrankungen, Suchterkrankungen, Schizophrenie und wahnhafte Störungen, affektive Störungen, Persönlichkeitsstörungen, Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen und einige mehr. Keine dieser Erkrankungen ist wie die andere, alle haben unterschiedliche Auslöser, Verläufe und Symptome. Warum werden alle in einen Topf geworfen? Genauso gut könnte man sagen: „mein Vater hat eine Erkrankung der Atemwege“, ohne zu erklären, ob es eine Nasennebenhöhlenentzündung oder Lungenkrebs ist. Jeder würde nachfragen, was es denn genau ist!
Ich denke, vor dem Unbekannten hat man immer am meisten Angst. Wenn ich von einem Menschen nur weiß, dass er „psychisch krank“ ist, dann bin ich unsicher. Ist der Mensch vielleicht gefährlich? Wird er leicht aggressiv? Setzt er seine Suizidgedanken in die Tat um, wenn ich ihn unabsichtlich verletze? Kann er einem Gespräch überhaupt folgen oder lebt er in einer Phantasiewelt?
In der Zeitung lesen wir von grausamen Verbrechen, die Psychisch Kranke begangen haben. Im Kino sehen wir Filme, in denen psychische Erkrankungen völlig überzogen dargestellt werden (natürlich gibt es auch hier Ausnahmen und wirklich gute Filme). Aber was wirklich fehlt, ist Aufklärung über verschiedene Krankheitsbilder und nicht nur Sensationsjournalismus über die spektakulärsten Fälle. Und was es vor allem braucht, ist ein offener Umgang mit der Krankheit. Gerade heute wurde ich gefragt, ob ich das Gefühl habe, dass ich als Angehörige oder meine kranke Tochter stigmatisiert oder ausgegrenzt wird. Nein, das Gefühl habe ich gar nicht. Ich erlebe immer wieder, dass Menschen, denen ich von meiner Situation und der besonderen Krankheit meiner Tochter erzähle, zugewandt, interessiert und äußerst entgegenkommend und hilfsbereit sind. Ob das bei der Arbeit ist, in der Nachbarschaft oder im Freundeskreis. Natürlich versuche ich, Johannas sehr komplexe Erkrankung so vereinfacht zu erklären, dass auch Leute, die noch nie mit dem Thema in Berührung gekommen sind, etwas darunter vorstellen können. Die Reaktion ist meistens Erstaunen und Verwunderung, natürlich auch ein Stück Hilflosigkeit, aber dann habe ich auch immer das Gefühl, dass ich Verständnis bekomme. Bisher habe ich nur gute Erfahrungen mit meiner Strategie gemacht, offen mit der Erkrankung umzugehen. Und letztlich erfahre ich auch immer wieder, dass andere Leute auch einen Angehörigen oder Freund/in mit einer der vielen verschiedenen psychischen Erkrankungen haben. Wenn ich dann höre: „meine Schwester hat eine bipolare Störung“ oder „meine Mutter ist depressiv“, dann kann ich mir etwas darunter vorstellen. Unter dem Sammelbegriff „…ist psychisch krank“ nicht.
Wenn ich eine Selbsthilfegruppe für Angehörige Psychisch Kranker besuche, dann bin ich bisher immer die Einzige gewesen, die ein Familienmitglied mit einer Dissoziativen Identitätsstörung hat. Die Eltern von Psychotikern haben ganz andere Probleme als ich. Ich werde meine Tochter nie aus Sicherheitsgründen mit der Polizei abholen und zwangseinweisen lassen, dafür gäbe es überhaupt keinen Grund. Ich werde weder bedroht noch bestohlen. Auch hier ist der Sammeltopf, in dem Fall für die Angehörigen, kein gutes Instrument. Das Einzige, was ich mit den anderen Angehörigen gemeinsam habe, ist die Hilflosigkeit. Und mit Sicherheit den Ärger mit Behörden.
Ich werde also weiterhin offen mit dem Thema umgehen und möglichst konkret sagen, was Sache ist. Das schafft Transparenz und damit Verständnis und den Abbau von Ängsten. Vielleicht ein kleiner Beitrag zur Inklusion und Nicht-Diskriminierung.
Nach langer Zeit überwinde ich mich mal wieder zu schreiben. Mein letzter persönlicher Blogeintrag ist mittlerweile schon einige Monate her. Ich wollte nicht, dass es ständig neue Jammer-Beiträge von mir gibt, die weder mir noch anderen in irgendeiner Weise helfen.
In den letzten Monaten hat sich nicht wirklich viel verändert. Seelisch geht es mir ziemlich miserabel. Jeder Tag der gleiche Trott. Aber wie ich schon mal schrieb, gibt es für mich keine Grenzen mehr, was ich aushalten kann, denn diese sind alle schon lange überschritten. Das Leben geht weiter, ob ich will oder nicht. Ich kann alles aushalten!
Die Feiertage habe ich überstanden. Weihnachten war still und meine Mutter und ich haben uns keinen zusätzlichen Stress gemacht.
Das Feuerwerk an Silvester haben meine Mutter und ich von ihrer Dachterrasse aus angeschaut. Dick eingepackt in Decken und mit Lärmschutzkopfhörern. Nach 20 Minuten Feuerwerk war ich dann aber so überreizt, dass ich bis 8 Uhr morgens von Kopf bis Fuß gelähmt im Bett verbracht habe. Meine Mutter und ich haben die ganze Nacht Musiksendungen und 2 Disney Filme geschaut, während meine Mutter aufpasste, dass ich nicht aus Versehen umfalle und in meiner Matratze ersticke.
Zwischen Weihnachten und Neujahr gab es noch einen weiteren Tag, dem ich mit Grauen entgegen blickte… meinen Geburtstag. Nach einiger Überlegung deaktivierte ich auf Facebook die Anzeige meines Geburtstags und schloss meine persönliche Timeline. Für den Fall, dass es trotz meiner Bemühungen doch angezeigt werden würde, habe ich extra einen Text geschrieben, warum mein Geburtstag alles andere als „happy“ ist. Den Text werde ich aber allen ersparen, ich war einfach ziemlich verzweifelt und aufgewühlt. Mein Plan ging auf und im Nachhinein bin ich wirklich froh, dass ich keine Glückwünsche erhalten habe, das hat mir, glaube ich, viele Tränen und noch mehr Stress erspart.
Körperlich geht es mir leider fortschreitend schlechter. Die Lähmung schreitet weiter voran, sodass selbstständiges Sitzen, Arme heben und Kopf aufrecht halten immer schwerer werden. Meine Physiotherapeutin vermutet, dass meine Zuckungen im Bein spastisch sind. Generell habe ich eine geringe Muskelspannung im ganzen Körper, sodass sogar die Muskeln in meinem Gesicht erschlafft sind. Ich habe große Schmerzen und bin ständig extrem müde. So müde, als hätte ich drei Tage durchgemacht und eine Flasche Likör getrunken. Mittlerweile habe ich schon das Gefühl, dass da noch mehr dahintersteckt. Meine Physiotherapeutin bestätigt meine Vermutung.
Im Jahr 2015, als ich jedoch noch gehen konnte und noch keine Krampfanfälle hatte, war meine letzte richtige körperliche/neurologische Untersuchung. Ich wollte schon lange, dass ich nochmal richtig untersucht werde. Im letzten Jahr waren nur alle Versuche, ambulant untersucht zu werden, daran gescheitert, dass ich schon bevor der Arzt ins Zimmer kam anfing zu krampfen, was eine Untersuchung unmöglich machte.
Nach Absprache mit meiner Mutter und mir sprach meine Hausärztin mit der Neurologin, bei der ich 2015 schon mal war. Die Neurologin hat uns nun den Tipp gegeben uns bei einem bestimmten Krankenhaus zu melden, das eine innere und neurologische Station für behinderte Menschen hat. Dort ist das Personal auf Patienten besser eingestellt die eben nicht so funktionieren wie „der normale Patient“. Meine Mutter ist mit der Klinik nun im Gespräch, ob ich dort eine gründliche stationäre neurologische, autoimmun und andere mögliche Diagnostik bekommen kann.
Auf meiner Facebook-Seite machte ich mir im November über meine Frustration über meine Krankenkasse Luft. Im August 2018 wurde für mich ein neuer Rollstuhl ausgemessen und beantragt. Darauf kam die erste komplette Ablehnung – Widerspruch – eine Teilgenehmigung (ohne Kopfstütze) – zweiter Widerspruch – und dann kam Anfang Dezember endlich die Genehmigung. Somit konnte daraufhin der neue Rollstuhl bestellt werden. Drei Anpassungen wurden nicht genehmigt, die habe ich dann aber von meiner Mutter, quasi als Weihnachts-geschenk, dazu bekommen. Ende Januar soll mein Rollstuhl nun geliefert werden. Darauf freue ich mich so sehr!!! Ich finde, ich habe jetzt auch lange genug darauf gewartet, seit Antragsstellung sind ja schon sechs Monate vergangen. Die Bürokratie und Hürden, die einer pflegebedürftigen Person in den Weg gelegt werden sind so unnötig kraft- und zeitraubend. Ich bin ja nun schon lange bettlägerig und kann schon lange nicht mehr in meinem alten Rollstuhl sitzen, nur wenn es unbedingt nötig ist. Ich erhoffe mir so sehr, dass der Neue mir die Stabilität bietet, damit meine Mutter und ich vielleicht mal wieder auf dem einsamen Feldweg spazieren fahren können, um frische Luft zu schnuppern.
Immer wieder stellen wir fest, dass wir in einer Sackgasse gelandet sind. Mit einer seltenen Krankheit passt man einfach nicht ins System.
Johanna war und ist bei diversen Ärzten in Behandlung, aber eine/r nach der/m anderen stößt an ihre/seine Grenzen. Dann geht es nicht mehr weiter, es gibt eine Überweisung zum nächsten Facharzt, der aber auch nur eine isolierte Facette des Gesamtproblems sehen und behandeln kann. Ich wünsche mir so sehr, dass jemand sich für zuständig erklärt, dass es ein interdisziplinäres Teamwork der Therapeuten und Ärzte gäbe, bei dem sich die Beteiligten untereinander austauschen und miteinander eine Behandlungsstrategie entwickeln. Aber das scheint in unserem Gesundheitssystem nicht vorgesehen zu sein.
Bislang schaut jede Ärztin und jeder Arzt auf ihr/sein Fachgebiet und stößt bei so einer komplexen Erkrankung wie Johanna sie hat logischerweise an einen Punkt, wo das eigene Expertenwissen zu Ende ist. Johannas Krankheitsbild scheint so außergewöhnlich zu sein, dass Mediziner ratlos und kopfschüttelnd davorstehen.
Ein Psychiater oder Psychotherapeut kennt sich mit seelischen Leiden aus, aber im Zweifelsfall auch nur mit einigen besonders gut. Hier im ländlichen Raum finden wir keine, die Erfahrung in der Therapie von Dissoziativen Störungen hat. Das wäre schon hilfreich, aber momentan würde ich es schon sehr begrüßen, wenn es überhaupt eine Psychotherapeutin gäbe, die Johanna auf ihrem Weg begleitet. Eine Dauerbegleitung ist aber aus Sicht der Krankenkasse nicht vorgesehen. Wenn Therapie nicht nach einer bestimmten Zeit „Wirkung“ zeigt, wenn sich der seelische Zustand nicht verbessert, dann werden keine weiteren Therapiestunden bewilligt, weil es ja eh nichts hilft. Dass aber ohne regelmäßige therapeutische Begleitung der Weg steil nach unten führt, das wird nicht gesehen.
Praktische Ärzte können z. B. nur sehr begrenzt Physiotherapie und Krankengymnastik verordnen, sie haben ein Budget. Eine „Langfristverordnung“ wird nur bei ganz bestimmten chronischen Krankheiten bewilligt. Eine dissoziative Bewegungsstörung gehört nicht dazu. Auch wenn die Auswirkungen wahrscheinlich haargenau die gleichen sind wie bei einer Querschnittslähmung als Unfallfolge, wird die Therapie nicht gleichermaßen bewilligt. Der Spitzfuß ist ja „nur psychisch“. Ja, möglichweise ist der Körper eines Tages wieder bereit, zu funktionieren, wenn die Seele Ruhe gefunden hat und die Traumata gelöst wurden. Aber bis dahin sind die Beine gelähmt, die Füße verformt und die Schmerzen die gleichen wie beim Unfallopfer.
Wir erleben immer wieder, dass Therapeuten aus nicht-ärztlichen Heilberufen sehr viel kreativer sind als ihre studierten KollegInnen. Johannas Physiotherapeutin ist so eine engagierte, ganzheitlich denkende, einfühlsame und erfahrene Fachfrau – ein Glück, dass wir nach fast einem Jahr der Suche endlich eine gefunden haben, die es sich zutraut, eine psychisch Kranke mit Bewegungsstörungen zu behandeln. Für sie ist es völlig offensichtlich, dass es viel zu kurz gedacht ist, all die Symptome als „rein psychisch“ abzutun. Eine Diagnostik, die den ganzen Menschen sieht, könnte vielleicht ganz andere Ergebnisse hervorbringen.
Untersuchungen in unbekannten Facharztpraxen sind für Menschen mit PTBS, mit Ängsten, Panikattacken und Dissoziativen Störungen eine fast nicht zu bewältigende Herausforderung. Die letzten vier Arztbesuche, die Johanna in Angriff nahm, endeten bevor sie anfingen: beim Betreten der Praxis oder spätestens beim Warten auf den Arzt begann ein Krampfanfall, der jedes Gespräch, jede Untersuchung unmöglich machte. Von den Schmerzen, der Scham, den Folgeerscheinungen mal ganz abgesehen, ist das ein ziemlich sinnloses Unterfangen. Und trotzdem muss sie sich dem immer wieder stellen. Fachärzte machen keine Hausbesuche. Den Bewegungsapparat kann nur der Orthopäde untersuchen, die Funktion der Nervenbahnen nur der Neurologe, die Neurodermitis nur der Hautarzt. Jeder sieht einen Mini-Ausschnitt des Gesamtproblems und irgendwie kann man sich an 5 Fingern abzählen, dass dabei keine ganzheitliche Lösung herauskommen kann. Schublade auf, nichts darin gefunden, Schublade zu, nächste Schublade.
Es ist zum Verzweifeln. Johanna hat überlegt, sich in einer neurologischen Fachklinik untersuchen zu lassen. Beim Telefonat mit der Klinik war ich erstmal angenehm überrascht, dass es keine Einwände dagegen gab, dass ich Johanna ins Krankenhaus begleiten würde, um dort die Pflege sicherzustellen. Allerdings gibt es auch dort angeblich keine Möglichkeit, ein MRT unter Narkose zu machen. Warum überhaupt MRT unter Narkose? Der Versuch, ein MRT mit einer normalen Sedierung zu machen, ging komplett daneben. Es reicht auch keine Überweisung vom Hausarzt, sondern sie muss vom niedergelassenen Neurologen kommen. Wo wir wieder bei der Problematik des Arztbesuches wären – siehe oben!
Bis heute wurden die rätselhaften Symptome noch nie untersucht und abgeklärt und es kommen immer mehr körperliche Symptome dazu. Wenn die übliche Form der Diagnostik nicht funktioniert, wird nicht nach Alternativen gesucht, sondern kapituliert. Es scheint also gerade keine Möglichkeit zu geben, überhaupt einmal zu untersuchen, ob es nicht doch körperliche Ursachen für Johannas Zustand gibt. Dazu ist sie zu krank. Ha!
Das erinnert mich an die Oberärztin einer psychosomatischen Fachklinik, die einen sehr guten Ruf für die Behandlung dissoziativer Erkrankungen hat. Johanna wollte sich dort unter anderem wegen ihrer dissoziativen Bewegungsstörung, ihres dissoziativen Mutismus und ihrer sozialen Phobie behandeln lassen. Die Ablehnung wurde damit begründet, dass sie nicht laufen und nicht sprechen und nicht an Gruppentherapien teilnehmen kann und deswegen nicht therapiefähig sei. Hm.
Menschen mit seltenen und ungewöhnlichen Krankheiten fallen durchs Raster. Vor allem, wenn nicht zu erwarten ist, dass es ein Medikament dagegen geben könnte, mit dem Geld zu verdienen ist. So ein Krankheitsbild wie Johanna es hat, erfordert vom Arzt oder Therapeuten Geduld, genaues Hinsehen und Zuhören, Erfahrung und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen, Auszuprobieren, Raum zu geben. All diese Punkte sind in der Gebührenordnung für Ärzte nicht zu finden. Ich habe durchaus Verständnis dafür, dass Ärzte nicht umsonst und auch nicht kostenlos arbeiten wollen. Hier liegt ganz offensichtlich der Fehler im Gesundheitssystem. Ganzheitliche Behandler passen da genauso wenig hinein wie so komplizierte Kranke.
Aber – wie Johanna schon mal geschrieben hat – bin ich einfach eine unverbesserliche Optimistin und ich glaube an Wunder. Wenn sich das Wunder ein bisschen beeilen könnte, wäre ich allerdings mehr als dankbar!
In den letzten Tagen hatte ich jede Nacht einen ähnlichen Traum. Ich bin allein, meist auf einer einsamen Insel ohne Vegetation, nur mit verdorrtem Gras. Dann kommt das Feuer. Es schließt mich ein und versperrt mir alle Auswege. Wenn ich eine Öffnung im Feuer sehe, renne ich darauf zu, wenn ich nah genug dran bin lodert auch da das Feuer hoch. Ich suche panisch nach einem Ausweg. Ich wache hyperventilierend auf, wenn das Feuer mich komplett eingeschlossen hat und anfängt mich zu verbrennen.
Ich habe mit meiner Mutter heute über den wiederkehrenden Traum geredet. Für mich ist eigentlich ganz klar, dass der Traum ein deutliches Sinnbild meiner Gefühlslage ist. Ich fühle mich eingeschlossen, hilflos und existenziell bedroht und ich sehe momentan keinen Ausweg. Nichts, was sich in absehbarer Zukunft an meiner ganzen Lebenslage ändern kann. Und wenn es mir so erscheint, als hätte ich eine Möglichkeit gefunden, dann stellt sich das ganz schnell wieder als Flop heraus.
Meine Mutter meinte, dass sie mit unserer Situation eher eine bleierne Schwere „wie im Moor versinken“ in Verbindung bringen würde. Das Feuer ist lebendig und brutal, das Versinken im Moor fühlt sich schwer und ziehend an. Beide Bilder machen für mich Sinn.
Ich habe schon seit langer Zeit eine andere sehr detaillierte Szene vor Augen, die meine Gefühle ziemlich treffend beschreibt. Schon seit Monaten ist das Bild sehr prägnant für alles was bei mir vor sich geht. In z. B. Superhelden oder Anime Filmen gibt es doch oft riesige Kampfszenen. Ein Charakter schlägt den anderen. Der Geschlagene fällt wie in Zeitlupe mit viel Wucht weit nach hinten.
So würde ich auch mein Gefühl beschreiben. Ich fühle mich seit vielen Monaten so, als wäre ich gerade mit voller Wucht geschlagen worden, ich befinde mich in Zeitlupe im Fall, habe den Boden aber noch nicht erreicht. Während ich falle, fühle ich mich verwirrt und hilflos. Ich versuche panisch nach irgendwas in allen Richtungen zu greifen und um Hilfe zu rufen. Aber der große Aufschlag ist noch nicht gekommen. Stattdessen bleibt das Gefühl vom „Kinnlade herunterfallen“ und der Frage „OMG! Was zum Teufel passiert hier?!“. Bis aufs innerste bin ich geschockt und meine Grundannahme von Menschlichkeit und dass es doch einen Ausweg geben muss, ist zum wiederholten Male markerschütternd zerbrochen.
Ich weiß, dass es nicht nur Menschen da draußen gibt, die unempathisch sind, uns einfach nicht verstehen möchten und uns bösartig und nachweislich falsche Tatsachen unterstellen und uns somit den Weg zu nötigen Hilfsangeboten versperren. Ich weiß, dass es natürlich Ausnahmen gibt, Leute die uns helfen, uns unterstützen, uns Mut zusprechen, vielleicht sogar ein klein bisschen verstehen wie düster das Leben für meine Mutter und mich ist.
Klar habe ich meine Mutter als starken Felsen. Aber sie befindet sich doch im selben Fall wie ich. Bei ihr habe ich noch ein viel stärkeres Bild vor Augen, wie sie nach jedem Anhaltspunkt, jedem Strohhalm greift. Sich versucht mit all ihrer Kraft festzukrallen aber im Endeffekt überall abrutscht.
Ich sehe mich als Realistin, das würden andere sicherlich in Frage stellen. Meine Mutter ist eine unermüdliche Optimistin, die nie aufhört daran zu glauben, dass wir wieder festen Boden unter den Füßen finden. Ich kann mir oft nicht vorstellen, dass sie das wirklich ernst meint. Aber was soll sie auch Anderes sagen? Wenn wir beide den Kopf hängen lassen, bringt es uns ja auch nicht weiter. Es stört mich manchmal, wenn meine Mutter sagt: „Alles wird irgendwann gut!“, weil ich dann das Gefühl hab, dass sie damit die Probleme klein redet. Aber ich weiß, dass es wichtig ist, das manchmal zu hören und zu wissen, dass es zumindest eine Person gibt, die nicht aufgibt. Es tut mir aber auch für sie furchtbar leid, dass sie versuchen muss sich so stark zu geben und ich frage mich, wie lange das ein Mensch aushalten kann. Wobei ich gelernt habe, dass man viel mehr aushalten kann, als man eigentlich für möglich hält, wenn es keine Alternative gibt. Meine Mutter behauptet, dass man daran wächst, wenn man schwierige Zeiten durchlebt und meistert. Mit allen Erfahrungen, die ich in meinem Leben gemacht habe, fühlt es sich für mich so an, als ob mich das ganze Elend immer mehr schwächt und mir das Leben ausquetscht.
Das Wohnprojekt, das wir auf die Beine stellen möchten, ist noch ein möglicher offener Weg, wenn auch noch weit entfernt. Ich traue mich noch nicht zu hoffen, dass es wirklich klappt. Aber der Optimismus von meiner Mutter reicht dafür für zwei.
Arzttermine und Untersuchungen sind bei mir immer ein ganz heikles Thema. Fremde, teilweise autoritäre Menschen, die mich zum Untersuchen womöglich anfassen müssen – nicht selten führen solche Situationen zu Panik, dissoziativen Krampfanfällen und wildem Hin-und-her-geswitche. Deshalb sind einige Arten von körperlichen Untersuchungen momentan gar nicht denkbar. Und wenn doch mal ein Arztbesuch unausweichlich ist, wird das so lang wie möglich rausgezögert.
Morgen ist es mal wieder so weit, mein zweiter Auswärtstermin zu einer Arztpraxis in diesem Jahr. Hausbesuche von Fachärzten sind ja leider, zumindest von niedergelassenen Ärzten aus meiner Stadt, nicht zu bekommen. Ein Arzttermin bei einem mir völlig fremden männlichen Orthopäden. Selbst die Fahrt zur Praxis wird da schon zum Spießrutenlauf. Möglich wird das nur mit zwei Begleitpersonen.
Durch meine damalige Therapeutin bin ich darauf gekommen, ein Informationsblatt für Ärzte zu schreiben. Ich habe versucht, einfach und kurz meine Erkrankung zu beschreiben und zu vermitteln, was ich brauche, um behandelt werden zu können. Diese Beschreibung bringt meine Mutter am Vortag in die Praxis und verweist darauf, dass wir es ernst meinen und dass der Arzt sich das wirklich bitte durchlesen sollte. Es bringt ja allen nichts, wenn der Arzt schnittig um die Kurve kommt, mir die Hand zur Begrüßung ausstreckt und ich sofort anfange zu krampfen und die nächsten ein/zwei Stunden das Behandlungszimmer blockiere, bis eine von uns in der Lage ist raustransportiert zu werden, ohne überhaupt behandelt worden zu sein.
Mein Schreiben, das wir den Ärzten geben, ist natürlich sehr auf mich persönlich zurechtgeschnitten. Ich weiß nicht, ob das überhaupt für jemanden informativ und hilfreich ist. Wenn ja, darf mein Schreiben gerne als Muster für eigene Ideen genommen werden.
Das Thema Klinikaufenthalte ist bei mir ja ein Dauerbrenner. Meine Einstellung zu Kliniken hat sich geändert. In diesem Beitrag hole ich etwas aus um die Entwicklung besser verständlich zu machen. Es geht um ambulante und stationäre Therapie, Erfahrungen in der Psychiatrie, die Schwierigkeiten überhaupt einen Therapieplatz zu bekommen, meine Kritik am Gesundheitssystem und um das was ich daraus gelernt habe.
Ambulante Psychotherapie hatte ich eigentlich von 2012 bis Januar 2018. Allerdings konnten wir seit Anfang 2015 nur noch niedrigschwellige unterstützende Gespräche führen. Warum? Wenn die Therapeutin an belastende Themen kratzte, dann dissoziierte ich um mich dem Thema nicht stellen zu müssen. Das geschah natürlich unbewusst, bzw. ohne Absicht und sicherlich auch von Innen zum Schutz. Diese Barriere konnte meine damalige Therapeutin und ich nicht brechen. Außerdem hielt sie dies auch gar nicht für gut, solange ich so eng mit meiner Mutter zusammen war. Sie meinte, eine Therapie, vor allem Traumatherapie, sei nur im geschützten Klinikrahmen, weit weg von Zuhause, möglich. Traumatherapie ganz alleine und zu Hause war mir aber auch selbst zu riskant durch meine latente Suizidalität. Ganz abgesehen davon zahlt die Krankenkasse ja nicht unbegrenzt Therapiestunden. Zwischendurch musste ich eine längere Pause einlegen.
Also bemühte ich mich um einen stationären Therapieplatz. Drei Wochen Akutpsychiatrie in Hamburg im März 2015 haben erst mal wieder ganz viel kaputt gemacht. Ein aggressives Umfeld auf der Station und mein Gefühl des Nicht-verstanden-werdens führten dazu, dass ich abbrach. Erst im August 2016 hatte ich wieder soweit Mut gefasst, dass ich für einen weiteren Klinikaufenthalt bereit war. Zu dem Zeitpunkt stand auch die Diagnose „Dissoziative Identitätsstörung“ fest. Also musste es eine Klinik sein, die Erfahrungen in der Behandlung von Multiplen hat. Allerdings saß ich da schon wegen der dissoziativen Bewegungsstörung im Rollstuhl.
Was dann passierte, hat mich an unserem Gesundheitssystem zweifeln lassen! Meine Therapeutin und ich haben bei ungefähr 60 bis 70 Kliniken in ganz Deutschland und den Niederlanden angefragt. Damals hatte ich dazu schon einen Blogeintrag geschrieben.
Ich landete dann ja endlich in einer sehr guten Klinik in Bayern, allerdings nur zu einem drei-wöchigen Probeaufenthalt. Die Fortsetzung ein Jahr später entfiel, weil meine Ärztin inzwischen nicht mehr dort arbeitet und keine spezialisierte Nachfolgerin eingestellt wurde.
Stattdessen versuchte ich es noch einmal in der hiesigen Akutpsychiatrie. Wieder einmal wurde ganz klar, dass es überhaupt keinen Sinn macht, in eine Klinik zu gehen, in der sich Ärzte und Pflegepersonal nicht wirklich mit DIS und anderen dissoziativen Symptomen auskennen.
Seitdem ist wieder ein halbes Jahr vergangen. Im Hilfeplangespräch, in dem über das Persönliche Budget entschieden werden sollte, wurde mir unterstellt, dass ich mich gegen einen Klinikaufenthalt sträuben würde. Das stimmt, aber nur insoweit, dass ich auf gar keinen Fall nochmal in eine Akutpsychiatrie gehen werde. Dreimal Traumatisierung in einer Klinik reicht doch eigentlich oder?! Ich müsse meine Erwartungshaltung runterschrauben. Ich möchte aber nur nicht von Ärzten behandelt werden, die noch nicht mal ganz generell an die DIS glauben und meinen, Dissoziationen wären nur um Aufmerksamkeit zu erhaschen. Das zeigt mir deutlich, dass ich bei so jemandem nicht gut aufgehoben bin.
Weil ich aber hier in meiner Heimatstadt keinerlei Chance habe, eine ambulante Therapeutin zu finden und weil ich auch nicht in der Lage bin, zur Therapie in eine Großstadt zu fahren, ist stationäre Therapie für mich die einzige Möglichkeit, überhaupt mit einer Therapeutin an meinen Themen zu arbeiten. Also nochmal von vorne! Letzte Woche habe ich nochmal ca. 35 Kliniken angeschrieben, kurz meinen Zustand erläutert und angefragt, ob sie mich denn vielleicht behandeln würden. Das Ergebnis war niederschmetternd.
Ein paar Beispiele:
„Vielen Dank für Ihr Interesse an unserem Klinikum. Wegen der zahlreichen körperlichen Einschränkungen können wir Sie leider nicht behandeln.“
„Leider können wir Ihnen nicht helfen, da die Klinik nicht rollstuhlgerecht ausgestattet ist.“
„vielen Dank für Ihr Interesse an unserer Fachklinik für Psychosomatik und Psychotherapie. Leider ist unsere Klinik für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen nur sehr bedingt geeignet, für Rollstuhlfahrer gar nicht.“
Die anderen Absagen waren alle ähnlich. Was mich wirklich traurig macht, ist die Form in der mir geantwortet wurde. Ich erwarte und will auch nicht, dass man mich bemitleidet. Ein bisschen mehr Freundlichkeit, als ein Satz und die „freundliche Grüße“ hätte ich schon gut gefunden. Schließlich ist auch eine Klinik ein Dienstleistungsunternehmen und ich eine potenzielle Kundin, auch wenn meine Rechnung die Krankenkasse bezahlt.
Muss ich extra erwähnen, dass es keine Zusage gab???
Nur eine einzige Ärztin hat sich Zeit genommen und mir etwas ausführlicher geantwortet und der Inhalt war wirklich hilfreich:
„Ihre Not im Bezug auf das Finden einer geeigneten Behandlung kann ich nachfühlen, möchte jedoch auch mitgeben, ob die Hilfestellung, die das stationäre Setting zu geben vermag, nicht überschätzt wird und hier zu große Hoffnungen geschürt werden. Ich würde die Frage stellen wollen, ob es nicht eher darauf ankommt, ein Hilfesystem zu finden, das gemeinsam ambulant mit Ihnen arbeitet (Sozialarbeit, Beratungsstelle, ärztliche Unterstützung, psychotherapeutische Hilfe etc.), auch wenn dazu ggf. der Wohnort gewechselt werden muss. Manchmal ist solch ein Schritt ja auch für den gesamten Heilungsverlauf entscheidend, auch wenn es natürlich mit sehr viel Aufwand verbunden ist.“
Eigentlich spricht die Ärztin aus, was ich mir schon lange gedacht habe. Die Schulmedizin kann mir nicht helfen. Nicht weil die Ärzte unfähig wären, sondern vor allem weil unser Gesundheitssystem einfach nur nach starren Regeln funktioniert und ich mit meiner komplexen Erkrankung in keine Schublade passe.
Also muss ich wohl meinen ganz eigenen Weg finden. Und das möchte ich auch! Ich glaube, dass die Pflege WG ein guter Schritt ist. Immer wenn ich gefragt werde, was mir helfen könnte, sage ich: Hundewelpen streicheln und Blumen angucken. Beides hört sich zuerst einmal seltsam an. Die Bedeutung liegt aber in der Natur und darin, die Schönheit des Lebens zu sehen. Ich suche Ruhe und einen sicheren Platz, an dem ich mich wohl fühle. Ich kann mir vorstellen, dass so ein Umfeld sich ungemein positiv auf mich/uns auswirken kann.
Das bringt mich dazu, nicht mehr meine Energie in hoffnungslose Aktionen zu stecken, bei denen das Scheitern vorprogrammiert ist, wie z. B. die Suche nach einer Klinik. Andererseits gibt es mir viel mehr Zeit und Energie mir Gedanken darüber zu machen, wie ich den neuen Weg gestalten kann.
Die Verwirklichung des Wohnprojektes ist aber noch nicht absehbar. In der Zwischenzeit versuche ich, auch wenn es mir oft unmöglich erscheint, hier zu Hause, mich mit kleinen, schönen, angenehmen Dingen zu umgeben: Der Therapiehund, der uns einmal in der Woche (bald vielleicht sogar zweimal) besuchen kommt, öfters mal ein frischer Blumenstrauß in meinem Zimmer, meine monatliche Buddybox (#WerbungWeilNamensnennung), schöne Deko und vielleicht fällt mir ja noch was ein. Wenn mein neuer Rollstuhl da ist, der mir mehr Stabilität im Sitzen geben soll, dann versuchen wir auch mal wieder öfter das Bett zu verlassen und an die frische Luft zu gehen. Die Dachterrasse meiner Mutter wäre da zumindest schonmal ein Zwischenziel.
Heute schreibt hier Judith, die Mutter von Johanna. Auf der Suche nach der passenden Wohn- und Betreuungsform sind wir auf die Idee gekommen, selbst eine Pflege- und Betreuungs- Wohngemeinschaft für Frauen mit Traumafolgestörungen und Pflegebedarf zu gründen. Nun fragen wir uns, ob es dafür weitere Interessentinnen gibt!?
In den letzten zwei Jahren haben wir uns ganz viele Gedanken darüber gemacht, welche Wohnform für Johanna die Beste wäre. Zurzeit lebt sie ja in einer eigenen Wohnung. Solange sie noch laufen konnte und auch, als sie schon im Rollstuhl saß, sich aber selbst umsetzen konnte, klappte das einigermaßen. Ich und zwischendurch auch verschiedene Betreuerinnen halfen ihr bei allem, was sie nicht selber kann. Mit der Zeit brauchte sie aber immer mehr körperliche Hilfe, z. B. bei jedem Wechsel vom Bett in den Rollstuhl.
Zuerst, vor zwei Jahren, haben wir eine betreute Wohngruppe für traumatisierte Frauen gesucht. Alle, bei denen wir angefragt haben, können keine Rollstuhlfahrerinnen aufnehmen. Als nächstes haben wir mit einigen Pflegeheimen gesprochen, die eine extra Abteilung für „junge Pflege“ haben. Vier Heime haben eine Aufnahme von Johanna abgelehnt, weil der Pflegeaufwand zu hoch wäre oder weil sie sich den Umgang mit der Dissoziativen Identitätsstörung nicht zutrauen. Außerdem haben wir bei Besuchen dort auch deutlich gemerkt, dass das nun wirklich nicht der passende Ort für Johanna wäre.
Die Pflege Zuhause ist aber auch nicht optimal. Johanna ist doch sehr isoliert, Pflegedienste funktionieren nicht, weil die einfach an ihre engen Zeitfenster gebunden sind und so hängt alles an mir, was auf die Dauer keine Lösung ist.
Was gibt es sonst noch für Möglichkeiten? Johanna wünscht sich „ein kleines Häuschen am Wald mit Tieren und einem schönen Garten“. Also eine reizarme Umgebung mit Menschen, die verständnisvoll mit ihr umgehen.
Für Senioren mit unterschiedlichem Unterstützungsbedarf gibt es immer mehr „Pflege WGs“. Dabei mieten oder kaufen sich mehrere Senioren ein Haus oder eine große Wohnung und organisieren gemeinsam Betreuung und Pflege. Die Bewohner selbst gestalten ihr Zuhause und sind dabei nicht an starre Regeln gebunden, wie sie in einem Heim gelten müssen. So ein ähnliches Modell stellen wir uns auch für psychisch kranke Frauen mit Pflegebedarf vor. Für Johanna ist der Umgang mit Tieren sehr wichtig. Wir haben eine Freundin in Schleswig-Holstein, die so ein Projekt unterstützen würde. Sie ist Hundetrainerin und beschäftigt sich mit psychisch Kranken. Deshalb würden wir das Wohnprojekt gerne in der Nähe von Kiel/Eckernförde ansiedeln.
Es sollte ein Haus in einer schönen Umgebung sein - nicht in der Stadt. Natürlich muss das Haus komplett rollstuhlgerecht und barrierefrei sein, es müsste entsprechend umgebaut werden. Je nach Größe des Hauses könnten da vielleicht 4 bis 8 Frauen leben. Jede hätte ihr eigenes Zimmer und es könnte einen Gemeinschaftsbereich geben. Im Garten kann man sich sinnvoll beschäftigen und in der Natur zur Ruhe kommen. Unsere befreundete Hundetrainerin würde mit ihren Vierbeinern regelmäßig ins Haus kommen. Die Bewohnerinnen könnten so mit Hunden arbeiten, ohne komplett die Verantwortung tragen zu müssen. Wenn eine Frau schon ein Tier hat, könnte sie das natürlich in die WG mitbringen. Manche Therapien z. B. Ergotherapie und Physiotherapie könnten im Haus stattfinden, eventuell in der Gruppe. Es könnte auch einen Fahrdienst geben. Die Bewohnerinnen können sich je nach ihren Möglichkeiten gegenseitig unterstützen und im Haushalt mitarbeiten. So viel Normalität wie möglich, aber in einem behüteten Rahmen.
Die Bewohnerinnen müssten alle einen Anspruch auf Eingliederungshilfe und einen Pflegegrad bzw. Anspruch auf persönliches Budget haben. Dann könnte man gemeinsam Betreuung und Pflege darüber finanzieren. Für Pflege WGs gibt es noch zusätzlich Zuschüsse. Auch für den Kauf oder die Miete des Haues und für Umbaumaßnahmen gibt es Fördermittel. Es ist also gar nicht unrealistisch.
Aus meinem beruflichen Umfeld habe ich eine Menge Erfahrung mit Projekten und öffentlichen Fördermitteln. Es gibt also schon eine Idee, ein Konzept und konkrete Pläne. Bisher haben wir noch kein Haus in Aussicht! Zuerst müssten wir ein paar Interessentinnen finden, die mitmachen und eigene Ideen einbringen möchten. Natürlich gäbe es erstmal Treffen zum Kennenlernen.
Weitere Informationen zu der Organisierung und Finanzierung des Wohnprojektes, gibt es
Wenn betroffene Frauen sich vorstellen können, in so einer Wohngemeinschaft zu leben oder Fragen haben, freuen wir uns über Mails
Wir freuen uns auch über Zuschriften mit hilfreichen Ideen, Hinweisen auf ähnliche Projekte und allen anderen Informationen, die uns weiterhelfen können.
„Ich kann nicht mehr!“ eine weit verbreitete Aussage. Ich habe den Eindruck, dass der Satz oft schnell daher gesagt wird. Ich sage das auch ab und zu. Wenn ich das merke, versuche ich den Satz zu hinterfragen. Was bedeutet eigentlich „Ich kann nicht mehr!“?
Es kann bedeuten: Ich bin so erschöpft, müde, verzweifelt, deprimiert, kraftlos, ratlos, hilflos, usw. Oder auch in ganz anderem Sinne ich bin satt, meine Konzentration ist weg oder ich habe viele Physioübungen gemacht und mag nicht mehr.
Es ist ja eigentlich ganz gut festzustellen, dass man an einem Punkt angelangt ist, wo es so nicht mehr weiter geht. Aber nach jedem „Ich kann nicht mehr!“ muss man sich doch fragen: „Und was kann ich stattdessen?“
Ich möchte sagen, dass ich mir abgewöhnt habe, zu sagen, dass ich nicht mehr kann. Es bringt nichts, ich habe meine Situation teilweise akzeptiert. Einiges ist einfach momentan nicht zu ändern, das ist halt so, Punkt. Dann ist „Ich kann nicht mehr!“ nur eine leere Worthülse oder der Ruf nach Zuwendung. Über andere Themen z. B. alternative Therapieformen, denke ich immer wieder nach und bespreche mit meiner Mutter, was wir tun können um Alternativen zu finden und sie umzusetzen. Ja, mein Leben hat wenig Lebensqualität und das meiner Mutter dadurch auch, aber ich fühle mich nicht wie ein hilfloser Marienkäfer auf dem Rücken. Auch wenn meine Lage mir oft auswegslos erscheint. Ich habe aber noch nicht aufgegeben, denn ich mache mir ja schließlich noch aktiv Gedanken, wie ich mir das Leben erleichtern kann.
Über drei Monate sind seit dem letzten Blogeintrag vergangen. In der Zwischenzeit gab es nicht viel zu berichten, jedenfalls nichts Positives und Konstruktives und einige Themen sind auch einfach nicht für die Öffentlichkeit. Mir geht es nicht gut und das Schreiben fällt mir schwer. Mit viel Hilfe versuche ich es nun mal wieder.
In meinem letzten Artikel hatte ich ja erzählt, dass ich eine persönliche Assistentin hatte. Das hat leider nur wenige Wochen funktioniert. Es lag auf keinen Fall an der Assistentin, die sich wirklich alle Mühe gegeben hat, mich gut zu versorgen. In meinem Kopf begannen sich altbekannte Programme abzuspulen, die verhindern, dass ich jemanden an mich heranlassen kann, vertrauen schöpfe und Nähe zulassen kann. Das hat mich so blockiert, dass der Kontakt von Tag zu Tag schwieriger wurde, bis ich mich ungewollt in Dissoziationen flüchtete, wenn sie nur zur Tür hereinkam. Ich habe versucht, diese Gefühle zurückzudrängen. Rational weiß ich, dass sie ein lieber Mensch ist, aber der Widerstand und Fluchtimpuls war stärker als jede Vernunft. Ich habe aktiv versucht, dagegen anzugehen und meine Mutter und ich hatten viele Gespräche darüber. Ich habe mir in der Zeit sehr gewünscht eine Fachperson zu haben mit der ich Lösungsstrategien entwickeln könnte. Wie gesagt, ich kenne dieses Verhaltensmuster schon seit dem Kindergarten und es stand mir schon mein ganzes Leben lang im Weg. Meine Mutter sagt mir zwar, dass ich mich nicht schuldig fühlen soll, aber davon gehen die Schuldgefühle auch nicht weg. Jedenfalls führte es nun wieder dazu, dass wir keine Unterstützung im Alltag mehr haben.
Auf dem Bild sieht man mich in einer ganz schlechten Phase. Besonders in der letzten Zeit mit meiner Assistentin gab es viele Tage, an denen jedes Geräusch, jeder Reiz sich wie ein körperlicher Schmerz anfühlte. Die einzige Methode, solche Tage zu überstehen, ist für mich, ein 'Blanket-Burrito' zu sein. Im dunklen Zimmer, Kopfhörer mit Musik oder Hörbüchern und dick eingemurmelt in meine Decke - wie ein Burrito. Solche Tage, an denen mir jeglicher Reiz zu viel ist, gibt es zwar immer wieder, aber seitdem ich tagsüber wieder viel alleine bin, fühle ich mich wieder etwas freier in meinem Zimmer. Es gibt momentan keine Reize außer gelegentlichen Geräuschen von draußen und meiner Mutter. So wie es jetzt ist, plätschern meine Tage so vor sich hin. Ich wache auf, verbringe den Tag im Bett mit Netflix und Internet und warte bis meine Mutter nach Hause kommt, es Essen gibt und es wieder Zeit ist zu schlafen. So gibt es weniger Anlässe für krasse Dissoziationen und Switches. Ich bin durchgehend depersonalisert, damit meine ich, dass ich überhaupt keinen Bezug zu meinem Körper oder Spiegelbild oder ein Gefühl von 'Ich' habe. Genauso wenig habe ich ein Gefühl für Zeit und Raum. Zwischendurch, wenn die Depersonalisierung kurz nachlässt, kommt sofort extemer Selbshass und -ekel auf. Dass das alles ein Teil von starker Depression ist, versteht sich glaube ich von selbst. Meine Mutter hat eine gute Metapher dafür gefunden: Ich bin wie ein Astronaut im Weltraum - schwerelos, isoliert und ganz weit weg von Allem.
Ich weiß zwar nicht, wie es jetzt weiter geht, aber nachdem wir das persönliche Budget für die Assistenz im Juni 2017 beantragt hatten, findet nun Ende Juni 2018 eine Hilfeplankonferenz statt. Da sitzen alle Kostenträger (Landkreis/Gesundheitsamt, Pflegekasse, etc.) mit den Leistungsträgern (ambulante Betreuung, meine gesetzliche Betreuerin und meine Mutter/Pflegeperson) an einem Tisch und beratschlagen gemeinsam, welche Unterstützung für mich sinnvoll und machbar ist. Zusätzlich ist zu dem Gespräch auch eine bekannte Psychotherapeutin, die sich auf Dissoziative Störung spezialisiert hat, eingeladen. Eigentlich sollte ich auch dabei sein, aber das ist für mich völlig unmöglich, mit so vielen fremden Menschen in einem Raum zu sein, wo vielleicht sogar gestritten wird und alle ihre Meinung laut kundtun.
Gegen das Versorgungsamt musste meine gesetzl. Betreuerin nun Klage einreichen. Mir wurde ein höherer Grad der Behinderung anerkannt von 60 GdB auf 80 GdB und die Merkzeichen G und B. Aber das aG für außergewöhnliche Gehbehinderung um einen Parkausweis zu bekommen und das H wurden mir nicht zuerkannt. Da ich ja nun so gar nicht aufstehen kann und den Rollstuhl zum Ein- und Austeigen direkt am Auto stehen haben muss und mich dann meine Mutter über ein Rutschbrett rüber hieven muss, müssen wir darauf leider bestehen.
Es gibt aber auch was Erfreuliches zu berichten! Meine Mutter ist umgezogen und wohnt seit ein paar Tagen in meinem Wohnblock. Sie muss nicht mehr bei mir auf einem Klappbett schlafen und kann abends in ihre Wohnung gehen. Wenn ich in Not bin, kann sie aber in wenigen Minuten bei mir sein.
Das Beste an ihrer neuen Wohnung ist eine riesige Dachterrasse, von der man einen tollen Blick bis hin zur Elbe hat. Manchmal kann man die großen Container- und Kreuzfahrtschiffe beobachten. Die Terrasse ist von unten nicht einsehbar und nur wenige Geräusche dringen nach oben, so kann ich mich da relativ sicher fühlen und auch mal ein bisschen frische Luft und Sonne genießen.
Diese Woche war ich mit meiner Mutter in unserem Sanitätshaus, um uns beraten zu lassen, wie wir meinen Rollstuhl anpassen könnten. Weil sich mein körperlicher Zustand doch ziemlich verändert hat, sollte er für mich bequemer sein und einen stabileren Sitz gewährleisten. Der Berater war sehr respektvoll und hat meine Grenzen gewahrt und hat uns sehr kompetent beraten. Anstatt meinen Aktivrollstuhl, den ich seit fast zwei Jahren fahre umzurüsten, werden wir einen ganz neuen Aktivrollstuhl mit individueller Ausstattung beantragen. In meinem alten Rollstuhl kann ich einfach nicht mehr gut sitzen, ich habe zu wenig Halt.
Außerdem wurde mir geraten, für meine Spitzfüße Orthesen zu tragen. Ich weiß, dass das für mich wichtig und hilfreich wäre, denn die Verformungen werden mit der Zeit immer gravierender, wenn man nichts dagegen unternimmt. Auch meine Physiotherapeutin hat mir dazu geraten. Das Problem ist, dass es natürlich sehr schmerzhaft ist, den Fuß im Gelenk zu beugen. Hinzu kommt, dass ich schnell Panik bekomme, wenn mich irgendetwas einengt. Ich werde mich da vorsichtig herantasten und zunächst mal mit einfachen Plastikorthesen ausprobieren, ob es sich lohnt, teure maßangefertigte Orthesen zu beantragen.
Zum Schluss noch das schönste Erlebnis der Woche! Gestern war mein erster Termin mit einer tiergestützten Therapie. Die Therapeutin kam mit ihren zwei Ko-Therapeutinnen (eine ältere, ruhige Collie-Dame und eine verspielte, junge Cockerspaniel-Hündin) zu mir nach Hause. Es war sehr schön für uns, mal wieder mit Hunden zusammen zu sein. Beide hatten so schönes weiches Fell und waren sanft und zutraulich. Es fühlte sich gut an, die Beiden zu streicheln und High-Five's zu geben. Hunde sind einfach toll! Wir haben jetzt wöchentlich einen Termin miteinander, vielleicht gehen wir sogar mal zusammen raus spazieren, wenn ich mehr Vertrauen gewonnen habe.
Da hat sich unser Alltag ganz schön umgekrempelt, aber im positiven Sinne. Seit Beginn dieses Jahres begleitet mich eine liebe, achtsame und geduldige Frau - meine 'Persönliche Assistentin' - durch den Tag. Aber was ist das eigentlich? Menschen mit einer Behinderung werden ja hauptsächlich entweder zu Hause von der Familie gepflegt oder sie leben in einem Heim. Die Heimunterbringung macht den Menschen sehr unselbstständig. Man muss sich an Zeitpläne und Abläufe im Heim halten. Zu Hause gepflegt zu werden ist auch nicht immer ganz einfach. Die pflegenden Angehörigen werden meist bis an die Grenzen ihrer Kraft belastet. Pflegedienste können zwar Abhilfe schaffen, aber die haben auch ein sehr enges Zeitfenster in dem alles erledigt werden muss. Für mich persönlich ist ein Heim ganz und gar ungeeignet, weil ich mit meinen Ängsten und Zwängen dort einem enormen Stress ausgesetzt wäre - mit der DIS wollte mich sowieso kein Pflegeheim aufnehmen. Hier zu Hause hat mich bis jetzt meine Mutter gepflegt, aber das neben einer Vollzeitberufstätigkeit hinzukriegen, wurde weder ihr noch mir gerecht. Außerdem tut so viel Nähe uns beiden auch überhaupt nicht gut. Meine Erfahrungen mit Pflegediensten habe ich schon in einem früheren Artikel beschrieben, das kommt somit auch nicht in Frage.
Persönliche Assistenz bedeutet, dass den ganzen Tag eine Person für mich da ist. Nicht nur für die reinen Pflegetätigkeiten, sondern um mir in jeder Lebenssituation zu assistieren und mir zur Seite zu stehen. Manche Behinderte haben eine persönliche Assistenz nur für einige Stunden am Tag, manche rund um die Uhr. Das schafft natürlich nicht eine Assistentin alleine, sondern dann wird ein Team aus mehreren Leuten zusammengestellt. Der behinderte Mensch entscheidet selber, in welchen Lebenslagen er welche Hilfe braucht. Somit wird ein gehandicaptes Leben viel selbstbestimmter.
Bezahlt wird das Ganze über das trägerübergreifende Persönliche Budget. Entweder kann man selber Arbeitgeber werden und sich komplett selbstständig geeignete Assistenten suchen und einstellen oder man nutzt eine Organisation dafür. Die Organisationen übernehmen dann die Personalsuche und Abrechnung. Solche Orgas gibt es aber hauptsächlich nur in Großstädten.
Ich habe mir selber eine Assistentin gesucht und bin nun eine waschechte Arbeitgeberin! Das persönliche Budget, welches wir im Juli 2017 beantragten wurde zwar letzte Woche bewilligt, aber noch nicht in voller Höhe. Sobald es durch eine Eilklage geklärt ist, kann ich anfangen mir eine zweite Assistentin zu suchen.
Auf meiner Facebookseite hatte ich bereits berichtet, dass sich meine Klinikpläne leider wieder in Luft aufgelöst hatten. Seit letztem Jahr hatte ich mich darauf verlassen, im Februar dieses Jahres wieder in die Fachklinik in Bayern aufgenommen werden zu können, in der ich schon letztes Jahr einen dreiwöchigen Probeaufenthalt hatte. Leider sagte die Ärztin mir aus persönlichen Gründen eine Woche vor dem geplanten Aufnahmetermin ab. Was sollte ich nun tun? Wie geht es weiter, ohne ambulante und stationäre Unterstützung? - Das habe ich mich gefragt. Fest stand, ich wollte etwas unternehmen und ich brauche Hilfe. In meiner Not entschied ich mich es noch ein zweites Mal zu wagen in die lokale Akutpsychiatrie zu gehen, weil die mich schließlich nicht ablehnen können. Schlechte Idee!!! Nach 32 Stunden bin ich wieder mit einem neuen Trauma nach Hause gegangen. Die neugebaute Station war alles andere als rollstuhlgerecht und hygienisch eine Katastrophe. Die Ärzte hatten, laut eigener Aussagen, keine praktischen Erfahrungen in dem Umgang mit Dissoziativen Störungen und das Klinikpersonal war respektlos. Meine schmerzhaften Notlagen wurden so dargestellt, als würde ich damit Aufmerksamkeit einfordern.
Die negativen Erfahrungen bewegen mich noch sehr. Die Erinnerungen lassen mich nicht los. Ich habe jede Nacht Albträume, die die Gefühle, die ich dort hatte, widerspiegeln. Ich möchte damit keine Angst vor Akutpsychiatrien verbreiten. In vielen Situationen ist es gut und wichtig, so einen Ort zu haben. Für mich persönlich hat es nicht funktioniert.
Das Positive an der Erfahrung war, dass meine Assistentin mich auch in der Klinik begleitet hat. Sie hat mir dort Halt gegeben und sie hat mich bestätigt in meiner Wahrnehmung der Umstände. Dadurch sind wir uns wesentlich näher gekommen und das Vertrauen ist gewachsen. Ich bin wirklich froh, dass wir uns gefunden haben.
Meine behandelnde Ärztin aus der Klinik in Bayern hat versprochen, dass sie mit einer anderen Reha-Klinik Kontakt aufnimmt. Wenn die mich dort behandeln, wäre das auch eine längere Therapiezeit über Monate. Aber das steht noch in den Sternen, ob ich dort überhaupt aufgenommen werde.
Eine für mich bewährte Bewältigungsstrategie ist... der Humor! Das nimmt allem, was vor sich geht und nicht so ganz klappen mag, zumindest für einen Moment den Schrecken.
Ich versuche aktiv meinen Humor zu behalten, manchmal ist der ziemlich schwarz und sarkastisch aber manchmal kann ich auch richtig albern sein und lachen. Zum Beispiel über mich selbst, über alltägliche lustige Situationen oder ich ziehe manche Aussagen ins Lächerliche. Funktioniert nicht immer, aber für mich ist es eine Art, das Leben etwas leichter zu machen.
Ein schwieriges Thema. Da redet man doch nicht drüber... Ich weiß nicht, wie es bei anderen Betroffenen ist und es ist ganz sicherlich nicht mein Anliegen, alle über einem Kamm zu scheren, aber Körperhygiene ist bei mir, als psychisch Kranke mit einer komplexen Traumafolgestörung, sehr wohl ein großes und durchaus problematisches Thema. Das möchte ich nun mal versuchen zu erklären! Vorerst möchte ich aber alle Betroffenen vor möglichen Triggern warnen.
So, los geht's. Täglich duschen, baden, Zähne putzen, Haare waschen ist sicherlich für die meisten Menschen etwas ganz Alltägliches, worüber nicht viel nachgedacht wird. Und wenn man auf der Straße jemanden mit fettigen Haaren sieht, denkt man sich vielleicht sogar: "Ihh die hat ungewaschene Haare, wie peinlich!". Nicht nach Blümchen duftende Menschen, deren Haare nicht leicht im Wind wehen, werden da schnell verurteilt. Für mich persönlich sind die aufgeführten Tätigkeiten eine Mammutaufgabe, die viel Kraft, Energie und oft auch Tränen kostet. Manches davon ist mir sogar schier unmöglich!
Ja, ich habe seit Sommer letzten Jahres nicht mehr geduscht. Ja, meine Haare werden in 'guten' Zeiten nur einmal in der Woche gewaschen, in schlechten wie z. B. diesen Januar haben wir es ganze zwei Mal geschafft. Ja, ich schaffe es nicht täglich, mir die Zähne zu putzen oder mein Gesicht zu waschen. Klar ist mir das unangenehm, natürlich fühle ich mich selber ekelig. Und klar sieht man es mir an. Was würde ich nicht darum geben, duschen zu können oder in die Badewanne zu hüpfen. Ich sehne ich mich danach, mich sauber und gepflegt zu fühlen. Aber leider ist das nicht so einfach.
Aber warum ist das so schwer?!
Was will ich eigentlich damit bewirken, so etwas Intimes öffentlich zu teilen? - das frage ich mich gerade selber, während ich schreibe! Vielleicht möchte ich mich für andere Betroffene zeigen, das ist ein persönliches Thema und ich glaube, dass viele im Schweigen kämpfen. Ihr seid nicht alleine! Vielleicht möchte ich Verständnis. Vielleicht möchte ich auch einfach für alle einstehen, die es heute nicht geschafft haben, gestriegelt aus dem Haus zu gehen, sondern den ganzen Tag, wie ich, im Schlafanzug, mit ungewaschenen Haaren im Bett verbringen. Und für die Menschen, die sich, wie ich, schon vor der nächsten Dusche oder Morgenwäsche fürchten. Oder vielleicht möchte ich einfach sagen, ja das gibt es, aber das bedeutet nicht unbedingt, dass diese Person sich gehen lässt, sondern es ist jemand, der täglich einen inneren Kampf mit sich selber austrägt. Mal gewinnt man gegen die Krankheit und manchmal muss man sich beugen und sich eingestehen, dass man sich etwas Gutes tut, indem man sich versucht zu entspannen und all dem nicht auszusetzen.
Wie kann man sich die Körperpflege etwas leichter machen? Wenn etwas so furchtbar schwer ist, gibt es vielleicht eine kreative Lösung. Bei mir funktioniert das Zähneputzen zum Beispiel leichter, wenn ich im Bett sitze, von weichen Kissen abgestützt bin und vor mir auf dem Tablett die elektrische Zahnbürste, Zahnputzbecher und eine Schüssel habe. Zum Waschen gibt es Waschlappen. Damit das Haarewaschen am Waschbecken ein bisschen leichter wird, habe ich jetzt eine Armatur mit einem ausziehbaren Schlauch. Für die schmerzempfindliche Haut gibt es sanfte Schaumseife. Meine Haare werden immer zu einem Zopf gebunden, dann fällt es nicht so auf, dass sie strähnig sind und sie stören mich nicht im Gesicht. Die Idee mir eine Glatze zu scheren, habe ich dann doch lieber wieder verworfen.
Wenn ich mich erst überwunden hab und es dann geschafft habe, fühlt es sich saumäßig gut an, auch wenn ich danach total erschöpft und voller Schmerzen bin und mir vor dem nächsten Mal graut.
Seitdem ich den Beitrag im Februar 2018 geschrieben habe, haben sich ein paar Dinge geändert. Und da ich an meiner Webseitenstatistik sehe, dass das Thema doch recht oft gelesen wird, dachte ich, dass ich mich mal wieder dazu äußere.
Die Körperhygiene ist weiterhin ein schwieriges Unterfangen. Die positive Nachricht ist, dass ich inzwischen einmal duschen konnte. Allerdings war das eher unfreiwillig. Versteht mich nicht falsch: es war total schön, das Wasser auf der Haut und dem Kopf zu spüren. Nur der Weg, wie es dazu kam, war ein Unfall. Seit ich nicht mehr in der Lage bin, mich selbstständig zu waschen, hat mir meine Mutter über dem Waschbecken meine Haare gewaschen. Dazu saß bzw. lag ich im Rollstuhl mit dem Rücken zum Waschbecken und die Beine auf einen Hocker gelegt. Im Januar dieses Jahres kam es dann zu der Situation, dass ich dabei mit einem lauten Rumms aus dem Rollstuhl gefallen bin. Meine Haare waren schon nass und voller Shampoo. Also robbte ich mit Hilfe meiner Mutter über den Boden des Badezimmers in die Dusche. Glücklicherweise habe ich eine bodengleiche Dusche. Dort wusch mir meine Mutter dann die Haare fertig, während sie gleichzeitig aufpassen musste, dass ich nicht umfalle. Ich saß also in mich eingesunken mit klatschnassen Schlafanzug auf dem harten Duschboden, weil ich mich ja nicht vor niemanden ausziehen kann. Danach war ich schön frisch und sauber, aber das war wirklich kein schönes Erlebnis. Das Ganze war ziemlich dramatisch und wir haben beide geheult. An dem Abend haben wir auch zum Glück festgestellt, dass der Patientenlifter bis auf den Boden reicht, sodass ich damit wieder ins Bett kam. Aber nochmal möchte ich sowas nicht haben.
Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon lange starke chronische Schmerzen und chronische Erschöpfung, so dass wir nur noch einmal im Monat die Haare gewaschen haben. Im Artikel vor über einem Jahr schrieb ich eher als Scherz gemeint: „Die Idee mir eine Glatze zu scheren, habe ich dann doch lieber wieder verworfen.“. So fern war der Gedanke aber gar nicht. Ich fühlte mich so widerwärtig. Meine Kopfhaut war so angespannt, weil ich immer einen Zopf trug, Kopfschmerzen, alles hat gejuckt und wenn ich dann mal das Haar offen getragen hab, dann überreizte mich das Gefühl von Haaren, die mein Gesicht und Schultern berührten, so sehr, dass ich das auch nicht aushielt. Über einige Wochen reifte immer mehr der Entschluss: die Haare mussten ab – und das radikal!
Also bat ich meine Mutter eine Schermaschine zu besorgen und mir die Haare bis auf 6 mm abzurasieren. Bis heute habe ich den Schritt keine Sekunde bereut. Alle ein bis zwei Wochen schaffen wir es nun die Haare zu waschen. Ich liege dabei im Bett, auf dem Bauch, und meine Mutter wäscht sie mir über die Kante des Bettes. Das geht super schnell und ist auch nicht mehr so schmerzhaft, wie damals über dem Waschbecken. Das Nachrasieren machen wir auch regelmäßig. Wie ich damit aussehe, ist mir völlig egal. Ich habe dadurch Erleichterung und wir ersparen uns eine Menge Stress, nur das zählt.
Duschen kann ich zwar leider immer noch nicht, aber zumindest fühlt sich mein Kopf leichter und befreit an. Mit Waschlappen wasche ich den Körper. An guten Tagen, also wenn ich nicht ganz so starke Schmerzen und Fatigue habe und wenn ich es nicht ganz so schwer ist, meinen Körper anzufassen, schaffe ich mehr, an anderen weniger. Das ist natürlich nicht optimal, aber ich arbeite mit dem, was geht.
Natürlich ist es nicht schön, wenn man nicht duschen oder baden kann – warum auch immer. Das Gefühl von warmem Wasser auf Haut und Kopf ist einfach unvergleichlich. Nach meinen Erfahrungen heißt das nicht duschen können nicht automatisch, dass man ständig schmutzig ist und übel riecht. Mein größtes Problem ist, dass ich mich vor niemanden ausziehen kann. Wir haben schon viele Möglichkeiten mit Pflegediensten und weiteren Hilfsmitteln durchgesprochen und haben aber noch keine Variante gefunden. Also nehme ich fürs Erste weiterhin den Waschlappen.
Bildnachweis: R_K_B_by_Rainer Sturm_pixelio.de
Herausfordernd - so würde ich die ersten Wochen des neuen Jahres beschreiben. Einige Veränderungen gab es wieder, einige positiv aber auch negative.
Seit Herbst 2016 waren wir auf der Suche nach einer Physiotherapeutin. Endlich haben wir nun eine gefunden. Durch die Lähmung haben mittlerweile die Muskeln stark abgebaut und die Sehnen sind verkürzt. Ich habe einen sogenannten „Spitzfuß“. Ohne dass meine Füße und Beine angefasst werden, sind sie schon äußerst schmerzempfindlich. In den letzten Wochen saß ich nur sehr selten im Rollstuhl, weil ich wegen einer schweren Depression kaum mein Bett verlassen konnte. Deshalb habe ich große Schmerzen, wenn die Füße aufrecht gestellt werden. Ich bin froh, dass mir nun die Physiotherapeutin helfen kann, meine Beine und Füße durchzubewegen, wenn ich es zulassen kann. Denn im Rollstuhl sitzen zu können, wird in den nächsten Wochen sehr wichtig sein, da kann ich nicht den ganzen Tag im Bett liegen. Weiter unten mehr dazu.
Eines der Themen, über die ich ebenfalls sprechen möchte, ist der Verlust meiner Psychotherapeutin... nein sie ist nicht gestorben. Aber es fühlt sich so an bzw. es ist ja auch auf einer Weise wirklich so. Von vor fast zwei Wochen war das letzte Treffen mit meiner nun ehemaligen Psychologin. Sie wollte gerne noch ein letztes Abschiedsgespräch, das ich aber nicht aushalten konnte. Zu groß war die Angst, dass mich das Gespräch und die letzte unwiderrufliche Verabschiedung noch mehr belasten würde. Die reine Vorstellung war schon unerträglich. Nächste Woche bekomme ich noch ein Abschiedsgeschenk von ihr. Ich versuche, auch noch etwas Passendes für sie auszusuchen und zusammenzustellen. Ich verstehe die Beweggründe hinter der Beendigung der Therapie ihrerseits. Trotzdem bin ich enttäuscht. Und ich habe riesige Angst vor der Zukunft. Im Abschlussbericht steht, dass sie ihre fachliche Grenze erreicht hat, die Möglichkeiten im ambulanten Setting sind ausgeschöpft. Und gleichzeitig schreibt sie: "Es besteht nach wie vor ein dringender Behandlungsbedarf! Es findet derzeit ein rasanter selbstzerstörerischer Prozess statt, der eine starke letale Gefährdung beinhaltet." Aber eine wirklich Behandlungsperspektive gibt es nach wie vor nicht.
Meine Suche nach einer persönlichen Assistentin hat Früchte getragen. Seit drei Wochen haben wir eine sehr ruhige und geduldige Frau gefunden, die meine Mutter und ich momentan einarbeiten. Ich bin so froh, dass wir uns gefunden haben. Ich bin durch die vielen Ängste, Zwänge und generell schnelle triggerbarkeit nicht besonders einfach. Aber sie ist so geduldig mit mir, sodass ich nun dabei bin Vertrauen zu ihr aufzubauen. Ab nächster Woche sind wir soweit, dass meine Mutter wahrscheinlich nicht mehr dabei sein wird.
Das persönliche Budget wurde zwar noch nicht genehmigt, darum kümmert sich meine gesetzliche Betreuerin noch. Denn ich habe schließlich einen ganz klaren Rechtsanspruch darauf, die Krankenkasse darf es gar nicht ablehnen. Es kann sein, dass sie es versuchen, aber sie werden gegen die darauffolgende Klage keine Chance haben. Laut Gesetz, dass es seit Anfang des Jahres gibt, muss über das trägerübergreifende Budget nach Antragsstellung innerhalb von drei Wochen eine Entscheidung getroffen werden. Den Erstantrag hat meine Mutter im Juni 2017 gestellt, leider wird es erst mit dem Einschreiten meiner gesetzlichen Betreuerin bearbeitet. Schade, dass es wohl bei vielen Anträgen immer erst den Druck einer Rechtsanwältin braucht.
Auf meiner Facebookseite habe ich schon berichtet, dass ich am 13.2. einen Aufnahmetermin in der Psychosomatischen Fachklinik in Simbach am Inn habe. Voraussetzung von der Klinik ist jedoch dafür, dass ich extra Assistenz im Alltag habe. Ich brauche 24 Stunden am Tag Assistenz und Pflege, dass kann eine normale psychosomatische Klinik mit dem normalen Personalschlüssel nicht leisten. Es gab zwei Möglichkeiten. Entweder hätte die Klinik während meines Aufenthaltes den Personalschlüssel auf der Station zu jeder Zeit um eine Schwester erhöhen müssen, oder ich nehme von Zuhause meine persönliche Assistentin mit in die Klinik. Für mich ist es viel angenehmer eine Person zu haben, die bereits eingearbeitet ist, als ständig mit jeder Schicht eine andere Pflegerin von der Klinik zu haben. Natürlich kann meine Assistentin nicht jeden Tag tagsüber und nachts arbeiten, so oder so werde ich auch pflege von den Schwestern annehmen müssen. Dass ich meine Assistentin mitnehmen werde fühlt sich viel sicherer an. Nun habe ich noch eine Woche Zeit, um die Kostenzusage von der Krankenkasse für meine Assistentin zu erhalten. Wieder einmal ist die große Ungewissheit ein großer Stein im Weg.
Sich nicht von Ablehnungen niederschmettern zu lassen und dagegen anzugehen bringt doch was!
Im Sommer 2016 stellten wir das erste Mal einen Antrag auf eine Pflegestufe. Der wurde nach einer Begutachtung abgelehnt. Damals war das neue Pflegegesetz noch nicht in Kraft getreten und psychische Erkrankungen wurden nur minimal berücksichtigt.
Im Januar 2017 haben wir mit Inkrafttreten des neuen Pflegegesetzes einen neuen Versuch gestartet; mit einem positiven Ausgang. Denn seitdem habe ich den Pflegegrad 3. Der Pflegegrad war zu der Zeit auch völlig gerechtfertigt und ausreichend. Wer aber meinen Blog schon länger liest, weiß, dass sich mein Zustand über die Monate drastisch verschlechtert hat.
Im Sommer 2017 haben mir mehrere Fachleute unabhängig voneinander geraten, einen höheren Pflegegrad zu beantragen. Daraufhin gab es im Oktober eine erneute Begutachtung durch den MDK. Nur vier Tage danach flatterte schon ein Ablehnungsbescheid in den Briefkasten. Ich war verwirrt und enttäuscht. Von dem Besuch der Gutachterin habe ich ja selbst nicht viel mitbekommen, aber meine Mutter hatte den Eindruck, dass die Frau durchaus gesehen hatte, wie sehr sich mein Zustand verschlechtert hat. Allerdings war es merkwürdig, dass sie sich gar keine Notizen machte.
Zum Glück war zu dieser Zeit schon meine gesetzliche Betreuerin vom Amtsgericht gestellt worden, die, als Rechtsanwältin, gleich einen Widerspruch einlegte. Es wurde ein neuer Termin für eine Begutachtung anberaumt, der am 19.12. stattfinden sollte. Eine dreiviertel Stunde vorher wurde der Termin vom MDK telefonisch abgesagt, weil "mir eine weitere Begutachtung nicht zuzumuten sei". Die Entscheidung sollte nach Aktenlage erfolgen. Wir haben dann nochmal das alte Gutachten vom Februar genommen und sind alle Punkte durchgegangen. Wo sich etwas verändert hat, haben wir das angemerkt. Das wurde dann noch zum MDK geschickt.
Viele "Akten" hatten sie zwar nicht vorliegen, jedoch wurde schlussendlich eine Entscheidung getroffen. Mir wurde nun Pflegegrad 4 zugesprochen.
Hier ist eine Übersicht, welche Voraussetzungen und Kriterien man erfüllen muss und welche Leistungen es bei den verschiedenen Pflegegraden gibt.
Eigentlich geht es bei den Pflegegraden ja hauptsächlich nur um das Geld, damit die nötige Pflege und Betreuung finanziert werden kann. Aber die Ablehnung bedeutete für mich auch, dass ich mich in meiner Not nicht gesehen und ernstgenommen fühlte. Mit der Entscheidung bin ich aber nun vollkommen zufrieden.
Ich lese immer wieder von Fällen, wo vom MDK völlig unverständliche Entscheidungen getroffen werden. Damit muss man sich aber nicht abfinden. Ein Widerspruch kann eben doch viel bewirken, aber er muss gut begründet sein und auf der Begutachtungs-Checkliste basieren. Das ist jedenfalls meine Erfahrung.
Die letzten Wochen waren voll von Veränderungen, neuen Ideen, Absagen, Plänen und Fehlschlägen.
Vor einem Monat berichtete ich, dass wir endlich einen Pflegedienst gefunden haben, der sich täglich am späten Vormittag für 1 1/2 Stunden um mich kümmerte. Es kamen abwechselnd zwei Frauen, die beide sehr bemüht und nett waren. Eine der beiden Pflegekräfte war auch schon eingearbeitet und ich konnte mit ihr alleine sein. Mit den beiden Frauen war ich sehr zufrieden, aber mit der Pflegeleiterin gab es einige Probleme. Es endete dann damit, dass uns gekündigt wurde. Alles in allem hat uns der Pflegedienst eher noch mehr Stress gemacht. Die 1 1/2 Stunden pro Tag waren auch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Wir waren auch mit verschiedenen Pflegeheimen in Kontakt und per Zufall wurde in einem Haus, das eine Abteilung für junge Pflege hat, ein Zimmer frei. Das schien erstmal eine tolle Lösung zu sein. Nach Telefonaten bin ich gemeinsam mit meiner Mutter und meiner gesetzl. Betreuerin zu einem Besichtigungstermin dort hin gefahren. In dem freien Zimmer haben wir mit der Pflegedienstleitung alles mögliche besprochen. Einige aus unserem System haben sich von dem Heim auch ein Bild gemacht, das war vorher so abgesprochen. Obwohl es schon einige Bedenken gab, stimmte ich einem Probeaufenthalt zur Kurzzeitpflege zu. Ein paar Tage später sagte jedoch auch dieses Heim ab. Nach einer Teambesprechung kamen sie zu der Entscheidung, dass sie mir mit meinen besonderen Bedürfnissen nicht gerecht werden können. Wahrscheinlich stimmt das auch, aber es war trotzdem enttäuschend. Aber irgendwie war ich auch erleichtert.
Wieder ganz alleine - was nun? Der letzte Arbeitstag vom Pflegedienst war der 15.12., seitdem hatte meine Mutter zum Glück Weihnachtsurlaub. Aber was passiert, wenn sie wieder arbeiten gehen muss?
Im Juli hatte meine Mutter das trägerübergreifende Persönliche Budget beantragt. Bis jetzt wurde der Antrag leider noch nicht bearbeitet. Aber meine gesetzliche Betreuerin hat da mal ordentlich Dampf gemacht und es kommt langsam Bewegung in die Geschichte. In der Hoffnung, dass der Antrag nun schnell bewilligt wird, suche ich schonmal eine persönliche Assistentin. Diese soll sich dann tagsüber um mich kümmern, damit meine Mutter endlich wieder ordentlich arbeiten kann und etwas Zeit für sich hat. Wir suchen nun über mehrere Medien nach einer Assistentin: meine Webseite, die Agentur für Arbeit und die Webseite Assistenz.org. Hoffentlich klappt das!!!
Vor zwei Monaten berichtete ich, dass die Zusammenarbeit mit meiner Therapeutin nun endgültig zu Ende geht. Als die Möglichkeit aufkam kurzfristig in das Pflegeheim zu gehen, dachte ich schon, dass wir Hals über Kopf unsere letzte Stunde hätten. Da sich dieser Weg aber wieder zerschlug, ist uns noch ein bisschen mehr Zeit geblieben. 5 Termine á 25 Minuten, im Zwei-Wochen-Takt. Das bedeutet, dass ich ab März ohne eine Therapeutin da stehe.
Ich hoffe ja immer noch, dass ich im Februar in die Klinik nach Bayern zurück kann, jedoch hat sich die Ärztin noch nicht wieder gemeldet. Ob sie meinen Pflegeaufwand bewältigen können, ist also noch fraglich. Die Klinik hat ein Entlassmanagement, mit dem sie sich verpflichten, mir geeignete, professionelle Begleitung für die Zeit nach der Klinik zu organisieren.
Diese Ungewissheit ist zum Mäusemelken!
Es ist aber auch etwas positives passiert. Dazu gibt es schon sehr bald einen gesonderten Blogeintrag.
Ich habe heute von jemanden einen Satz über Dankbarkeit gehört, der mich zum Nachdenken gebracht hat. In etwa ging er so: "Es gibt andere Menschen, die keine Mutter haben, die sich so liebevoll um sie kümmert und Leute, die keine schöne Wohnung haben, dafür solltest Du dankbar sein."
Das hat mich etwas sprachlos gemacht. Erstens, weil ich Vergleiche zu anderen hilfebedürftigen und kranken Menschen schädlich finde. Und zweitens halte ich zwar nicht viel von mir, aber ich kann von mir behaupten, dass ich dankbar bin. Ich sage bzw. gebärde sehr oft "Bitte" und "Danke". Meiner Mutter zeige ich oft überschwenglich meine Dankbarkeit. Meiner Psychologin sage ich nach jedem Termin, wie dankbar ich bin. Der Klinik in Bayern auch. Allen Betreuerinnen und Pflegekräften bin ich auch dankbar und schätze ihre Arbeit. Ich habe ein Dach über dem Kopf, immer genug zu Essen und muss keinerlei materielle Not leiden.
Das Problem mit der Dankbarkeit ist, dass ich dankbar bin für Hilfestellungen, die ich zwar brauche, aber eigentlich gar nicht möchte.
Stell Dir vor, Du kannst nur Kaffee trinken, wenn Dir der Becher angereicht wird, weil Du ihn nicht selber halten kannst.
Sell Dir vor, Du müsstest Dir die Haare von jemanden kämmen lassen und Zähne putzen geht nur mit Unterstützung.
Stell Dir vor, Du könntest nur einen Blogartikel schreiben, wenn jemand neben Dir sitzt, um Deine wilden Gedankengänge zu ordnen.
Stell Dir vor, Du hättest am Tag mehrere Zeitlücken und bist darauf angewiesen, dass Dir jemand sagt, was Du getan hast.
Stell Dir vor, Du kannst nur auf die Toilette gehen oder Dein Bett verlassen, wenn jemand in der Wohnung ist und Dich mit einem Patientenlifter bewegt.
Stell Dir vor, Dir muss jemand die Hose hochziehen, nachdem Du auf der Toilette warst.
Stell Dir vor, Du wärst nach einem Krampfanfall für bis zu 12 Stunden in einer Art "Wachkoma Dissoziation". Du musst gefüttert werden, und musst Schmerzen aushalten, weil Du Deinen Kiefer nicht weit genug öffnen kannst um eine Schmerztablette zu schlucken.
Stell Dir vor, dass Du Dir nicht selber das Gesicht oder andere Körperstellen waschen kannst, weil Deine Hände über Tage wegen hoher Anspannung zu Fäusten geballt sind und sich nicht öffnen lassen und Deine Arme zu schwach sind.
Natürlich kann ich mich glücklich schätzen, dass jemand da ist, der all das für mich tut. Und gleichzeitig empfinde ich aber ein markerschütterndes Scham- und Frustrationsgefühl. Es macht mich wütend, dass ich diese Dinge nicht alleine bewältigen kann. Schließlich bin ich eine erwachsene Frau.
Das Problem wird sogar noch größer dadurch, dass ich unter vielen Zwängen und Ängsten leide. Wenn bei der Pflege, Handlungen nicht "richtig" ausgeführt werden, dann möchte ich am liebsten schreien, um mich schlagen und weglaufen. Aber ich bin in meinem Körper gefangen. In diesen Momenten hat die Dankbarkeit keinen Platz in meinem Gefühlswirrwarr. Und das merkt die Pflegeperson natürlich deutlich. Alles wird noch schwieriger, weil ich stumm bin und nicht sagen kann was ich wie brauche. Ich muss darauf vertrauen, dass die Pflegeperson meinen Mix aus Gebärden und wilden Handbewegungen verstehen kann oder ich schnell genug auf meiner Sprachapp tippe.
Ich fühle mich also ohnmächtig, ausgeliefert und frustriert, habe Angst und Schmerzen und bin gleichzeitig dankbar dafür, dass mir jemand hilft. Ich bemühe mich meinen Pflegerinnen zu zeigen, dass ich für ihre Hilfe dankbar bin und sie wertschätze. Nicht immer gelingt mir das. Oft wirke ich abweisend, ungeduldig, fordernd und befehlerisch. Zum Beispiel schnipse ich oft mit den Fingern, weil das die einzige Möglichkeit ist, den anderen schnell zu vermitteln, dass mir etwas total unangenehm ist. Das ist auf keinen Fall böse gemeint, kommt aber verständlicherweise nicht gut an.
Wenn ich dann merke, dass meine Mutter oder Pflegerin durch mein Verhalten verunsichert wird, langsam verzweifelt oder selbst die Geduld verliert, dann bin ich selber auf mich wütend, habe Schuldgefühle und Selbsthass. Eine Abwärtsspirale, die sich nur schwer stoppen lässt und oft mit einer weinenden Mutter, Selbstbestrafungen und Dissoziativen Zuständen endet.
Wie man nun vielleicht verstehen kann, ist es mit der Dankbarkeit gar nicht so einfach.
Bildnachweis: Sophie Lamezan_pixelio.de
*Triggerwarnung*
Wie überlebt die Seele, wenn man weiß, dass es in der Zukunft keine Besserung gibt? Dass dies ein chronischer Zustand ist und dass es keine professionellen Ärzte und Therapeuten gibt, die einen behandeln möchten? Zu kompliziert, zu komplex, zu krank!?
Es gibt einige Themen, bei denen ich mich eher sträube darüber zu schreiben. Und doch denke ich, dass es auch wichtig ist nicht still zu schweigen. Suizidalität! Ich finde es unglaublich schwierig von anderen zu lesen, wie lebensmüde sie sind, deshalb mag ich darüber auch nicht gern reden. Es lässt sich nicht beschönigen: Ich möchte nicht mehr leben. Der Tod ist mir gleichgültig. Aber eigentlich möchte ich doch nur, dass das Leid aufhört.
Vor einigen Jahren habe ich ganz klipp und klar entschieden, dass ich mir nicht frühzeitig das Leben nehmen werde, solange meine Mutter an meiner Seite ist, denn das würde ich ihr nicht antun. Für meine Mutter ist es natürlich schwer, das zu hören. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich nicht aktiv plane alles zu beenden. Es besteht also keine Gefahr. Ich bin eigentlich seitdem ich denken kann passiv suizidal. Gedanken, das Leben zu beenden, begleiten mich jeden Tag, jede Minute. Es hört nie auf.
Meine ganze Situation spitzt sich immer weiter zu. Die Dissoziative Identitätsstörung ist an und für sich momentan gar nicht so das Problem. Klar ist es schwierig, sich mit mehreren Personen einen Körper zu teilen, die teilweise nicht wohlgesonnen dem Körper und mir gegenüberstehen. Die momentanen viel größeren Probleme sind die vielen Zwänge, Ängste, dissoziative Zustände und eine immer wachsende hohe Pflegebedürftigkeit. Ich bin wie ein rohes Ei, das bei jeder kleinsten Berührung in tausend Stücke zerfällt. Vor allem durch die Zwänge bin ich schnell reizbar und das trifft alles meine Mutter, die ihr Bestes tut. Ich bin eine große Belastung für alle und zu meiner Mutter bin ich furchtbar. Sie zuckt sogar schon zusammen und hat Angst mir die Socken anzuziehen oder mir die Haare zu kämmen, weil ich und ein anderer Innie schnell autoaggressiv bestrafen, wenn etwas nicht richtig läuft. Dafür verachte ich mich umso mehr.
Seit zwei Wochen kommt morgens immer ein Pflegedienst. Zwei Pflegefachkräfte wechseln sich ab. Es fällt mir sehr schwer mich auf die zwei neuen Frauen einzulassen. Die Frauen sind nett und bemühen sich, aber es dauert einfach sehr lange bis ich Vertrauen aufbauen kann. Und durch meine Stummheit, die nun schon wieder acht Wochen ununterbrochen andauert, ist die Kommunikation um einiges schwieriger.
Meine Mutter muss entlastet werden. Sie kann und soll mich nicht mehr pflegen. Jegliche Grenzen sind überschritten. "Wie schaffst du das bloß?" hört meine Mutter oft. Bei der Frage kräuselt es uns die Fußnägel hoch. Wir haben einfach keine andere Wahl. Man überlebt auch ohne Kraftreserven.
Was ist nun das kleinste Übel?
Eine Einweisung in die Akut Psychiatrie besprechen wir täglich. Jedoch müssen wir aber auch aufpassen, denn bei meinem letzten Aufenthalt in der Akut Psychiatrie wurde ich traumatisiert. Deshalb müsste ein weiterer Aufenthalt gut vorbereitet sein.
Gleichzeitig haben wir wieder Kontakt zu einem psychiatrischen Pflegeheim aufgenommen, das mich nehmen würde, ich aber aus verschiedenen Gründen zuerst abgelehnt hatte. Sofort haben die aber auch keinen Platz frei. Das Pflegeheim erscheint mir gerade als das kleinere Übel, denn dort ist der Personalschlüssel höher als in der Psychiatrie, ich hätte ein Einzelzimmer und bin dem hektischen Klinikalttag nicht ausgesetzt.
Die Frage, wie viel eine Seele aushalten kann, beschäftigt mich sehr. Ich fühle mich schon lange innerlich tot. Leben ist das jedenfalls nicht.
Ich möchte Euch diese E-Mail, die ich heute von einer Klinik erhalten habe, nicht vorenthalten. Seid gewarnt: Ich schwanke zwischen Belustigung, Wut und Fassungslosigkeit.
„…wir haben Ihren Behandlungswunsch bei uns nun eingehend geprüft (therapeutisch, medizinisch, pflegerisch); es hat aufgrund der Komplexität Ihres Falls eine Weile gedauert.-Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass wir Ihnen nach wirklich sorgfältiger Überlegungen zumindest derzeit kein Behandlungsangebot machen können.„
„Dies ist zum Einen begründet in dem pflegerisch nicht leistbaren Aufwand, zum Anderen aber auch Ihrer ansonsten derzeit nicht ausreichend gegebenen Rehafähigkeit bzw. ist uns keine ausreichende Einschätzung möglich, u.a. da man mit nicht persönlich mit Ihnen sprechen kann.“
„Ich bzw. wir hätten Ihnen gerne ein Angebot gemacht; ich hätte es Ihnen gewünscht, dass es Ihnen wieder besser geht. Ich denke jedoch, so wie Ihre äußeren Bedingungen derzeit sind, ist eine Besserung kaum möglich. Insbesondere würde ich Ihnen dringend raten, dass Sie und Ihre Mutter eine Kontaktreduktion bzw. zumindest vorübergehende Trennung anstreben, dass Ihre Mutter insbesondere nicht mehr in Ihre Pflege eingebunden ist und Ihnen auch nicht beim Schreiben Ihrer privaten Dinge hilft etc. Ich könnte mir gut vorstellen, dass sich dies positiv auf Ihren Gesundheitszustand auswirken würde.“
„Es tut mir Leid, Ihnen nichts anderes mitteilen zu können. Ich hoffe, Sie finden trotzdem einen Weg, eine für Sie gute Änderung zu bekommen.“
Es bahnte sich schon seit langem an. Ich wusste, dass das Therapieende auf mich zukommt, bei jedem Termin sprach meine Therapeutin das Thema an. Nun ist es klar, meine Therapeutin, mit der ich seit 2012 zusammenarbeite, beendet unser therapeutisches Verhältnis.
Es fing alles im Sommer 2012 an. Die Depression und Lebensmüdigkeit hatten mich fest im Griff. Als ich in einer akuten Krisensituation war, überließ mir meine Mutter ihren Therapieplatz bei ihrer Psychotherapeutin, mit der hatte ich zwei Gespräche, bis sie mich an meine Psychotherapeutin Frau S. weitervermittelte, die eher mit jungen Patienten arbeitete. Sie führte ein Gespräch mit mir, danach ging ich in die Akutpsychiatrie, weil ich sehr gefährdet war. Während des dreiwöchigen Klinikaufenthaltes hielt sie stets den Kontakt zu mir. In der Akutpsychiatrie ging es mir noch schlechter als vorher. Von Frau S. wurde ich aufgefangen und sie veranlasste, dass ich in kürzester Zeit in eine andere Psychiatrie aufgenommen wurde, in der ich vier Monate Hilfe bekam.
Als ich mit den Diagnosen Depression und Borderline Persönlichkeitsstörung entlassen wurde, begann die ambulante Psychotherapie bei Frau S. Ich brauchte eine Eingewöhnungszeit, bis sie mein volles Vertrauen gewinnen konnte. Wir arbeiteten wöchentlich an Skills und Möglichkeiten, wie ich mir in schwierigen Situationen helfen kann. In Krisensituationen durfte ich sie auch nachts und an Wochenenden immer anschreiben und sie enttäuschte mich nie. Sie wurde zu einer der wichtigsten Vertrauenspersonen. Sie lernte, wie sie mit mir umgehen kann und ich durfte einfach "sein".
Das einzige Thema, das nie angesprochen werden durfte, war meine Vergangenheit. Wir kümmerten uns immer nur um das Hier und Jetzt. Irgendwann wurde aber immer deutlicher, dass wir um das brennende Thema nicht herumkommen. Aber sobald Fragen aufkamen, zog der Mechanismus Dissoziation an. In dem nicht funktionierenden Therapiezustand verharrten wir eine ganze Weile. Ich verstand nicht, warum wir so völlig stillstanden.
Frau S. fragte mich bei jedem Treffen, was ich am Wochenende getan habe, da gab es immer nur große Fragezeichen. Ich konnte mich einfach nicht daran erinnern. Bei jeder Frage zu meiner Vergangenheit geriet ich in dissoziative Zustände. Ein paar wenige schlimme Erinnerungen konnte und kann ich nicht aussprechen. Aber es wurde auch immer klarer, dass ich nicht alles aus meiner Kindheit weiß. Frau S. forschte und fragte ihre Kollegen. Sie fing eine Fortbildung bei Michaela Huber an, eine der führenden Psychotherapeutinnen in dem Thema Dissoziation und Trauma.
Bis ich eines Abends in einer Krise einen Notfalltermin bei Frau S. hatte. An dem Abend offenbarte sich zum ersten Mal ein Anteil. Frau S. war sich zuerst nicht sicher, was das genau war. Ich war sehr überrascht, denn mir fehlten jegliche Erinnerungen an den Vorfall. Ab dem Punkt schöpfte Frau S. Verdacht, dass da noch mehr unter der Oberfläche brodelt. Über Monate gingen wir verschiedene Fragebögen durch. Mit dem Reden und Fragen bekamen immer mehr Anteile Mut und fingen an, mit Frau S. zu reden. Plötzlich war da ein offenes Loch ohne Boden, das nicht mehr verschlossen werden konnte. Es konnte nicht mehr verheimlicht werden. Es kristallisierte sich heraus, dass ich abgespaltene Anteile habe. Die immer lauter wurden, nachdem wir ihnen die Tür geöffnet hatten. Mir fiel bzw. fällt es immer noch sehr schwer, das anzunehmen und zu verstehen. Frau S. hat mich durch diese unbeschreiblich verwirrende und komplizierte Zeit begleitet und mir einfühlsam erklärt, dass ich eine Dissoziative Identitätsstörung habe. Die eigenartigen Gedanken, die mich seit Anbeginn begleiteten, die unterschiedliche Dinge wollten und meinen Alltag und mich kommentierten, waren keine Gedanken, sondern Stimmen von Anteilen.
Ich war Frau S.‘ erste Patientin mit einer DIS. Gemeinsam mit Fortbildungen, Supervisionen, mir und allen, die sich den Körper mit mir teilen, lernte und arbeitete sie sich in dieses komplexe Thema rein. Aber sie machte von Anfang der Diagnosestellung an deutlich, dass sie es mit mir versucht. Aber sich auch vorbehält, mich an eine erfahrenere Therapeutin weiterzuleiten, sollte sie sich dem nicht gewachsen fühlen. Wir hatten einfach ein extrem gutes therapeutisches Verhältnis.
Letzten Sommer entschied ich mich, trotz meiner schlechten Erfahrungen noch einmal in eine Klinik zu gehen und ins betreute Wohnen zu ziehen. Frau S. hat unermüdlich mit Ärzten telefoniert und versucht, mich in einer geeigneten Klinik unterzubringen. Lange Zeit war das ohne Erfolg. Nicht nur ich, sondern auch Frau S. bekamen ständig "Nein" zu hören. Bis sie mit einer Oberärztin aus der Psychosomatischen Fachklinik in Simbach am Inn Kontakt aufnahm. Sie besprach meinen komplexen Fall mit ihr und schaffte es, mir einen dreiwöchigen Probeaufenthalt im März/April 2017 bei einer sehr erfahrenen Ärztin zu organisieren. Bei diesem Aufenthalt wurde die von Frau S. gestellte DIS Diagnose bestätigt.
Nach dem Klinikaufenthalt kam ich aber wieder ins gleiche Umfeld zurück. Mir ging es stetig schlechter. Bis ich es nicht mehr schaffte, aus Angst und wegen der psychischen Lähmung, zu Frau S. in die Praxis zu gelangen. Nach einer Zeit des Überlegens stimmte Frau S. Hausbesuchen zu. Richtige Therapie konnten wir schon lange nicht mehr machen, wir führten nur 25-Minütige unterstützende Gespräche. Wir befanden bzw. sind in einer Sackgasse. Frau S. sagte selber, dass sie ratlos ist, wie sie mich unterstützen kann und dass ich jetzt dringend eine erfahrenere Therapeutin brauche.
Spätestens im Februar 2018 darf ich wieder in die Klinik in Simbach. Ein Klinikaufenthalt in einer anderen Klinik in Dresden ist im Gespräch. Fest steht aber, dass unsere Zusammenarbeit mit dem Beginn eines Klinikaufenthaltes endgültig zu Ende ist. Wenn es irgendwie möglich ist, soll ich nach einer Therapie in einer Klinik nicht zurück nach Hause gehen, sondern in eine Einrichtung ziehen. Die Idee erscheint mir aber sehr aussichtlos, wie man in vorherigen Blogbeiträgen schon lesen konnte. Schließlich suche ich schon seit über einem Jahr erfolglos.
Ich habe keine Ahnung, wo ich nach der Klinik wohnen werde, somit weiß ich auch noch nicht, in welcher Stadt oder Bundesland ich nach einer neuen Therapeutin suchen soll. Das Gute ist, dass die Klinik in Simbach am Inn ein Entlassungsmanagement hat und sie sich damit verpflichten, mir einen Wohn- und Therapieplatz zu besorgen. Ob das wirklich klappt, wage ich noch zu bezweifeln, denn einen Therapieplatz zu finden ist schwierig und beinhaltet meistens lange Wartezeiten.
Ich musste das Ganze einfach einmal runterschreiben. Mir geht es sehr schlecht mit der Situation. Ich verliere eine wichtige Vertrauensperson, die ich in Notsituationen immer anschreiben durfte. Frau S. ist mir sehr ans Herz gewachsen. Ich denke, zum Schluss wurde die Beziehung doch etwas zu eng, denn Frau S. ist sehr involviert. Es gibt keine Worte dafür, wie dankbar ich ihr bin. Sie war fünf Jahre an meiner Seite. Der Verlust macht mich wirklich traurig, ich glaube, ich werde einige Zeit brauchen, um das zu verarbeiten. Vielleicht ist es aber auch eine Chance, noch umfangreichere Unterstützung zu bekommen. Aber das tut weh!
Gestern war mal wieder viel los. Eine Pflegekraft vom MDK hatte sich zur Pflegebegutachtung angemeldet, denn meine Mutter hatte vor einigen Wochen eine Erhöhung des Pflegegrades beantragt. Schon in den Tagen zuvor war ich sehr angespannt. Als die Frau dann zur Begutachtung eintraf, besprach meine Mutter mit ihr zuerst, wie sie mit mir umgehen sollte, bevor sie in mein Zimmer kam. Aber zu dem Zeitpunkt war ich schon ziemlich dissoziiert. Meine Gedanken waren langsam, ich konnte nur noch bruchstückhaft verstehen was ich gefragt wurde und ich konnte mich nicht mehr gut bewegen oder geschweige denn auf irgendwelche Fragen eingehen.
Die Gutachterin wollte von meiner Mutter wissen, wie mein Krankheitsverlauf war, was ich alleine kann und bei welchen Tätigkeiten ich Hilfe brauche und sie schaute sich meine Wohnung an.
Es verging nicht viel Zeit bis wir switchten. Die Begutachterin, die als Pflegekraft schon mal mit DIS-Patienten gearbeitet hat, machte dann Bekanntschaft mit zwei kleinen Innies. Der erste Innie hat mit ihr gespielt, bis wir wohl aus Versehen getriggert wurden und ein anderer traumatisierter Innie Angst bekam. Was genau passiert ist, weiß ich nicht, meine Mutter hat mir später erzählt was war. Irgendwie kam es dann dazu, dass ich einen Krampfanfall bekam, der auch wieder sehr lang anhielt. Für die nächsten 1 ½ Stunden war dann eine Jugendliche vorne, die mir mal wieder aufgezeigt hat, wie viel Innenarbeit wir noch vor uns haben. Von 15:30 Uhr war ich wieder vorne, hatte aber einen Stupor, bei dem ich komplett erstarrt und ausgeliefert war. Um 1 Uhr nachts war der Stupor dann soweit aufgelöst, dass ich ins Badezimmer konnte.
Heute ist mein ganzer Körper immer noch sehr verspannt und ich habe Schmerzen. Meine linke Hand kann ich immer noch nicht ausstrecken. Zum Glück war heute Morgen meine Ergotherapeutin da und ich konnte es zulassen, dass sie mir die Hände massierte.
Ich bin sehr auf das Ergebnis der Begutachtung gespannt. Die MDK Mitarbeiterin gab zum Schluss natürlich noch keine Einschätzung, aber sie sagte, dass es mir ja ganz offensichtlich seit der letzten Begutachtung im Januar wesentlich schlechter geht.
Eben kam per Post noch eine „erfreuliche“ Nachricht: das Amtsgericht hat mir nun endlich eine gesetzliche Betreuerin zugesprochen. Meine Mutter und ich hatten eine uns bekannte Rechtsanwältin vorgeschlagen, die mir jetzt bei allen Angelegenheiten helfen wird.
Ich bin einsam. Völlig isoliert. Ich sehne mich nach Kontakt und Nähe. Und doch kann ich Nähe nicht ertragen. Selbst wenn ich sicher in meinem Schneckenhaus – meiner Wohnung – sitze, versetzt es mich in Panik, draußen Menschen zu sehen und zu hören. So gerne würde ich gute Gespräche über die wirklich wichtigen Themen führen, und doch lässt es die Konzentration nicht zu und ich drifte in eine andere Welt. Ich möchte so gerne aus meinem Gefängnis ausbrechen. Und doch lähmt mich die Angst bei jedem Versuch, der grauen Einsamkeit zu entfliehen.
Alles hängt in der Schwebe. In den nächsten Wochen wird sich endlich einiges entscheiden und hoffentlich auch verändern.
Meine Mutter hatte sich zwei Pflegeheime angeschaut. Die Pflegeleitung von einem sagte, dass sie mich nicht nehmen könnten, weil ich einen zu hohen Pflegeaufwand verursache. Abgesehen davon, dass es wirklich schlimm aussah, fiel mir dabei aber die Kinnlade runter. Ich dachte, ein Pflegeheim ist zum Pflegen da?! Das andere Heim, ein psychiatrisches, hätte mich genommen, kommt aber leider nicht in Frage, weil dort hauptsächlich Männer sind, die durch ihre Krankheit häufig laut und manchmal aggressiv sind. Da ist mir die Gefahr einer Retraumatisierung zu hoch.
Meine Psychotherapeutin hatte mit Ellert Nijnhuis gesprochen, einem der führenden Trauma- und DIS Ärzte aus Holland. Dabei kam aber leider nichts Brauchbares raus. Nachdem ich diese Woche eine E-Mail voller schlechter Neuigkeiten von meiner Therapeutin bekam z. B., dass dem Universitätsklinikum Eppendorf auch der Pflegeaufwand zu groß ist, verschlug es mir wieder komplett die Sprache. Es kommt mal wieder gar kein Ton heraus.
Vor lauter Verzweiflung hat meine Therapeutin nochmal einen letzten Versuch gestartet und eine der führenden Kliniken, die DIS behandeln, angerufen. Nun stehe ich mit einer der Ärztinnen der Klinik in Kontakt. Zuerst muss mit dem Pflegepersonal besprochen werden, ob das Personal meine Pflege tragen kann. Ich könnte jedoch auch von einem externen Pflegedienst während des Klinikaufenthaltes betreut werden. Ein zweiwöchiger Probeaufenthalt steht also momentan im Gespräch. Ich möchte mich noch nicht zu sehr „freuen“ (wie man sich halt auf einen Klinikaufenthalt „freuen“ kann), weil ich so weit auch schon mit diversen anderen Kliniken war.
Eine Voraussetzung für den Klinikaufenthalt ist eine erneute neurologische Abklärung. Vor zwei Jahren wurden alle möglichen Untersuchungen bezüglich der Bewegungsstörung gemacht. Dabei wurde keine körperliche Ursache gefunden. Jetzt sollte aber ausgeschlossen werden, dass meine Krampfanfälle epileptisch sind und keine andere Krankheit hinter der Bewegungsstörung steckt. Auf der einen Seite möchte ich unbedingt die Untersuchungen haben, es wäre ja auch ein grober Behandlungsfehler, wenn die Anfälle und Lähmung körperliche Ursachen hätten und ich psychologisch behandelt werde. Wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass es dissoziativ ist. Auf der anderen Seite habe ich große Angst davor, weil Arztbesuche für mich furchtbar sind, weil ich dabei immer Panik bekomme und stark dissoziiere.
Vielleicht haben wir nun endlich einen Pflegedienst gefunden. Eine Pflegekraft war diese Woche zum Kennenlernen da und wird uns nun einen Kostenvoranschlag machen. Der Pflegedienst würde morgens die Grundpflege übernehmen. So könnte meine Mutter zumindest wieder halbtags arbeiten gehen. Voraussetzung dafür ist aber, dass ich einen Lifter bekomme. Eine Maschine die mich aus dem Bett in den Rollstuhl heben kann. Das Teil sieht ganz schön gruselig aus! Mal schauen wie ich damit klarkomme, weil ich ja so extreme Klaustrophobie habe. Aber für die Betreuungskräfte wäre es eine große Erleichterung. Der Transfer mit dem Rutschbrett ist einfach zu schwer, weil ich ja nur minimal mithelfen kann.
Am 17.10. kommt der MDK zur Pflegebegutachtung vorbei. Meine Mutter hatte vor einigen Wochen eine Erhöhung des Pflegegrades beantragt. Die Erhöhung wurde uns von mehreren Fachpersonen geraten. Momentan habe ich PG 3. Wir nehmen an, dass ich PG 4 bekomme. Eine Pflegekraft meinte sogar, dass mir PG 5 zustehen würde.
Eine Ergotherapeutin war gestern nun schon zum zweiten Mal da. Sie macht mit mir Konzentrationsübungen und Übungen zur Körperwahrnehmung. Ich habe ja auch sehr starke Schmerzen und einige Druck/Schmerzpunkte die besonders wehtun. Die behandelt sie mit Schallwellen. Eine Physiotherapeutin stellt sich nächste Woche vor.
Ende August gab es ja die Begutachtung eines Psychiaters für die gesetzliche Betreuung. Diese Woche hat meine Mutter nochmal mit dem Amtsgericht telefoniert. Jetzt ist endlich das Gutachten eingetroffen, sodass ich hoffe, dass mir bald meine Betreuuerin zugesprochen wird. Mit dem Gutachten und der Pflegebegutachtung kann ich mit der gesetzl. Betreuerin, einer Rechtsanwältin, verstärkt gegen das Versorgungsamt vorgehen. Die ja immer noch überzeugt sind, dass ich ohne Begleitung ortsübliche Wegstrecken ohne Gefahr zu Fuß zurücklegen kann. Haha... sehr witzig!
Mir fällt es immer noch ganz schön schwer anzunehmen, dass noch andere Persönlichkeiten in mir leben. Ich muss mich immer wieder daran erinnern, dass auch die anderen ein Recht haben, zu sagen was sie wollen und brauchen. Ich lerne so langsam, Kompromisse zu schließen, selbst wenn ich mit manchem Verhalten nicht einverstanden bin. Ich habe u. A. auch gelernt immer Zigaretten in der Wohnung zu haben, weil manche Raucher aus dem System ungemütlich werden, wenn sie keine finden. Vor allem Zigarettenrauch in der Wohnung ist ein großer Trigger für mich, aber zum Glück gehen die meisten dafür auf den Balkon.
Vor allem eine Jugendliche fordert immer mehr Raum und die Möglichkeit, sich selbst zu entfalten. Mit ihr versuche ich über ein Kommunikationsbuch im Kontakt zu bleiben und über ihre Wünsche zu reden. Ich muss noch viel im Umgang mit Innies lernen! Aber zum Beispiel bin ich nun einverstanden, dass sie sich/uns ein Lippenpiercing machen lässt. Bevor sie sich wieder ungefragt Sachen von Amazon bestellt und womöglich noch versucht, sich selber ein Piercing zu stechen, darf sie es machen lassen.
Für die bis jetzt bekannten Kinder aus dem System habe ich Spielzeug bestellt. Vor allem die Sorgenfresserin finde ich toll. Sorgenfresser sind für ängstliche Kinder gemacht, ich habe aber auch schon von vielen Erwachsenen gehört, wie toll die sind. Entweder malt man das, was einem Angst macht oder man schreibt es auf einem Zettel auf und dann lässt man den Sorgenfresser, bei uns ist es "Molly", die Sorgen auffuttern.
Upps... Entschuldigung, ich habe gesehen, dass gestern Nacht eine Jugendliche aus unserem System auf der Facebookseite ihren Frust kundgetan hat. Das tut mir leid, sie geht leider nicht so konform mit Entschei-dungen die getroffen werden mussten. Ich habe den Post gelöscht.
Leider stimmt es wirklich, dass wir bald in ein Pflegeheim gehen. Zuerst nur zur Kurzzeitpflege und dann auf längere Zeit. Die letzte von ehemals drei Betreuerinnen kommt jetzt nicht mehr. Meine Mutter müsste ihren Job als Vertriebsleiterin kündigen um den ganzen Tag bei mir zu sein. Das wollen wir beide nicht, ganz davon abgesehen, dass es gegen jeglichen therapeutischen Rat gehen würde. Neue Versuche eine Klinik zu finden, die mich jetzt aufnimmt, sind wiedermal fehlgeschlagen. Deshalb ist der Umzug ins Pflegeheim die einzig verbleibende Möglichkeit. Meine Mutter hat schon viel recherchiert. Es gibt nur wenige Pflegeheime, die junge Pflege also für 18 - 65 jährige anbieten. Diese und nächste Woche schaut meine Mutter sich zwei Einrichtungen an. Wenn sie denkt, dass sich eine davon eignet besichtige ich diese auch.
Die Aussicht mit 25 Jahren in ein Pflegeheim zu gehen ist furchtbar und ich habe doll daran zu knabbern. Aber ich muss es realistisch sehen und das bedeutet, dass ich rund um die Uhr Betreuung brauche, nicht alleine leben kann und dass wir alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft haben.
Schwupps... so schnell kann sich die ganze Betreuungsituation wieder ändern!
In den letzten zwei Wochen hat sich wieder einiges getan. Meine ambulante Betreuerin von der Eingliederungshilfe kommt nun nicht mehr und die Zukunft mit meiner ambulant psychiatrischen Pflegerin ist auch ungewiss.
Die Betreuung durch die Eingliederungshilfe mussten wir pausieren. Die Frau begleitet mich seit vier Jahren. Sie ist eine gelernte Erzieherin, die keine Ausbildung in der körperlichen Pflege hat. Rein rechtlich darf sie mir gar nicht beim Transfer aus und in den Rollstuhl helfen und sie kann es auch körperlich nicht leisten. Somit kann sie mir leider überhaupt nicht mehr helfen.
In der letzten Woche ist mir nochmal deutlich geworden, wie fragil die Beziehung zu Betreuungspersonen sein kann. Ein falsches Wort, eine falsche Tat und die ganze Vertrauensarbeit kann zu nichte gemacht werden. So ist es leider mit meiner psychiatrischen Pflegekraft passiert. Sie hat es natürlich nicht absichtlich getan und wollte mir eigentlich im Gespräch helfen. Aber stattdessen erzählte sie mir etwas, was mich extrem triggerte. Dann kamen Bilder und Angst vor der Pflegekraft dazu. Das was sie sagte, ist nichts, was man eben mal so "verzeihen" kann. Die Entschuldigung bringt da leider nichts. Denn das Gespräch hat sich in mein Hirn gebrannt, die aufdrängenden Bilder sind vor Augen und die Angst kann ich auch nicht einfach so abstellen, auch wenn ich mir sage, dass sie mir damit nicht schaden wollte. So schnell kann es gehen! Ich wollte der Situation ein paar Tage Auszeit geben, damit ich darauf mit ein bisschen Abstand schauen kann. Ob ich sie wieder in meine Wohnung lassen kann und sie um mich haben kann, weiß ich noch nicht.
Die Betreuungssituation bleibt also momentan bescheiden. Ich brauche 24 Stunden am Tag Unterstützung. Jeden Tag ist meine Alltagsbetreuuerin für drei Stunden da und abends nach der Arbeit kommt meine Mutter und übernachtet bei mir auf einem Klappbett. Den ganzen Nachmittag, an dem vorher die psychiatrische Pflegerin da war, bin ich alleine. Das ist aber so nicht möglich, weil ich ja nicht alleine ins Badezimmer komme. Meine Mutter soll und kann nicht ihren Job als Vertriebsleiterin kündigen um mich zu pflegen. Aber wie und woher bekommen wir geeignete Betreuung? Wohneinrichtungen? Pflegeheim? Leben ist Gastfamilien?
Durch meinen Pflegegrad steht mir ein Pflegedienst zu. Die wollen mich aber nicht übernehemen, weil sie eben nur für die körperliche Pflege zuständig sind, die ich ja auch benötige. Aber es müsste jedesmal die gleiche Pflegekraft oder zwei abwechselnde sein und sie müssen wissen, wie sie sich verhalten sollten, damit ich nicht gleich dissoziiere. Pflegedienste sagen also NEIN! Aber psychosoziales ambulantes Wohnen sagt auch NEIN, weil sie die körperliche Pflege nicht übernehmen können. Wie bei allem anderen, beißt sich auch hier die Katze ganz gewaltig in den Schwanz.
Die ach so wichtige Physiotherapie, die mir etwas gegen den Muskelabbau in den Beinen helfen könnte, traut sich auch niemand zu.
Alle Ärzte und Gutachter sagen, dass wir die Betreuungssituation so nicht halten können. "Das ist ja furchtbar!" "Wie haltet ihr das aus?" Aber eine Lösung hat niemand.
Vor zwei Wochen war der Psychiater da, der für die gesetzliche Betreuung ein Gutachten schreiben soll. Meine Mutter führte das Gespräch während die psychiatrische Betreuerin (da war das noch nicht passiert) sich um Innies kümmerte, die rauspurzelten und später um mich, als ich mal wieder krampfte. Ein fremder, summender Mann in kurzen Hosen in meiner Wohnung, der Fragen stellt - das System schreit Panik!. Meine Mutter erzählte mir, dass er sagte, dass er definitiv einer gesetzlichen Betreuung zustimmen wird. Nun muss er das Gutachten schreiben, was dann an den Amtsrichter geht, der dann das Urteil spricht.
Heute hätte ich mit meiner Mutter und meiner Alltagsbetreuerin eigentlich einen Termin bei der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf gehabt. Dort wäre ich in der Traumaambulanz über eine mögliche Behandlung auf der Traumastation beraten worden. Der Termin wurde heute morgen aber kurzfristig abgesagt... mit plötzlichen Planänderungen komme ich nicht gut klar. Meine Mutter und Betreuerin wären beide mitgekommen, damit eine immer bei mir bleiben kann, während die andere parkt und Sachen klärt. Meine Mutter hat einen neuen Termin in zwei Wochen ausgemacht. Wenn die letzten Ereignisse irgendeine Richtung geben, wie es mir bei solchen Terminen geht, hätte mir ein Tag voller Krämpfe, Stupor und anderen dissoziativen Zuständen geblüht. Das Positive daran, dass wir heute nicht beim UKE waren ist, dass ich heute nicht mit Püriertem gefüttert werden muss. Ich freu mich!
Es ist schon fast zwei Monate her, seitdem die drei kleinen Jungs das Ei gegen meine Wohnzimmerwand geworfen haben. Mittlerweile kann ich mich für ein, zwei Stunden wieder im Wohnzimmer aufhalten. Aber auf dem Sofa und in der Ecke des Wohnzimmers kann ich mich nicht mehr aufhalten. Die Gardinen bleiben weiterhin geschlossen. Somit verbringe ich die meiste Zeit des Tages in meinem Schlafzimmer.
Ich habe mehrmals die Woche einen dissoziativen Krampfanfall. An den Tagen, an denen ich bis zu einer Stunde lang krampfe, brauche ich sehr viel pflegerische Unterstützung. Denn nach den Anfällen habe ich über viele weitere Stunden (bis zu 6 Stunden) einen dissoziativen Stupor. Auch wenn sich die steinharte Erstarrung gelöst hat, bin ich über Stunden und manchmal Tage extrem bewegungseingeschränkt, sodass mir auch Essen und Trinken angereicht werden muss. Damit ich während der Stunden besser liege, wurde mir ein Seitenlagerungskissen verschrieben, das ist so ähnlich wie ein Stillkissen, nur größer und ein Hilfsmittel. Die Situation macht mir sehr zu schaffen.
Weil ich auch schon zweimal unterwegs bei meiner Therapeutin und bei meiner Hausärztin gekrampft habe und es Stunden dauerte, bis wir wieder nach Hause fahren konnten, habe ich entschieden, erstmal nicht mehr zu meiner Psychotherapeutin zu gehen. Voraussichtlich kann ich im Februar 2018 wieder in die Klinik. Meine Therapeutin versucht aber, mir schon vorher einen Platz zu verschaffen. Bis dahin habe ich noch 8 Therapiestunden. Richtige Therapie mache ich ja schon lange nicht mehr, nur unterstützende Gespräche. Bis vor kurzem war ich zweimal die Woche für 25 Minuten bei meiner Therapeutin. Ich schaffe den Weg zur Praxis einfach nicht mehr. Deshalb kommt sie nun alle zwei Wochen einmal zu mir nach Hause. Diese Woche war meine Psychologin das erste Mal zum Hausbesuch bei mir für 25 Minuten in der Wohnung.
Letzte Woche hätte eigentlich ein Psychiater, der vom Amtsgericht beauftragt wurde, ein Gutachten bei mir in der Wohnung machen sollen. Nachdem wir an dem Tag drei Stunden auf ihn gewartet hatten, rief er an und sagte meiner Mutter, dass er den Termin vergessen hatte. Schön blöd, dass meine Mutter sich extra den Tag von der Arbeit freigenommen hatte, einen Zahnarzttermin abgesagt hat und dass meine psychiatrische Pflegekraft extra da war und ich schon Tage vorher Panik hatte und dissoziierte. Nun ja, nächsten Montag soll die Begutachtung nachgeholt werden. Ich habe keinen Zweifel, dass mir eine gesetzliche Betreuerin danach zugesprochen wird. Dann hat meine Mutter mit den ganzen Behördenangelegenheiten eine Sorge weniger.
Um meine Betreuungssituation flexibler gestalten zu können, hat meine Mutter vor ein paar Monaten das persönliche Budget für mich beantragt. Demnächst steht also auch noch ein weiteres Hilfeplangespräch mit dem Gesundheitsamt an.
Seit Januar dieses Jahres habe ich dem Pflegegrad 3. Meine Alltagsbetreuerin und auch meine psychiatrische Pflegerin haben mir beide geraten, eine Erhöhung des Pflegegrades auf PG 4 zu beantragen. Das hat meine Mutter nun auch getan, also kommt demnächst auch noch eine Frau vom MDK zur erneuten Pflegebegutachtung. Auch da ist der Fall ganz klar, die Verschlechterung ist so deutlich, dass ich hoffe, dass der Pflegegrad erhöht wird und es keine Schwierigkeiten gibt. Damit könnten wir mehr so dringend benötigte Betreuungsstunden bekommen. Denn eigentlich brauche ich 24 Stunden am Tag Betreuung, was aber in einem ambulanten Setting nicht möglich ist.
Vor diesen ganzen anstehenden Begutachtungen ist mir angst und bange. Fremde Personen kommen in meine Wohnung und stellen Fragen. Aber wahrscheinlich werde ich von den Terminen eh nicht viel mitbekommen, denn selbst als der Psychiater für die Begutachtung zur gesetzlichen Betreuung nicht kam, war ich schon so gut wie weg und einen Schritt vor einem Krampfanfall, Stupor, etc..
Seit ein paar Wochen arbeite ich an einem Projekt, über das ich noch nicht öffentlich Details verraten möchte. Es hat sehr lange gedauert, weil ich einfach keine Kraft und Konzentration dafür hatte, deshalb habe ich mit meiner Mutter nur peu à peu dran gearbeitet. Nun sind wir aber fast fertig damit. Wenn alles glatt läuft, kann ich damit dem Thema komplexe Traumafolgestörungen mehr Öffentlichkeit verschaffen. Ich bin gespannt.
So richtig entspannen und Spaß haben kann nur ein nicht traumaassoziirter Kleinkindanteil aus unserem System. Sie malt viele bunte, fröhliche Bilder, schaut Kinderfilme auf Netflix, wenn unsere Betreuerinnen das für sie anschalten oder sie spielt und kuschelt mit dem Besuchshund - ein Pudel - von unserer psychiatrischen Pflegekraft. Vor ein paar Wochen konnte sie und andere Innies noch laufen, aber entweder ist der Muskelschwund mittlerweile so doll, dass die Muskeln einfach nichts mehr tragen können oder aber die dissoziative Bewegungsstörung ist auch auf andere Innies übergegangen. Dem kleinen Mädchen macht das nichts aus. Ich trauere aber über diese Veränderung, denn das nimmt einem unbeschwerten Innie etwas Leichtigkeit.
Ich bin von Sternzeichen Steinbock, ich bin hartnäckig und stur, aber gerade erscheint mir mein Leben aussichtlos. Zusätzlich zu den ganzen Ängsten und dissoziativen Zuständen kommen Schlaflosigkeit, Zwangsgedanken, die Essstörung, Selbsthass, eine tiefe Depression, psychosomatische Schmerzen und vieles mehr. Das macht mürbe!
Aber das macht nicht nur mich mürbe, sondern vor allem leidet meine Mutter unter all dem. Es tut mir furchtbar leid, dass ich so eine große Last bin. Sie arbeitet Vollzeit, wurde sogar gerade zur Vertriebsleiterin befördert (ich bin so stolz auf sie). Sie verlässt morgens um 6/7 Uhr das Haus, muss nach der Arbeit alle Einkäufe erledigen, Telefonate und E-Mails mit Behörden für mich führen, alle Termine mit meinen Betreuerinnen organisieren und dann kommt sie am späten Nachmittag nach Hause und muss sich um mich kümmern. Ohne sie würde es meinen Blog z. B. auch nicht geben. Sie führt nicht nur ihren eigenen Haushalt, sondern auch meinen. Mittlerweile übernehmen meine Betreuerinnen einige Aufgaben, aber trotzdem ist sie überfordert. Abends zwischen 22 – 23 Uhr fährt sie, solange sie nicht bei mir auf einem Klappbett übernachten muss, weil ich noch Hilfe brauche, nach Hause zum Schlafen. Sie hat einen unerschütterlichen Optimismus, das lässt sie weiter machen. Es ist nicht fair, dass sie auch so eine unglaubliche Last mit sich trägt.
Um in der Therapie an meinen Themen zu arbeiten, brauche ich u. A. Distanz zu meiner Mutter. Dazu müsste ich in eine Wohn-einrichtung ziehen. Für meine besonderen Einschränkungen gibt es aber keine geeignete Einrichtung. Um fit zu sein für eine Wohneinrichtung, müsste ich Langzeittherapie in einer Klinik machen. Nach über 50 Absagen habe ich nur eine Klinik gefunden, die mich im Februar für max. vier Wochen aufnimmt. Bis dahin bin ich auf meine Mutter, meine drei Betreuerinnen und ambulante Psychotherapie angewiesen.
Von meinem erneuten Versuch, beim Versorgungsamt einen höheren GdB und die Merkzeichen aG, B und H zu beantragen, habe ich schon berichtet. Heute kam nun der Bescheid und - nun ja - tataaa- ABGELEHNT!
Die 1 1/2 Seiten lange Begründung ist einfach total absurd. "Wegen der bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen ist Ihre Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht erheblich beeinträchtigt. Ortsübliche Wegstrecken können noch zu Fuß zurückgelegt werden".
Zur Erinnerung: für den Transfer vom Bett in den Rollstuhl oder vom Rollstuhl ins Auto brauche ich ein Rutschbrett, weil ich mich nicht allein umsetzen geschweige denn hinstellen kann. Das haben übrigens zwei Fachärzte und der MdK bestätigt. Lesen die denn die Atteste und mein Schreiben gar nicht? Unterstellen die mir, dass ich simuliere? Oder unterstellen sie den Ärzten, dass sie lügen? Das ist doch eine Unverschämtheit!!!! Behördenwillkür, die auf dem Rücken kranker Menschen ausgetragen wird. Es ist ja nicht so, dass ich hier Unsummen von Zuschüssen oder Unterstützungsleistungen beantrage. Es geht nur um den bescheuerten PARKAUSWEIS!!! Damit ich vor Arztpraxen etc. den Behindertenparkplatz nutzen darf und genügend Platz habe, um aus dem Auto in den Rolli ein- und aussteigen zu können.
Jetzt geht es also wieder von vorne los: Widerspruch einlegen mit Hilfe der Rechtsanwältin, Gutachten, Hin- und Her- Schreiben - eine völlig unnütze Zeit-, Geld- und Nervenverschwendung. Ich bin froh, dass ich Leute habe, die das für mich regeln. Sonst wäre ich gar nicht in der lage, dagegen anzugehen.
Der Bescheid war für mich wiedermal ein Schlag ins Gesicht. Ich habe mich bemüht, es nicht persönlich zu nehmen, tief zu atmen, ruhig und klar zu bleiben und meine Betreuerin hat mich dabei unterstützt, aber schließlich kam dann doch wieder ein langer heftiger Krampfanfall, Switch und Stupor, der stundenlang anhielt, Auch jetzt (vier Stunden später) bin ich noch nicht in der Lage, meine Arme und Hände kontrolliert zu bewegen, so dass meine Mutter den Blogeintrag für mich tippt. Mit dem Sprechen klappt es auch noch nicht wieder also müssen wir uns mit Telepathie, Zeichensprache und Kritzeleien auf dem Schreibblock verständigen. Die vom Versorgungsamt sollten mal sehen, was so ein Bescheid mit Menschen wie mir machen kann.
Unglaublich, welche Spritzreichweite so ein Ei hat! Nachdem mein Wohnzimmer nach der saudoofen Eier-Attacke vor zwei Wochen ziemlich ekelig war und gestunken hat, ist es nun wieder frisch gestrichen, gereinigt und bewohnbar. Mittlerweile schaffe ich es wieder, mich für ein paar Stunden im Wohnzimmer aufzuhalten, die Gardinen dürfen aber noch nicht geöffnet sein. Auf mein Sofa trau ich mich noch nicht. Meine Mutter hat die ersten Tage bei mir übernachtet, so fühlte ich mich sicherer. Leider hatte ich auch noch einige weitere Krampfanfälle, das hat mir viel Kraft geraubt.
Zum Glück ist seit dieser Woche meine Psychologin aus ihrem vierwöchigen Urlaub zurückgekehrt. Ich brauche ihre Unterstützung sehr!
Letzte Woche habe ich mit 25 Jahren meine ersten grauen Haare entdeckt… dagegen musste ich etwas unternehmen!!! Meine Betreuerin ist heute mit dem Gegenmittel angerückt. (Meine Beine kann ich so verschränken, weil ich keine Körperspannung und wenig Schmerzempfinden in den Beinen habe
Stell Dir vor, Du sitzt an einem Montagabend auf dem Sofa und schaust Fernsehen. Die Balkontür steht offen, weil Du auf dem Balkon, vor ein paar Minuten, die Blumen gegossen hast. Plötzlich hörst Du ein lautes Geräusch, etwas fliegt mit hoher Geschwindigkeit an Dir vorbei und klatscht an die Wand. Es war ein rohes Ei! Du bist vielleicht erschreckt, angeekelt und wütend. Dass rohe Ei trieft von Deiner Wohnzimmerwand herunter. …Jetzt bist Du stinksauer, schaust wer es war oder rufst sogar …*füge Schimpfwort Deiner Wahl ein*.
Genauso wie Du, erschreckte ich mich. Für mich ist es aber nicht nur eine Sauerei. Denn für die nächsten 30 Minuten lag ich krampfend in den Armen meiner Mutter, die versuchte, mir zu sagen, dass ich in Sicherheit bin und mir niemand etwas antun wird. Von den Krampfanfällen bekomme ich alles mit. Ich merke, wie schmerzhaft die Muskelkontraktionen sind und wie mir der Sabber das Kinn herunterläuft. Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit, bis meine Muskeln sich etwas lösten. Nun war ich komplett erstarrt, ich bekam alles mit, sogar meine Augen konnte ich nicht bewegen. Eine weitere Stunde lag ich völlig ausgeliefert und bewegungsunfähig auf dem Sofa.
Natürlich fragt sich jetzt jeder: Wer kommt eigentlich auf die absurde Idee mit einem Eierkarton durch ein Wohngebiet zu laufen und unbeteiligte Menschen zu bewerfen? Ok, das war jetzt blöd, aber das Leben geht weiter oder? Nein, denn die treffsicheren Ei-Werfer können nicht wissen, dass ich wegen vielen Traumata aus der Kindheit und Jugend schwer traumatisiert bin. Sie können nicht wissen, dass ich seit ungefähr drei Jahren meine Wohnung aus panischer Angst vor Menschen nicht mehr verlasse. Sie können nicht wissen, dass ich bei belastenden Ereignissen eine Panikattacke bekomme, erstarre, krampfe und/oder Persönlichkeiten wechsel. Sie können nicht wissen, dass ich voller Angst bin, wenn ich durch meine geschlossenen Fenster draußen Menschen sehe. Die Blumen auf dem Balkon sind meine selbst verschriebene „Konfrontationstherapie“, damit ich auf den Balkon gehen muss – selbst das kann ich nur in Begleitung tun.
Für mich ist es kein einfacher Scherz! Dieser Vorfall hat einen Rattenschwanz. Ich bin vor kurzem in diese barrierefreie Wohnung eingezogen, da ich von der Traumatisierung so sehr belastet bin, dass nur aus psychischen Gründen meine Beine gelähmt sind. Für eine traumatisierte Person, wie ich es bin, ist ein „sicherer Ort“ unbeschreiblich wichtig. Mich wohl und sicher in meiner Wohnung zu fühlen, habe ich mir hart erkämpft. Diese Sicherheit wurde mir genommen. Ob ich mich wieder auf meinen Balkon traue? Ich weiß es nicht! Traue ich mir es wieder zu, alleine in meiner Wohnung zu sein und dabei die Gardinen offen zu haben? Unbestimmt! Habe ich nun noch mehr Angst vor fremden Menschen? Definitiv! Wird es für mich noch schwerer rauszugehen und fremden Menschen zu vertrauen? Ganz bestimmt!
Ich bin 25 Jahre alt, ich habe eine komplexe Posttraumatische Belastungsstörung, schwere Dissoziative Störungen, Angststörung/Phobien, eine Essstörung, Zwänge, chronische somatische Schmerzen und ich bin schwer depressiv und passiv suizidal. Das ist kein Scherz!
Ich wünsche mir, dass dieser Beitrag geteilt wird. Die Ei-Werfer wird es sicherlich nicht erreichen, aber vielleicht sieht dies jemand, der gerne „Scherze“ macht. Ich bin entsetzt und verängstigt. Ich bin froh für jeden Menschen, der diese Gefühle nicht nachvollziehen kann, denn das heißt für mich, dass ihm nie etwas wie mir passiert ist, das solche chronischen Langzeitfolgen hat. Bitte überlegt Euch genau, bevor ihr handelt. Eure Taten haben Konsequenzen!
Nein, mir geht es wirklich nicht gut. Ich habe das dringende Bedürfnis dies aufzuschreiben.
Es ist Sommer! Wie fast jede abeitende Person ist auch meine Therapeutin seit zwei Wochen im Urlaub. Wir hatten bis jetzt einmal einen E-Mail Kontakt, übernächste Woche haben wir den nächsten festgelegten E-Mail Termin. In drei Wochen ist sie wieder aus ihrem wohlverdienten Urlaub zurück. Kurios finde ich es, dass immer wirklich alles aus den sonst schon so bröckeligen Fugen gerät, wenn sie im Urlaub ist. Vor genau einem Jahr eskalierte die Situation mit Alec, meinem ehemaligen Assistenzhund in Ausbildung und meine Bewegungsstörung wurde so schlimm, dass ich einen Rollstuhl brauchte.
In der ersten Urlaubswoche meiner Therapeutin war meine Mutter im Krankenhaus. Ihr geht es gut. Wir, das ganze System, sind aber deshalb total ausgerastet. (Zur Erklärung: für mich ist es schon schlimm, wenn eine nahe-stehende Person einen Schnupfen hat. Durch die Angst und das Mitgefühl für die kranke Person ziehe ich mich komplett zurück und ich breche den Kontakt ab, weil mich die schlechten Gefühle zerfetzen). Was ich damit sagen möchte, ist, dass die Woche ziemlich bescheiden war. Wir wurden in der Zeit intensiv von unseren beiden Betreuerinnen versorgt, eine davon war täglich für mehrere Stunden bei mir Zuhause. Unsere neue Alltagsbetreuerin kenne ich noch gar nicht so lange, aber sie ist ein absoluter Glücksfund. Sie konnte auf Anhieb mit meinen dissoziativen Zuständen, Panikattacken und auch mit Persönlichkeitswechseln umgehen. Ohne sie wären wir aufgeschmissen.
Die ganze Situation hat mich sehr mitgenommen. Besonders nachdem ich eine zweistündige Erstarrung/Stupor hatte, ist die Bewegungsstörung bzw. die Paralyse in den Beinen noch etwas schlechter geworden. Sodass ich hoffentlich in den nächsten Tagen ein Rutschbrett bekomme, mit dem ich mich selbstständig aus dem Rollstuhl transferieren kann.
Gestern hatte ich zum ersten Mal einen dissoziativen Krampfanfall. Zuvor hatte ich schon einige Male, meistens gepaart mit einem dissoziativen Stupor, unkontrollierbares Zittern. Einen richtigen Krampf hatte ich jedoch noch nie. Zuerst hatte ich durch eine eigentliche Nichtigkeit eine dissoziative Erstarrung. Meine Mutter saß neben mir auf dem Sofa. Zuerst fing ein Bein an zu zittern, das Zittern wurde immer stärker und wanderte meinen Körper hoch, bis der ganze Körper angefangen hat zu krampfen. Davon bekam ich alles mit. Für meine Mutter war es auch das erste Mal, dass sie so etwas an mir gesehen hat. Ich bin ihr sehr dankbar, dass sie einen kühlen Kopf bewahrt hat und nicht einen Notarzt gerufen hat. Meine Mutter redete in einem ruhigen Ton und sagte dass es gleich wieder aufhören wird. Weil ich nur noch noch sehr flach geatmet habe, hat sie versucht mit mir in einem gleichmäßigen Rhythmus zu atmen. Und sie nahm mich fest in den Arm (was bei mir während dissoziativen Zuständen nicht immer gut ankommt). Nach ca. 10 - 15 Minuten hörte der Anfall auf. Für ca. 45 Minuten war dann ein Kindanteil vorne. Meine Mutter beschrieb mir den Wechsel wie ein Lichtschalter, der von einer Sekunde auf die andere umgelegt wurde: Plötzlich war da ein fröhlich spielendes Kind. Danach passierte der Wechsel genau so unvermittelt zurück zu mir (Johanna), die hart wie ein Stein noch in einem Stupor war. Eine Stunde lang lag ich komplett bewegungsunfähig, bis auf die Augen erstarrt auf dem Sofa. Nach der Stunde konnte ich wieder einen Daumen bewegen und meine Mutter konnte mir Wasser mit einem Strohhalm anreichen. Meine Beine haben sich noch nicht erholt und haben den Dienst eingestellt. (Also vorher konnte ich auch nicht gehen oder stehen, aber z. B. zum Hose Anziehen die Beine kurz bewegen. Jetzt sind sie wie totes Gewicht, das ich mit den Armen aus dem Weg räumen muss.) Der Krampfanfall hat mich und meine Mutter zutiefst erschreckt und ich habe fürchterliche Angst, dass es nochmal passieren könnte.
Das einzig Positive ist, dass ich nun endlich eine Verordnung für Ambulante Psychiatrische Pflege/APP erhalten habe. Morgen kommt eine psychiatrische Pflegekraft zum Kennenlernen. Mir wurden 14 Einheiten pro Woche für vier Monate verschrieben. Da meine ambulante Betreuerin von der Eingliederungshilfe nächste Woche auch in den Urlaub geht und ich dann als "Pflegekräfte" nur meine Mutter und meine Alltagsbetreuerin habe, könnte die APP hilfreich sein, solange die Frau nett und kompetent ist.
Oh und wenn alles klappt bekomme ich diese Woche noch Besuch von einer meiner Lieblingspersonen und ihrer Pudelhündin. Darauf freue ich mich sehr.
Nachdem ich ja im August 2015 meinen Erstantrag zur Feststellung einer Schwerbehinderung gestellt hatte, bekam ich nach zwei Widersprüchen mit Hilfe eines Anwaltes und einer Begutachtung einen GdB von 60 zugestanden. Anfang dieses Jahres bekam ich dann endlich meinen Schwerbehindertenausweis. Merkzeichen wurden mir allerdings verwehrt, obwohl ich seit einem Jahr zusätzlich zu den psychischen Behinderungen im Rollstuhl sitze. Der nächste Schritt wäre damals gewesen, vor Gericht zu gehen, dafür fehlte mir aber die Kraft.
Mittlerweile habe ich mit Hilfe meiner Mutter eine gesetzliche Betreuung beim Amtsgericht angeregt. Eine Rechtsanwältin wird hoffentlich bald meine gesetzliche Betreuerin und wird somit viele meiner Angelegenheiten übernehmen.
Bis über den Antrag auf die gesetzliche Betreuung entschieden wird, kann aber noch einige Zeit vergehen. So lange möchte ich nicht warten. Deshalb stelle ich jetzt mit meiner Mutter einen Folge- bzw. Verschlechterungsantrag an das Versorgungsamt. Ich akzeptiere diese Ungerechtigkeit nicht! Ich sehe es nicht ein, dass ich schlechtere Karten habe, nur weil ich unter einer psychischen Behinderung leide. Meine Dissoziative Bewegungsstörung ist mit körperlichen Untersuchungen nicht erklärbar und doch schränkt sie mich sehr ein. Ich kann selbst mit Gehstützen keine drei Meter gehen und nur kurz stehen wobei ich mich immer festhalten muss. Warum wird mir dann kein Merkzeichen aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) zugestanden? Nur weil es keine Röntgenbilder gibt, die das erklären und bestätigen? Nö, das akzeptiere ich nicht! Ich bin keine Simulantin, nur weil die Ärzte nicht wissen was mit mir los ist! Genau so ist es mit dem Merkzeichen B (Begleitung). Meine Erkrankung ist komplex. Wie ich ja schon oft geschrieben habe, kann ich nur selten, zu Terminen bei meiner Psychologin und meinem Psychiater, meine Wohnung verlassen und dann auch nur mit Begleitung. Ich akzeptiere es nicht, dass psychische Erkrankungen so schlecht angesehen werden. Mir geht es bei dieser Angelegenheit vor allem um das Prinzip. Ich habe kein Interesse, mir irgendwelche Leistungen zu erschleichen. Ich hoffe, dass es mir irgendwann mal gut genug geht, dass ich mich wirklich für die Anerkennung von psychischen Erkrankungen engagieren kann.
Nun ja, was ich eigentlich damit sagen wollte ist, dass ich mit viel Hilfe nun einen Folgeantrag stelle. Meine Mutter und ich versuchen einen detaillierten Text zu schreiben, der die Gründe gut erklärt. Zusätzlich mit dem Klinikbericht, dem Gutachten des MdK für die Pflegeversicherung und der Feststellung des Pflegegrades 3 geht der Antrag die Tage an das Versorgungsamt. Falls der Antrag wieder abgelehnt wird, werde ich mit der gesetzlichen Betreuerin dagegen vorgehen.
Wenn es mir und dem System sehr schlecht geht, dann tut es manchmal ganz gut, wenn ein nicht traumaassoziierter Kindanteil einfach mal z. B. mit unserer lieben, zugewannten Alltags-betreuerin ganz unbeschwert malen und mit den Kuscheltieren spielen darf. Das verschafft dem System eine kurze Erholungspause.
Schon lange habe ich nicht mehr über Alec, meinem ehemaligen Assistenzhund in Ausbildung berichtet. Das gesamte Thema ist sehr schwierig für mich, wegen der Enttäuschung und wegen meines Entsetzens darüber, wie es mit der ehemaligen Assistenz-hundeausbilderin gelaufen ist. Außerdem habe ich große Schuldgefühle Alec gegenüber.
Nachdem Alec nach all dem Hin und Her wieder bei unserer guten und liebevollen Trainerin angekommen war, durfte er sich für einige Zeit erstmal richtig erholen und nur "Hund" sein. Wir haben viele Monate nach einem neuen Zuhause für Alec gesucht, was sich als schwierig erwies. Nach all dem was jedoch passiert ist, waren alle Beteiligten sehr vorsichtig mit der Auswahl eines neuen Frauchens. Mit der Zeit war klar: Alec ist kein Assistenzhund, zumindest nicht für psychisch Kranke. Schlechte Gefühle seines Menschen sind ihm unangenehm und er zieht sich zurück. Er arbeitet aber sehr gerne und zuverlässig. Er braucht die mentale Herausforderung mindestens genau so sehr wie die körperliche Auslastung. Wir wollten für ihn jemanden finden, der ihm Arbeit und physische Auslastung bieten kann und wo er glücklich, am Besten mit einem Hundekumpel, leben kann. Vor allem war uns aber auch wichtig, dass Alec nicht mehr rumgereicht wird. Er sollte sein endgültiges Zuhause finden, wo er zufrieden mit einem kompetenten Frauchen ist.
Schließlich haben wir eine sehr gute Lösung gefunden. Nun lebt Alec seit zwei Monaten bei einer Tierphysiotherapeutin, die mit ihm in einem Altenheim und in einer Ergotherapiepraxis arbeitet. Die Arbeit mit den Patienten macht ihm Spaß und er ist sehr beliebt. Er kann jeden Tag mehrere Stunden im Wald rennen und sich so körperlich auspowern. Er hat einen Hundekumpel, mit dem er spielen kann und ein Frauchen mit dem die Bindung stimmt und die sich von ihm nicht unterbuttern lässt. Er ist und bleibt ein liebenswerter Sturkopf und braucht eine feste Hand.
Ich bin froh, dass Alec nun endlich sein Heim gefunden hat. Dort hat er alles was er braucht um glücklich zu sein.
Vor genau einem Monat wurde ich aus der Psychosomatischen Fachklinik Rottal-Inn in Simbach am Inn entlassen. Seitdem ist ziemlich viel passiert.
Mit gutem Gewissen kann ich die Rottal-Inn Klinik weiterempfehlen. In meinen vorherigen Blogbeiträgen habe ich ja schon ausführlich darüber berichtet, wie schwierig es für mich war, überhaupt eine Klinik zu finden. Dass ich tief in Niederbayern gelandet bin, war dann wirklich ein Glücksfall. Meine Ärztin und das Pflegepersonal meiner Station kannten sich wirklich gut mit der Dissoziativen Identitätstörung aus. Egal was passierte, auf uns wurde immer angemessen eingegangen. Ich fühlte mich verstanden, gut betreut und ernst genommen. Die Pflegerinnen waren allesamt sehr geduldig: Auch wenn ich durch einen Trigger stundenlang dissoziierte, im Stupor war oder wir hin und her switchten oder ich eine Panikattacke hatte ließen sie uns nicht im Stich und versuchten mir mit vielen Skills zu helfen. Das Schöne an der Klinik ist, dass sie bereit sind ihr Konzept individuell anzupassen. Ich wurde zu nichts gedrängt, aber man hat mir öfters angeboten, in Begleitung in den Park zu gehen. Ein paar Mal hat es auch tatsächlich geklappt und ich konnte mit einer umsichtigen Pflegerin frische Luft schnappen. Ich hatte mein rollstuhlgerechtes Einzelzimmer, wo ich auch die Mahlzeiten einnehmen durfte (das Essen war übrigens spitze).
An meinem Allgemeinzustand hat sich in so kurzer Zeit natürlich nicht viel geändert. Trotzdem war der Klinikaufenthalt ein Erfolg für mich. Erstens weil ich jetzt die Erfahrung gemacht habe, dass ein Klinikaufenthalt auch positiv sein kann und es durchaus engagierte und nette Ärztinnen und Pflegerinnen geben kann. Zweitens weiß ich jetzt, dass ich einen Therapieplatz gefunden habe, wo mir/uns geholfen wird und wo ich wieder hingehen kann.
Mit der Entlassung aus der Klinik bin ich auch gleichzeitig in eine neue behindertengerechte Wohnung umgezogen. Hier kann ich mich jetzt frei bewegen, barrierefrei duschen und mir selbstständig etwas aus dem Kühlschrank holen. Ich bin nun die ganze Zeit damit beschäftigt, mir hier einen sicheren Ort einzurichten, damit ich mich hier geschützt fühlen kann. Mir fällt es ziemlich schwer, mich in einer neuen Umgebung sicher zu fühlen. Es ist hier noch alles neu und ungewohnt, deshalb ist es umso wichtiger, mir meine neue Wohnung so angenehm und triggerarm wie möglich zu gestalten.
Eine Voraussetzung dafür, dass ich nächstes Jahr wieder in die Klinik in Simbach am Inn kann, ist, dass wir an meiner Betreuungssituation arbeiten. Bisher war es ja so, dass ich eine ambulante Betreuerin für vier Stunden pro Woche habe, den Rest der Pflege deckt meine Mutter ab. Ich brauche deutlich mehr Betreuung, aber nicht durch meine Mutter. Mit meinem Pflegegrad 3 könnte ich einen ambulanten Pflegedienst in Anspruch nehmen, aber die sind hauptsächlich auf Senioren und Krankenpflege eingestellt und haben wenig oder keine Erfahrung mit psychischen Erkrankungen. Dazu hatte ich letzte Woche ein Teamgespräch mit meiner Mutter, meiner Therapeutin, meiner ambulanten Betreuerin und ihrem Chef. Gemeinsam haben wir überlegt, wie wir das Problem lösen. Wir haben mehrere Möglichkeiten herausgearbeitet.
Der letzte Monat und auch der Klinikaufenthalt waren für mich sehr herausfodernd und anstrengend. Ich hoffe, jetzt langsam in der neuen Wohnung zur Ruhe zu kommen und mich zu erholen. Nach und nach werde ich mit Hilfe meines therapeutischen Teams die geplanten Veränderungen angehen, ohne mich dabei zu sehr unter Druck zu setzen. Als erstes werde ich nächste Woche mit meiner ambulanten Betreuerin meinen Balkon hübsch machen. Ich bin wirklich froh und dankbar, Menschen um mich herum zu haben, die mich unterstützen und manchmal viel mehr machen, als ihr Job verlangen würde. Es erleichtert mich, zu wissen, dass in der Niederbayrischen Klinik schon der Schweinsbraten mit Bayrischkraut und Semmelnknödel auf mich wartet und wir alle dort sein dürfen.
Ein kurzes Hallo aus der Klinik. Ich bin hier gut angekommen. Mir fällt es ziemlich schwer mit den ganzen Menschen. Das Pflegepersonal und meine Therapeutin sind aber sehr nett, zuvorkommend und umsichtig. Die wissen alle, was sie tun und können gut mit meinen "Zuständen" umgehen.
Mein Zimmer kann ich zwar nicht alleine verlassen, deswegen bekomme ich aber zu allen Terminen eine Begleitung. Bis jetzt ist es mit großem Abstand der beste Klinikaufenthalt und ich bin froh hier sein zu dürfen.
Bis zum 19.4. bleibe ich noch, dann geht es die 900 km zurück nach Hause.
Ohne Skills und meine Notfalltasche gehe ich nirgendwo hin. In einer Kosmetik-tasche befinden sich Düfte und Gegenstände die mir bei Dissoziationen, Angst, Unruhe und Panik helfen. Diese so genannten Skills sprechen verschiedene Sinne an. Ich denke, die meisten Betroffenen kennen Skills und sind auch immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten. Nun bereite ich mich gerade auf den Klinikaufenthalt vor, denn dort gibt es viele Trigger, die problematische Situationen auslösen können. Normalerweise sind nicht ganz so viele Gegenstände in meiner Notfalltasche, für die Klinik möchte ich aber vorbereitet sein. Notfallmedikamente gibt es bei mir allerdings nicht, denn ich habe noch kein Medikament gefunden, welches ich vertrage.
An der Rückseite meines Rollstuhls hängt eine rote „SOS“ Tasche. Dort drin befindet sich ein Zettel, auf dem Angaben zu meiner Person und Notfalltelefonnummern stehen. Außerdem Anleitungen, was bei einer Erstarrung (Dissoziativer Stupor) oder bei einem Switch gemacht werden kann, um mir zu helfen.
Hauptsächlich bei Dissoziationen helfen mir Gerüche. Meine Duftöle haben unterschiedliche Stärken. Manche sind einfach nur wohltuend, andere sind sehr stark, lassen die Augen tränen und reizen die Nase. Ich wechsel oft die Öle, angenehme Gerüche helfen noch eher bei leichteren, gerade erst anfangenden Dissoziationen. Angepasst an die Stärke der Disso muss ich mir bzw. andere mir (wenn ich nicht selber dazu in der Lage bin) stärkere, reizendere Düfte unter die Nase halten.
Dies sind meine Skills zum Anfassen. Sie haben unterschiedliche Oberflächen und fühlen sich somit anders an.
Das „Schmeichelholz“ mit der Gravur „Gesundheit“ habe ich am Freitag von meiner Therapeutin geschenkt bekommen.
Der Metallring ist ein Massagering, der starken Reiz auslöst. Dies hilft mir, meine Finger wieder zu fühlen, wenn sie taub sind. Allerdings muss ich damit aufpassen, denn man kann es damit auch übertreiben und sich schaden.
Das kleine Kuscheltier ist hauptsächlich für Kindanteile. Er sieht so ähnlich aus wie unser großes Lieblingskuscheltier – ein Dalmatiner - und soll Sicherheit und Trost schenken.
Zum Fidget-Cube habe ich ein kurzes Video gemacht. Ich habe ihn erst vor kurzem gefunden. Er ist super für unruhige Hände. https://www.facebook.com/pg/PTBSAssistenzhundAlec/videos/?ref=page_internal
Die Bonbons haben verschiedene Geschmacksrichtungen, die einen Reiz auslösen.
Meine Mandala- und Ausmalbücher schleppe ich natürlich nicht immer mit mir rum. Musik und Hörbücher auf meinem MP3 Player höre ich aber ständig. Viele Geräusche sind für mich sehr triggernd und ich erschrecke mich sehr bei lauten, plötzlichen Geräuschen. Nachts kann ich nur im Hellen schlafen. Dies ist nur eine Nachtlampe von vier anderen, die mir und traumatisierten Anteilen nachts Sicherheit schenken.
Skills um das Gehirn anzuregen. Zum Beispiel hilft es mir, im Raum herumzugehen, mir Gegenstände genau anzusehen und sie laut zu benennen. Die 5-4-3-2-1 Übung. Alle möglichen Denkaufgaben, wie z. B. alle Bundesländer aufzählen oder Rechnen.
Dienstag werde ich in der Klinik aufgenommen. Ich bin wirklich froh, dass ich nun endlich Hilfe bekomme, mache mir aber auch viele Gedanken und habe Angst vor dem Aufenthalt. Meine Ärztinnen haben mir gesagt, dass ich keine großen Anforderungen an mich stellen soll und die Ärzte der Klinik werden das auch nicht tun. Ich werde maximal drei bis vier Wochen dortbleiben. Wahrscheinlich werde ich mehrmals die Woche Einzeltherapie und Gestaltungstherapie bekommen. Wenn ich es aushalte, darf ich vielleicht auch noch Physiotherapie machen. Alle anderen Therapien würden mich überfordern. Zum Glück weiß ich schon, dass ich ein barrierefreies Einzelzimmer mit eigenem Badezimmer bekommen werde, das nimmt mir zumindest schon mal die Zimmerangst.
Da die Klinik in der Nähe von München liegt und ich aus Norddeutschland komme, werden meine Mutter und ich schon Montag losfahren und auf zweidrittel der Strecke Pause machen und im Hotel übernachten.
Jetzt geht es erstmal ans Packen. Dies ist mein vierter Klinikaufenthalt, somit weiß ich, was mich in etwa erwarten wird. Ich bin gespannt wie und ob ich mich dort anpassen kann. Auch mit dem Schlafrhythmus werde ich erstmal wieder zu kämpfen haben, weil ich in letzter Zeit nur noch tagsüber, wenn es hell ist, schlafen kann.
Während ich in der Klinik bin, wird hoffentlich der Umzug in meine neue Wohnung organisiert werden. Wenn ich wieder nach Hause komme, kann ich endlich in meine rollstuhlgerechte Wohnung.
Seit dem 1 Januar gibt es ein neues Pflegegesetz, das psychische Störungen besser berücksichtigt. Letztes Jahr wurde mein Antrag auf Feststellung einer Pflegestufe nach einer Begutachtung abgelenht. Nachdem ich und meine Mutter im Januar einen neuen Antrag gestellt hatten, war letzte Woche nochmal eine Gutachterin vom MDK bei mir zu Hause. Die Gutachterin war sehr nett, wohlwollend und umsichtig. Sie hatte sich offentsichtlich über die Dissoziativen Störungen einschl. DIS vorher informiert und sich vorher erkundigt, wie sie mit mir umgehen sollte: z. B. leise sprechen, nicht anfassen, Abstand halten. Das Gespräch dauerte ca. zwei Stunden, sie schaute sich die Wohnung an und ging mit uns einen Fragebogen durch. Die Entscheidung kam innerhalb weniger Tage. Ich habe den Pflegegrad 3.
Hier könnt ihr nachlesen, welche Voraussetzungen, welche Pflegegrade es gibt und wie hoch die Leistungen sind.
Ob jemand einen Pflegegrad bekommt, hängt nicht nur von den Diagnosen ab, sondern von den tatsächlichen Einschränkungen und wie sich diese auf das Leben auswirken. Es wird darauf geschaut, was man selbstständig tun kann, was mit Hilfe gelingt und was gar nicht funktioniert. Bei mir sind es eben körperliche und psychsiche Einschränkungen, die dazu führen, dass ich ganz viele alltägliche Dinge gar nicht oder nur mit Unterstützung tun kann. Ein kleines Beispiel: Ich kann kein Geschirr abwaschen. Dabei ist es egal, ob ich es nicht tun kann, weil ich nicht aufrecht stehen kann oder weil ich mich sehr vor Schmutz ekle oder weil ich keine komplexen Handlungen ausführen kann ohne dabei zu dissoziieren.
Natürlich habe ich mir mein Leben anders vorgestellt und ich finde es ziemlich schwer, die Situation, so wie sie jetzt ist zu akzeptieren. Aber die Leistungen der Pflegeversicherung helfen dabei, zusätzliche Betreuungsstunden zu bekommen, meine Mutter zu entlasten und hoffentlich bald in eine barrierefreie Wohnung zu ziehen. Im Moment verhandelt meine Mutter noch mit dem Sozialamt, welche Kosten für eine rollstuhlgerechte Wohnung übernommen werden. Wahrscheinlich müssen wir etwas zuzahlen, weil die Miete höher ist, als der "angemessene Satz". Eine barrierefreie Wohnung und vor allem ein rollstuhlgerechtes Badezimmer würden mir ein ganzes Stück zusätzlichen Freiraum gewähren und auch für meine Mutter wäre es eine Entlastung, weil ich mir z. B. mal selber einen Yoghurt aus dem Kühlschrank holen könnte.
Edit: Neuer Blogeintrag: Höherstufung meines Pflegegrades
Es wird mal wieder Zeit, euch meine neuesten "Erfolgserlebnisse" mitzuteilen.
Nach nur 18 Monaten, zwei Widersprüchen und einer Amtsärztlichen Begutachtung vor einem halben Jahr hat mir das Versorgungsamt nun eine Schwerbehinderung zugesprochen. Die Merkzeichen "B" - für ständige Begleitung und "aG" - außergewöhnliche Gehbinderung, so findet das Versorgungsamt, stehen mir nicht zu. Auch wenn ich den ganzen Tag im Rollstuhl sitze und keine 3 Meter gehen oder aufrecht stehen kann, auch nicht mit Gehstützen. Ohne Begleitung könnte ich noch nicht mal mehr zu meiner Therapeutin kommen. Da würde ich einen Parkausweis wirklich benötigen. Am Besten, meine Betreuerinnen parken in Zukunft auf Behindertenparkplätzen und legen einen Zettel ins Auto, worauf steht: "Ich bin Rollstuhlfahrerin, aber das Versorgungsamt verweigert mir den Parkausweis. Bitte beschweren Sie sich dort!" Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich eine Klage einreichen sollte (wofür ich überhaupt keine Kraft hätte), oder ein halbes Jahr warten sollte, um dann einen Verschlimmerungsantrag zu stellen. Mir kommen die Entscheidungen von den Versorgungsämtern sehr willkürlich vor, als ob sie den Grad der Behinderung und Merkzeichen auswürfeln würden. Das ist eine Mentalität wie: Wenn man es den Antragsstellern so schwer wie möglich macht, haben die eh keine Kraft mehr um sich dagegen zu wehren.
Die Anzahl der Absagen von Kliniken muss ich nochmal nach oben hin korrigieren. Meine Therapeutin hat bei über 40 Kliniken angefragt. Mit den Kliniken, bei denen ich und meine Mutter angefragt haben, sind wir bei über 50 Absagen. Vor zwei Wochen habe ich meine Anmeldung an eine Klinik in Bayern abgeschickt, die meiner Therapeutin eine mündliche Zusage gegeben hat. Jetzt warte ich auf deren Antwort und hoffentlich einen baldigen Aufnahmetermin.
Wie es danach weiter geht, ist noch völlig unklar. Wir haben unzählige Einrichtungen und Vereine angerufen. Entweder sind die Anforderungen an Mobilität und Eigenständigkeit viel zu hoch für mich oder es sind große Wohnheime, in denen Männer und Frauen in allen Altersstufen mit den unterschiedlichsten Krankheitsbildern betreut werden. Wie es aussieht haben wir alle Möglichkeiten ausgeschöpft, es gibt einfach keine passende Einrichtung für mich. Ich glaube langsam, ich muss mir meine eigene Einrichtung erschaffen.
Aber es gibt auch Positives zu berichten!
Der sozialpsychiatrische Dienst, mit dem meine Mutter auch vor kurzem über Wohneinrichtungen gesprochen hat, hat meine ambulante Betreuung nach Aktenlage weiter bewilligt. Ich muss also nicht zu einem schwierigen Hilfeplangespräch antanzen. Das nimmt etwas Stress raus. Ich bin froh, dass ich meine Betreuerin behalten kann.
Mit dem neuen Pflegegesetz konnten wir auch nochmal einen neuen Antrag auf einen Pflegegrad stellen. Leider muss dafür ein neues Gutachten vom MDK erstellt werden.
Nachdem ich letzte Woche aus der Praxis meiner Therapeutin über die Stufen getragen werden musste, schafft meine Therapeutin sich wahrscheinlich eine Rollstuhlrampe an, damit ich auch weiter die Praxis besuchen kann.
Auf dem Bild seht ihr unseren neuen Freund. Er ist speziell für Kindanteile gedacht, weil sie ein eigenes Kuscheltier haben wollten. Er oder sie - noch namenlos :D - ist schön weich, ganz kuschelig und die Kleinen freuen sich - und ich mich auch :) .
Wer krank ist, geht zum Arzt. Wer so richtig krank ist, geht ins Krankenhaus. Klingt einfach, ist es aber nicht!
Wer meinen Blog öfters liest, weiß, dass ich mich im August 2016 zu einem weiteren Klinikaufenthalt entschlossen habe. Seit fünf Monaten sind meine Therapeutin und ich nun auf der Suche.
Ich brauche einen Platz in einer psychiatrischen/psychosomatischen Klinik mit Ärzten, die Erfahrungen in der Therapie mit DIS Patienten haben. Die Klinik müsste barrierefrei sein und ich brauche ein Einzelzimmer. Außerdem müsste ich vor allem Einzeltherapie bekommen, weil ich nicht gruppentauglich bin. So weit so gut.
Wir haben mittlerweile bei ungefähr 25 Kliniken angefragt, ob sie mich aufnehmen würden. Bis jetzt habe ich nur Absagen bekommen. Von drei Kliniken warte ich noch auf eine Antwort.
Jeder, dem ich das erzähle ist fassungslos, "Das kann doch nicht wahr sein?!".
Die Ablehnungsgründe sind fast immer die gleichen. Es gibt nur wenige Kliniken, die überhaupt Patienten mit einer Dissoziativen Identitätsstörung/Multiple Persönlichkeit aufnehmen, da das Krankheitsbild sehr komplex und langwierig zu behandeln ist. Viele Kliniken sind in alten Gebäuden untergebracht, die sind zwar manchmal sehr schön, aber selten barrierefrei. Aber auch die baulich barrierefreien Krankenhäuser lehnen oft die Aufnahme mit einer Bewegungseinschränkung einfach ab, weil man damit nicht ins Konzept passt z. B. könnte ich nicht bei der Sporttherapie mitmachen. So, nehmen wir einmal an, ich habe eine Klinik gefunden, die mich mit der DIS und dem Rollstuhl aufnimmt. Dann kommt das nächste K.O.-Kriterium; ich kann nur flüstern und auch das kostet mich viel Kraft, manchmal kann ich auch das nicht und bin stumm. Blöd für eine Gruppentherapie! Die ist auch noch aus weiteren Gründen kaum möglich. Ich habe Angst vor Menschen, vor allem vor Fremden natürlich. Das blockiert mich so sehr, dass ich blitzschnell dissoziiere. Zuviele Reize auf einmal kann ich nicht verarbeiten. Wenn mehrere Menschen in einem Raum durcheinander reden, katapultiert mich das sofort ins Aus. Mit der Zeit sind so viele alltägliche Dinge zu einem Trigger geworden, dass ich in Gesprächen schnell abschmiere. Dann sitze ich entweder eingefroren wie in einer "Locked In" Starre da oder es tritt eine andere Persönlichkeit hervor und ich kann mich hinterher an nichts erinnern. Mit diesen Problemen passe ich nicht in die Konzepte der Kliniken, da alle gruppenorientiert arbeiten. Es kommt mir stark so vor, dass die meisten Kliniken absolut gar nicht bereit sind an ihren Konzepten zu rütteln und eine individuelle Lösung zu finden. Klar, der Kostendruck für Krankenhäuser ist riesig und Gruppentherapie ist eben viel günstiger als eine Einzelbehandlung. Kassenpatienten bekommen meist höchstens eine Einzeltherapiestunde pro Woche. Privatpatient müsste man sein.
Die verrückteste Voraussetzung, die bis jetzt gestellt wurde, war, dass ich vor Beginn der Therapie schon eine Zusage von einer betreuten Wohngruppe habe, für die Zeit nach der Klinik. So eine Wohngruppe zu finden ist noch schwieriger als einen Klinikplatz, es gibt wirklich nur ganz, ganz wenige für traumatisierte Frauen. Die Ablehnungsgründe sind die gleichen wie oben. Da beißt sich doch die Katze in den Schwanz. Was für eine Art von Unterbringung ich brauche, hängt davon ab, wie es mir geht, wenn ich aus der Klinik komme. Zurzeit bräuchte ich eine vollstationäre Einrichtung, weil ich weder einkaufen, noch kochen, noch sauber machen kann und es erst recht nicht schaffe für mich zu sorgen. Vielleicht bin ich aber auch irgendwann wieder so weit, dass ich in eine teilstationäre Wohngruppe ziehen könnte, in der ich nur tagsüber betreut werden würde.
Meine Therapeutin ist auf eine Ärztin gestoßen, die wirklich wusste wovon sie sprach. Sie sagte von sich aus, dass Gruppentherapie für DIS Patienten sowieso gar nicht geeignet ist. Für DIS Patienten ist es schon eine große Herausforderung, nur in der Klinik zu sein und am Alltagsgeschen teilzunehmen. Es wäre völlig falsch sich zu hohe Ziele zu setzen. Mein persönliches Ziel ist es eine bessere Kommunikation mit Anteilen aufzubauen, dies geht selbstverständlich nicht vor anderen Menschen, sondern bedarf viel Einzeltherapie. In der Gruppe ist nicht der Platz um mit traumatisierten Anteilen zu reden.
Ich weiß nicht, ob ich darüber lachen oder weinen soll, wenn man mir immer wieder sagt, dass ich einfach zu krank für eine stationäre Therapie bin. Das ist doch absurd!!!
Um überhaupt irgendwie weiter zu kommen, muss ich aber unbedingt in eine Klinik. Erstens, weil Therapie hier im familiären Umfeld gar nicht möglich ist, dazu muss ich einfach Abstand bekommen. Und Zweitens reicht natürlich eine Stunde ambulante Therapie pro Woche nicht ansatzweise aus. Nach der ambulanten Stunde komme ich nach Hause und bin allein und ungeschützt. Niemand ist da, wenn es mir schlecht geht, ich in Panik gerate oder switche (Persönlichkeiten wechseln). Also berühren wir in der Thapie keine schwierigen Themen und können nur stabiliserend arbeiten. Aber das ist ja auf Dauer nicht Sinn der Sache. Ein Weiterkommen ist also nur in einem beschützten Rahmen möglich. Auch wenn ich noch so viel Angst vor der Therapie habe und dieser Weg bestimmt nicht einfach wird, bin ich aber motiviert und möchte mein Bestes geben, eine Verbesserung zu erreichen.
Mit all diesen Absagen fühl ich mich ganz schön im Stich gelassen. Eigentlich ist unser Gesundheitssystem eines der Besten der Welt und trotzdem bekomme ich keine Hilfe, die ich so dringend benötige.
Mit drei Kliniken sind meine Therapeutin und ich noch im Gespräch. Eine Klinik in Bayern würde mich aufnehmen, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Ich könnte aber dort auch nur sechs Wochen bleiben, was bei Weitem nicht ausreicht, aber das wäre zumindest mal ein Anfang. Ich bin froh, dass diese Möglichkeit besteht. Sollten die drei Kliniken, mit denen wir noch im Gespräch sind absagen, wird meine Threapeutin eine zweite Runde beginnen und ausgewählte Kliniken nochmal anschreiben.
Hier läuft doch irgendwas falsch?!
Hier meldet sich mal Johannas Mutter zu Wort:
Ein Assistenzhund verursacht eine Menge Kosten für die Anschaffung, die Ausbildung und auch den laufenden Unterhalt, Versicherungen, Tierarzt etc. Über die Krankenkasse gibt es in der Regel keine Zuschüsse, außer für Blindenführhunde. Schön, wenn die Kosten durch Stiftungen, Spenden oder Fonds getragen werden. Manche AssistenznehmerInnen bezahlen die Kosten aber selbst oder Eltern, Partner oder andere Verwandte tragen die Kosten. Dann überlegt man natürlich, ob die Ausgaben für den Hund, genau wie andere Krankheitskosten von der Steuer absetzbar sind.
Die Kosten für Alecs Ausbildung und Unterhalt, die nicht über Spenden finanziert waren, habe ich bei meiner Einkommensteuererklärung als "außergewöhnliche Belastung" angegeben. Leider wurde das nicht anerkannt, in meinem Steuerbescheid steht:
"Die Aufwendungen für die Anschaffung, Ausbildung und Haltung eines Hundes konnten nicht berücksichtigt werden. Um diese Aufwendungen berücksichtigen zu können, ist es notwendig, vor Anschaffung des Hundes die medizinische Notwendigkeit durch einen Amtsarzt feststellen zu lassen".
Schade, dass wir das nicht vorher wussten, denn so ein Attest hätte man sicher bekommen können. Und das hätte eine Menge Geld gespart. Schließlich geht es hier nicht nur um die Anschaffung und das Training, sondern um alle laufenden Aufwendungen während eines ganzen Hundelebens!
Wer ganz am Anfang steht und über die Anschaffung eines Assistenzhundes aus Eigenmitteln nachdenkt, sollte die steuerlichen Auswirkungen unbedingt berücksichtigen, am besten beim Wohnsitzfinanzamt nachfragen. Evtl. kann auch der Schwerbehinderten-ausweis Voraussetzung sein, um die steuerliche Anerkennung zu bekommen.
Wichtig: Wenn der Kaufvertrag erst unterschrieben ist, dann ist es zu spät - diese Dinge müssen unbedingt vor dem Kauf und Abschluss des Ausbildungsvertrages geklärt sein.
(c) Judith Kraus
Wie geht es nun weiter, nachdem ich weiß, dass ich Viele bin? Diese Frage kommt oft in den Therapiestunden auf. Meine Therapeutin kenne ich nun seit ca. vier Jahren. Mir fällt es sehr schwer, Menschen zu vertrauen. Ganz zu Anfang bei meinen ersten Stunden mit meiner Therapeutin habe ich ihr gesagt, dass ich auf keinen Fall über meine Vergangenheit reden möchte. In den folgenden Jahren haben wir versucht, mich zu stabiliseren und haben meine Kindheit und Jugend weitestgehend ausgelassen. Weit kamen wir bei diesen Themen eh nie, wir konnten nichts bearbeiten, denn sobald wir auf die Themen zu sprechen kamen, kam von innen ein Verbot, ich dissoziierte, konnte und durfte nicht darüber sprechen. In der ganzen Zeit, in der ich in Therapie war, konnten wir somit nichts bearbeiten. Wir haben nur versucht, aktuelle Krisen und Schwierigkeiten zu bearbeiten. Aber auf die Dauer funktioniert das nicht, so komme ich nicht weiter. Kindheitstraumata holen mich immer wieder ein. Davonlaufen, sich einreden, dass da doch gar nichts war, Erinnerungen auf Dauer zu verdrängen und mich davon zu dissoziieren klappt eben nicht immer.
Meine Therapeutin und ich haben mit den Jahren eine sehr gute Vertrauensbasis aufgebaut. Ich weiß, dass sie mich sehr gut kennt und dass sie mich, wenn ich dissoziiere, zurückholen kann. Sie nimmt sich Zeit für mich und macht auch mal Überstunden, wenn ich während einer Therapiestunde dissoziiere. Selbst wenn ich zwei Stunden lang brauche wieder anzukommen. Bis jetzt konnte ich immer einigermaßen aufrecht aus der Praxis gehen bzw. rollern. Und doch haben wir noch die nötige, professionelle Therapeutin - Patientin Distanz.
Nun geht es mir ja schon sehr lange ziemlich mies und ich suche seit Monaten eine Klinik, die mich aufnimmt. Dies erweist sich ja als äußerst kompliziert. Diese Woche hat sich zum Glück eine Fachklinik, in der ich schonmal war gemeldet und mich zu einem Vorstellungstermin eingeladen. Es ist noch überhaupt nicht sicher, ob und wann sie mich aufnehmen. Nun kommt ein weiterer Gedanke, mit dem ich mich vor einem Klinikaufenthalt befassen muss: die Meinungen der anderen Persönlichkeiten in mir zur Therapie . Dies fällt mir sehr schwer, aber ich bin nunmal nicht alleine. Herauszuhören, was wer denkt ist Schwerstarbeit, nur wenige sind mir überhaupt bekannt bzw. machen sich bemerkbar oder schreiben mir. Die Meinungen gehen ziemlich weit auseinander. Mir persönlich geht es aber so schlecht, dass ein Klinikaufenthalt unausweichlich ist. Die Therapeuten haben mich schon darauf vorbereitet, dass manche Innies damit nicht einverstanden sein könnten und es wahrscheinlich auch deutlich machen werden. Davor habe ich große Angst, ich hoffe, dass wir in der Klinik, in einem geschützten Rahmen, ansatzweise lernen können, miteinander umzugehen.
Aber was kommt nach dem Klinikaufenthalt? Soll ich wieder zurück ins alte Umfeld gehen? Meine Mutter und ich sind uns sehr nah und innig, wir hocken aufeinander und meine Mutter opfert sich tagtäglich für mich auf. Unser Verhältnis ist eben kompliziert, mehr möchte ich darüber nicht preisgeben. Dass das nicht gut ist, wissen wir alle schon lange und die Therapeuten und Psychiater aus den Kliniken haben mir schon vor Jahren gesagt, dass wir mehr Abstand brauchen und ich in eine therapeutische Wohngruppe ziehen sollte. Meine Mutter ist aber auch nunmal meine einzige Bezugsperson. Meine Therapeutin hat mir auch oft ans Herz gelegt, eine Wohngruppe in Erwägung zu ziehen. Lange war das Thema ein rotes Tuch. Seit einigen Monaten habe ich mich mit dem Thema auseinander gesetzt.
Der vorläufige Plan ist, nach dem Klinikaufenthalt, in eine Wohngruppe zu ziehen. Wenn wir denn eine passende finden. Das heißt aber auch, dass meine Therapeutin und ich meine Therapie beenden würden. Bei meinem Termin diese Woche hat sie mich gefragt, wie ich es denn finden würde, sie nicht mehr zu sehen, den Abschied zu feiern und mir eine neue Therapeutin zu suchen. Als meine neue Diagnose bekannt wurde, sagte sie mir gleich, dass ich ihre erste DIS Patientin bin, sie aber auch viel Erfahrungen mit Traumapatienten hat und doch begab sie sich mit mir auf neues Eis. Es war von Anfang an klar, eben weil wir eine so gute Verbindung haben, dass wir es miteinander versuchen, sie mich aber an eine spezialisierte Therapeutin verweist, sollte sie nicht mehr weiter wissen, sie es überfordern oder wenn sie denkt, dass ich bei jemand anderen einfach besser aufgehoben bin. Ich kann mir es noch überhaupt nicht vorstellen meine Therapeutin nicht mehr zu sehen und mit ihr zu sprechen. Sie hat mir auch erzählt, dass sie einen kompletten Kontaktabbruch auch nicht gut finden würde. Bei Supervisionen bei Michaela Huber hat sie ihre Kollegen gefragt, die einen Kontaktabbruch auch nicht befürworten. Wir haben bereits darüber geredet, dass ich während des Klinikaufenthalts einmal die Woche mit ihr Emailkontakt haben werde.
Um voranzukommen muss ich wohl oder übel Abstand zu meiner Mutter bekommen und in eine Wohngruppe ziehen. Wirklich angefreundet habe ich mich mit dem Gedanken noch nicht.
Es ist jetzt schon mehrmals vorgekommen, dass ich auf Webseiten, Flyern, Spendenaufrufen etc. von anderen Leuten Formulierungen lese, die wortwörtlich oder minimal verändert mit den Texten, die ich geschrieben habe übereinstimmen. Ich wurde mehrmals gefragt, ob es in Ordnung wäre, sich an meinen Ideen zu orientieren. Dem habe ich immer zugestimmt. Das ist auch alles völlig in Ordnung und ich freue mich von ganzem Herzen für jeden der seinem Assistenzhund einen Schritt näher kommt.
Womit ich aber überhaupt nicht einverstanden bin, ist das Kopieren von Texten. Meine Texte sind größtenteils sehr persönlich und haben mich viel Schweiß, Tränen und Herzblut gekostet. Ich habe oft Stunden und Tage lang daran gearbeitet, bis alles so war, wie ich es haben wollte. Ich finde wir sollten alle solidarisch, respektvoll und freundlich miteinander umgehen. Wenn jemand einfach so mein geistiges Eigentum übernimmt und es als „sein Eigen“ ausgibt, verletzt mich das persönlich.
Vielleicht denkt ihr jetzt ich stell mich an, aber es gibt ein Gesetz (Urheberrechtsgesetz), dass das geistige Eigentum eines Autors schützt. Das Abschreiben von Texten ist tatsächlich gesetzlich verboten.
TRIGGERWARNUNG!
Es ist wieder ein weiterer Monat seit meinem letzten Blogeintrag vergangen. Ich schreibe so wenig, weil ich mich erstens so schlecht konzentrieren kann und einfach keine Kraft habe und zweitens, weil sich nichts verändert hat. Ich bin immer noch am Abgrund, auf der Suche nach Hilfe, einer Klinik die mich/uns aufnimmt.
Worte zu finden die meine derzeitige Situation beschreiben, fällt mir schwer. Ich bin sehr, sehr müde. Die Depression hat mich im festen Griff, ich kann nicht schlafen und habe Albträume. Dinge wie z. B. Socken anziehen, Haare wachsen/kämmen, transfer vom Bett in den Rollstuhl... sind so anstrengend, dass ich entweder Hilfe dabei brauche oder sie gleich lasse. Meine Essstörung hat sich mal wieder etwas neues ausgedacht, von den Fressattacken bin ich wieder etwas los, jetzt wird mir vor jeglichen Lebensmitteln schlecht. Durch die extreme Überempfindlichkeit von Geräuschen darf meine Mutter nicht mehr im selben Raum essen und trinken.
Die Zwänge nehmen zu, vorallem die Zahl 3 wird immer prägnanter. Meine Mutter brachte vor ein paar Tagen den Weihnachtsschmuck aus meiner Wohnung mit. Ich wollte eigentlich gar nicht schmücken, als er aber da war musste ich es tun, das ist aber völlig nach hinten losgegangen, weil alles nicht richtig stand und als ich gemerkt habe, dass wir es nicht richtig hinstellen können, nach meinem System, habe ich mich für lange Zeit im Schlafzimmer eingeschlossen. Die Zwänge nehmen immer aberwitzigere Ausmaße an, die völlig wahllos auftreten.
Aus der Wohnung gehe ich 1x die Woche um zu meiner Therapeutin zu gelangen. Die körperlichen Schmerzen sind kaum auszuhalten. Der Körper kann sich niemals entspannen, er ist immer angespannt. Geistig gebe ich alles um Kontrolle über den Körper zu behalten. Ich fühle mich so alleine, aber die Nähe von der einzigen Person die mir nahe steht kann ich nicht ertragen. Wenn sie da ist muss ich so dagegen ankämpfen die Kontrolle zu behalten. Andere Innies beißen sie sonst, ich weiß, das hört sich absurd an. Die Tage sind für mich immer nur Bruchstücke, die vielen Amnesien machen es mir unmöglich zu wissen was ich oder andere Innenpersönlichkeiten den ganzen Tag lang machen. Vor einigen Wochen konnte ich wieder flüstern, zwar nur sehr leise, aber wenn man hinhörte, konnte man mich ganz gut verstehen, das hat sich jedoch wieder verschlimmert, sodass ich wieder nicht zu verstehen bin. Den Glauben daran, dass ich wieder selbstsändig gehen kann, habe ich aufgegeben, ohne den Rollstuhl schaffe ich die paar Schritte vom Bett ins Badezimmer nicht.
In Bezug auf Alec und der ganzen Assistenzhunde-Geschichte plagen mich immer noch sehr starke Schuldgefühle, das macht den Selbsthass auch nicht besser.
Eine Ergotherapeutin war vor kurzem dreimal zum Hausbesuch da. Fremde Menschen in meinen sicheren Bereich zu lassen fällt mir unheimlich schwer, aber nach draußen in eine fremde Praxis zu gehen ging auch nicht. Meine Mutter war immer mit dabei. Beim zweiten Termin hat mir die Ergotherapeutin mitgeteilt, dass sie weg zieht. Nach kurzer Pause war vor zwei Wochen eine neue Ergotherapeutin da, die mich sofort von diesem Planeten wegtriggerte, weil sie eine gewisse Ähnlichkeit zu einer Täterin hatte. Somit hat es sich mit der Ergotherapie in meiner Wohnung auch erledigt, weil ich mich nicht mehr trauen werde, eine weitere Vertretung in meinen Bereich eintreten zu lassen.
Wie ich ja schon in einem der letzten Blogeinträge erwähnt hatte, gibt es nur eine Klinik, die mich aufnehmen müsste, sollte ich akute Suizidpläne entwickeln. Diese Klinik ist aber ein absolutes NoGo. (Dies ist keine Ankündigung, ich habe auch keine Pläne, aber es vergeht kein Tag an dem ich mich nicht erlöst wünschte). Vor fast vier Wochen hat meine Therapeutin bei einer Klinik angefragt, die nicht gleich abgelehnt hat. In dieser Klinik war ich 2012 schonmal und sie haben wohl auch Erfahrungen mit der DIS. Ich hatte sehr schnell meinen Bewerbungsfragebogen fertig ausgefüllt und abgeschickt, ich warte aber noch auf eine Antwort. Meine Mutter hat bereits zweimal angerufen, meine Unterlagen liegen noch beim Chefarzt. Meine Therapeutin wird sich nächste Woche erkundigen und auf die Dringlichkeit hinweisen.
In der Therapie haben meine Therapeutin und ich festgestellt, dass wir nichts bearbeiten können oder Probleme besprechen können, weil dies nur zusätzlich destabilisiert. Meine Therapeutin hat beim letzen Mal auch gesagt, dass sie findet, dass wir nur warten können. Auf eine Antwort von der Klinik! Auf ein Wunder? Feststeht, dass ich in einer verfahrenen Situation stecke, ohne Führung schaffe ich es da nicht raus und es wird von Tag zu Tag unerträglicher.
Von Tag zu Tag wird es aussichtsloser und mein Zustand verschlechtert sich zunehmend. Umso schlechter mein Zustand ist und die Symptome sind, umso weiter entferne ich mich von der Möglichkeit von einer Klinik aufgenommen zu werden. Ich frage mich, ob ich so jemals aus der Abwärtsspirale raus komme. Obwohl Deutschland ja eigentlich ein sehr gutes Gesundheitssystem hat, im Vergleich zu manch anderen Ländern. ... „Ich möchte doch nur in die Klapse.“
Trigger- und Jammerwarnung!
Lange Zeit habe ich einen weiteren Klinikaufenthalt strikt abgelehnt. Von meinen drei vorherigen stationären Aufenthalten habe ich viele schlechte Erfahrungen mitgenommen. Nun habe ich mich doch dazu entschieden, wieder in eine Klinik zu gehen, weil es so wie es jetzt ist, einfach nicht mehr weiter geht. Die niederschmetternden Antworten von 12 Kliniken, die meine Therapeutin angerufen hat war jedesmal: "Nein, mit einer Dissoziativen Bewegungsstörung und Dissoziativen Mutismus kann ich nicht aufgenommen werden". Die einzige Klinik, die mich aufnehmen muss, wäre meine hiesige Akutklinik. Dort gibt es hauptsächlich Vierbettzimmer und alle Krankheitsbilder werden auf einer Station zusammen geschmissen, auch fremdgefährdende und traumatisierte Menschen. Ich war 2012 schon einmal dort und es war einfach nur wie in einem schlechten Horrorfilm. Dort hinzugehen ist also absolut keine Alternative!
Es ist ganz klar, dass ich nicht alleine leben kann, weil ich es nicht schaffe, ausreichend für mich zu sorgen. Nach langem guten Zureden meiner Therapeutin habe ich den Gedanken zugelassen, in eine therapeutische Wohngruppe zu ziehen. Aber auch da stoße ich nur auf Ablehnung, weil die meisten Einrichtungen grundsätzlich nur stabile Menschen ohne Gehbehinderungen nehmen und ich dort zum Beispiel selbstständig einkaufen gehen müsste.
Seit Ende Juni sitze ich dauerhaft im Rollstuhl. An manchen Tagen schaffe ich es zu Fuß vom Sofa ins Bad zu gehen, an den meisten Tagen klappt noch nichtmal das. Auf dem Foto seht ihr meinen eigenen, maßangefertigten Aktiv-Rollstuhl, der zum Glück sehr schnell von meiner Krankenkasse genehmigt wurde und innerhalb von zwei Wochen geliefert wurde. Der dissoziative Mutismus (Unfähigkeit zu sprechen, ohne eine körperliche Ursache) besteht weiterhin, eine Kommunikation ist entweder nur mit Zettel und Stift möglich oder im sehr leisen Flüsterton.
Ich komme aus der blöden Krise, in der ich schon seit Juni stecke, einfach nicht raus. Seit Monaten hat mich die schwere Depression fest im Griff, mein Schlafrhythmus ist komplett aus dem Ruder geraten, ich habe chronische Suizidgedanken, vor Allem und Jeden habe ich panische Angst, ich dissoziiere ständig, die Zwänge werden immer mehr und ich habe fürchterliche Schmerzen. Ich bin so müde. Hilfe bekomme ich nur von meiner Therapeutin und meiner ambulanten Betreuerin und ihrem Stellvertreter, wofür ich sehr dankbar bin.
Ich habe viel darüber nachgedacht, ob dies wirklich eine Krise ist, denn eigentlich ist es zu einem Normzustand geworden. Ein Zustand, der über 2 Jahre anhält. Was sich wirklich seit Juni 2016 nochmal verstärkt hat ist, dass die Depression sich ordentlich verschlechtert hat (obwohl ich vorher auch dolle Depressionen hatte). Neu ist, dass ich dauerhaft im Rollstuhl sitze und nicht sprechen kann (diese Symptome traten vorher aber auch immer mal wieder, aber für kürzere Zeit auf). Alle anderen Symptome sind der ganz normale Alltag.
Ich habe nun einen Antrag auf Feststellung der Erwerbsminderung bei der Deutschen Rentenversicherung gestellt, da ich immer noch ALG 2 bekomme und alle 6 Wochen eine neue Krankschreibung von meinem Psychiater brauche. Es ist ja auch wirklich nicht abzusehen, dass ich in 6 Monaten wieder arbeitsfähig bin.
Vom Widerspruchsverfahren bei dem Versorgungsamt zur Feststellung der Schwerbehinderung habe ich immer noch nichts weiteres gehört, obwohl ich schon Anfang August bei der Gutachterin war.
Ich habe vor kurzem eine neue Stellungnahme meiner Therapeutin bekommen, dort steht zum ersten Mal die Diagnose Multiple Persönlichkeitsstörung schwarz auf weiß. Zwei Therapeuten haben die Diagnose unabhängig voneinander bestätigt. Es fällt mir jedoch sehr schwer mich damit abzufinden, sehr oft zweifle ich es an, viele zu sein.
Die Lage sieht also ziemlich besch*** aus und keiner weiß so richtig wie es weiter gehen soll. Ich bin mit meinen Kräften schon lange am Ende, aber irgendwie muss es ja weiter gehen, auch wenn ich keine Perspektive habe. Ich gehe weiter regelmäßig zu meiner Therapeutin und sie versucht mir zu helfen, damit ich fit für die Klinik werde. Etwas anderes bleibt mir ja auch nicht übrig.
Was soll ich sagen... ich bin immer noch sprachlos. Hätte ich nur auf mein allererstes Bauchgefühl gehört! Ich mache mir sehr viele Vorwürfe und mir tut es unendlich leid für Alec, was in der letzten Zeit vorgefallen ist.
Alec war für drei Wochen bei seinem neuen Besitzer in Nordrhein-Westfalen. Dort hat er mit einer Trainerin trainiert, die auch bei der Akademie für Assistenzhunde im Trainernetzwerk war. Sehr unvorbereitet bekam ich mit dem Ablauf der Rücktrittsfrist die Rücktrittserklärung vom Kauf - mit der Erklärung, dass Alec nicht geeignet sei und nichts könne. Zwei Trainerinnen der AfA hätten ihm angeblich dazu geraten, Alec zurückzugeben. Der Käufer sagte uns, dass Alec sich komplett verweigerte und nichts mehr machte.
Eine Woche später, an einem Freitag, wurde Alec zu uns zurückgebracht. Als Alec bei uns war haben wir natürlich nicht mit ihm gearbeitet, sondern ihm Ruhe gegönnt. Auf einem Spaziergang haben wir jedoch, weil wir neugierig waren, "Block" und "Check", das Absichern, ausprobiert und siehe da, an der Schleppleine ohne Leckerlies hat er es sofort ausgeführt. Am folgenden Sonntag haben wir Alec zurück zu unserer AfA Trainerin nach Schleswig Holstein gebracht, weil ich immer noch in der Krise stecke und es mir extrem schlecht geht. Alec durfte sich dort erstmal ausruhen und nun wird er von seiner vertrauten Trainerin weiter ausgebildet. Wir alle können die Aussage des Käufers und der dortigen Trainerin überhaupt nicht nachvollziehen, denn Alec arbeitet mit Freude. Das Absichern funktioniert auch bei ihr ohne Probleme. Natürlich gibt es noch viele Baustellen wie z. B. Leinenführigkeit, Dinge die noch verbessert werden müssen, bis er die Prüfung ablegen kann, aber er ist auch nunmal erst 1 Jahr alt und noch längst nicht fertig mit seiner Ausbildung!
Ich möchte gar nicht unterstellen, dass Alec sich nicht verweigert hat, das kann ich mir sogar vorstellen. Für das alles gibt es sicher eine plausible Erklärung. Alec hatte gerade seine Kastration hinter sich und die Hormonumstellung war in vollem Gange. In dieser Zeit lernte er in einer Probewoche in Schleswig Holstein den potentiellen Käufer kennen. Mein erstes Bauchgefühl war negativ, nach einem Gespräch mit dem Käufer, dachte ich, dass es doch gut passt und ich stimmte dem Kauf zu.
Danach zog er nach NRW um und zwei Tage später fing das Intensivtraining an, ohne Alec eine Eingewöhnungszeit zuzugestehen. Alles war neu für ihn. Er wurde ganz offensichtlich sehr überfordert. So wie Alec sich wieder bei unserer Trainerin zeigt, kann man ganz definitv sagen, dass es nicht an ihm lag, sondern an den Menschen! Dass der Käufer Alec für wesentlich weniger Geld als Familienhund behalten wollte, fanden wir alle jedoch ominös.
Alec wird nun weiterhin ausgebildet, zuerst werden alle ihm bekannten Aufgaben wiederholt. Mit der Zeit werden wir entscheiden, ob er vielleicht viel lieber z. B. für einen körperlich behinderten Menschen arbeiten möchte oder ob es doch noch zwischen uns hinhaut. Auf jeden Fall machen wir entspannt weiter, passen gut auf Alec auf und schauen, was er am liebsten machen möchte.
Alec geht es jetzt jedenfalls wieder richtig gut.
Er freut sich, dass er nach der Arbeit wieder mit seinen Kumpels und Kumpelinen spielen kann.
Natürlich besuchen wir ihn weiter regelmäßig und erfahren laufend, welche Fortschritte er im Training macht.
(Und welche Schuhe er zerbissen hat :D )
Update 30.09.2016 Alec ist wieder in Schleswig Holstein und wird weiter ausgebildet. Blogeintrag
Es fällt mir nicht leicht, euch die folgende Nachricht mitzuteilen und es zerreißt mir mein Herz, aber es ist das Beste für uns. Es ist schwer genug darüber zu reden, deshalb sage ich es einfach gleich. Alec ist nicht mehr mein Assistenzhund. Wir haben einen sehr netten und viel passenderen Mann, der ebenfalls eine PTBS hat, gefunden, der nun Alec’s Herrchen ist und dessen Leben hoffentlich durch den Schokobären erleichtert wird. Alec’s und meine Ausbildung wurde durch Spendengelder finanziert, deshalb möchte ich so transparent wie möglich sein.
Der Hauptgrund, den ich und meine Trainerin gesehen haben ist, dass Alec nicht mit uns auskommt und er sehr verwirrt ist. Ich habe eine Dissoziative Identitätsstörung, auch bekannt als Multiple Persönlichkeitsstörung. Nachdem Alec bei uns eingezogen war, haben immer mehr Innies (die anderen Persönlichkeiten, die sich den Körper teilen) Alec kennengelernt. Die meisten von uns, vor allem die Kleinen haben sich riesig über unseren neuen Hund gefreut. Leider gibt es auch welche, die mit ihm nicht klar kamen. Keiner von uns war jemals aggressiv gegenüber Alec, aber einige wollten keinen Kontakt. So - jetzt stellt euch mal vor: Ein Innie war sehr distanziert und ging ihm aus dem Weg und dann kommt plötzlich im gleichen Körper ein Kind hervor und möchte kuscheln. Da wäre jeder erst einmal total verwirrt und würde sich zurückziehen. So ging es Alec dann auch.
Alec ist nicht von Anfang an bei uns aufgewachsen. Ich (Johanna) habe ihn zwar oft mit meiner Mutter besucht, damit wir uns aneinander gewöhnen konnten, aber er hat die Anderen nie kennengelernt. (Ich kannte zu der Zeit auch nur wenige, erst im letzten Jahr haben sie sich mir so richtig vorgestellt und sich gezeigt. Auch wenn sie schon immer da waren, aber ich habe deren Stimmen als sehr eigenartige Gedanken gedeutet)
Alec hat sich mit jedem Switch zu anderen Innies weiter von mir entfernt. Es ist sehr eindeutig gewesen, dass er mit der Situation jedesmal überfordert war. Ich habe viel mit meiner Trainerin darüber geredet, sie ist wie wir der Meinung, dass wir Alec irgendwann damit kaputt machen würden. Das heißt nun nicht, dass es bei jedem Hund so ist, es gibt auch viele Assistenzhunde, bei denen man sieht, dass es kein Problem für sie ist.
Wir wollen alle das Beste für den Schokobären und ich möchte nicht, dass er durch uns irgendwann ein "Burn-out" hat.
Meine Trainerin sagt immer wieder, so einen coolen, unerschrockenden, sturköpfigen und dickfelligen Hund wie Alec hat sie noch nie gesehen. Es gibt fast nichts, was ihn schockieren kann, er ist willensstark und hat keine Angst. Das ist echt klasse für einen Assistenzhund, er zeigt einfach, dass man keine Angst haben muss, er ist ein großer Beschützer.
Für mich war es immer wichtig, dass mein Assistenzhund mir Sicherheit spendet und den Kontakt zu mir sucht und auch ein Kuschelhund ist. Auch wegen dem oben beschriebenen Punkt hatte sich Alec aber schon so weit von mir entfernt, dass er nicht mehr auf mich reagierte. Ob Panikattacke, Autoaggressives Verhalten, Dissoziationen, Albträume, Depressive Stimmung, von Alec gab es keine Reaktion. Natürlich dauert es, bis ein Hund eine gewisse Bindung aufbaut und lernt wie er reagieren kann. Jedoch hat Alec eher den Raum verlassen, wenn es mir schlecht ging. Auch wenn ich versucht habe ihn "zu nutzen" (mich zu ihm kniete und ihn streichelte), stand er auf und verließ die Situation. Das hat in uns sehr viele Konflikte ausgelöst und die Zustände eher noch verschlimmert.
Auch unterwegs, beim Training oder beim Spazierengehen, konnte Alec sich deswegen immer weniger auf mich einstellen und war mir keine Hilfe. Die Sensibilität, zu merken, wenn es mir schlecht geht, kann man einem Hund halt nicht antrainieren, entweder er hat sie oder eben nicht.
Dazu braucht er dann noch den Willen, dann für mich da zu sein anstatt "sein Ding zu machen".
Dazu kommt noch, dass ich zu wenig Kraft für Alec hatte. Er ist ein großer, stämmiger Hund und ich, die durch die Bewegungsstörung dauerhaft geschwächt bin, komme gegen ihn nicht an. Bei der Arbeit ist er bei mir immer sehr gut und zuverlässig an der Leine gelaufen. Arbeit und Freizeit konnte er klar unterscheiden. In seiner Freizeit ist er manchmal auch wie ein Lamm an meiner Seite gegangen, aber er ist eben ein junger, lebendiger, lebenslustiger Hund, der auch mal hinter einem Vogel hinterherspringt und vergisst, dass er mich damit glatt umschubsen kann. Da ich mich ja umfangreich vorher informiert habe, war mir klar, dass er ein Junghund ist und ich möchte auch keinen Roboter. Trotzdem geriet ich beim Spazierengehen, vor allem wenn ich mit ihm allein war, oft in schlimme Zustände, weil ich damit total überfordert war.
Die letzten 8 Wochen konnte ich auch leider gar nicht mehr mit ihm raus gehen, da ich seitdem im Rollstuhl sitze. Außerdem hällt der Sprachverlust weiterhin an, sodass ich mit Alec nur noch mit Handzeichen kommunizieren konnte. Meine Therapeutin und ich sind uns sicher, dass die Überforderung mit Alec der Auslöser für die Bewegungsstörung war.
Ich glaube, dass durch Alec's Verwirrung mit den Innies und meine generelle Überforderung mit der Gesamtsituation keine wirkliche Bindung entstehen konnte. Es weiter zu versuchen hätte es nur noch schlimmer und schmerzhafter gemacht.
Am 8.9. habe ich ein Vorgespräch auf einer Traumastation, in der ich hoffentlich so schnell wie möglich aufgenommen werde. Der erste weitere Schritt ist also ein stationärer Psychiatrie-aufenthalt. Ich habe viele Baustellen, um die ich mich, bevor ich an einen neuen Hund denken kann, kümmern muss. Das Ziel ist mehr Stabilität.
Wenn sich das alles geklärt hat, werde ich mir Zeit mit der Suche nach einem geeigneten Hund nehmen. Ich glaube nach wie vor, dass mir ein Assistenzhund helfen kann mich beim Leben zu unterstützen. Der Plan ist, einen Welpen bei mir/uns aufzunehmen, damit der Welpe gleich das Leben mit einer Multiplen kennenlernt. Zusammen mit meiner Trainerin, die mich weiter intensiv begleitet, werde ich dann meinen Hund selbst ausbilden. Es ist aber ganz klar, dass wir erst einen neuen Hund bekommen, wenn wir ein gutes System entwickelt haben, in dem eine Kommunikation und ein Zusammenleben möglich ist. Zudem werden wir auch nicht alleine mit einem Welpen leben. Im Vordergrund steht immer das Wohl des Hundes.
Vielen Dank nochmal an alle Unterstützer und für den moralische Beistand. Bitte seid mir nicht böse, dass ich auf Nachrichten nicht antworten kann. Uns geht es ausgesprochen mies. Die Entscheidung war wahrlich keine leichte. Aber ich weiß, dass es für Alec das Beste ist. Wir passten einfach nicht so zusammen, wie ich es mir so lange Zeit gewünscht habe. Die Einsicht, dass es mit uns nicht klappt war extrem schmerzlich.
An alle, die mir in den letzten Wochen eine Nachricht geschrieben haben: ich habe Euch nicht vergessen. Mein Zustand ist gerade nur so mies, dass ich das Beantworten momentan nicht schaffe.
Am Mittwoch hatte ich einen Termin bei meinem Psychiater. Bei ihm wollte ich ein Rezept für einen Aktiv-Rollstuhl. Er „wusste“ nicht wie das geht, deshalb meinte er, ich solle zu meiner Hausärztin gehen, bei der ich schon über ein Jahr nicht mehr war. Dort hat meine Mutter angerufen und sie hat uns verständlicherweise „einen Vogel gezeigt“. Mein Psychiater ist dafür zuständig und solche billigen Ausreden zählen nicht. Meine Mutter war im Sanitätshaus und hat sich beraten lassen und weiß nun genau, was er auf das Rezept schreiben muss. Ich hoffe sehr, dass er mir das Rezept nun ausstellt.
Am Montag war eine Frau von meiner Krankenkasse da, weil wir Pflegegeld für mich beantragen. Das Gespräch war eigentlich positiv, außer, dass sie mich wie ein Kleinkind behandelt hat. Zitat: „Dann kannst du deine Mama fragen, ob sie dir dabei hilft“. Ich möchte immer noch wild um mich schlagen, wenn ich daran denke. Ich bin zwar psychisch krank, aber ich bin immer noch (meistens) eine erwachsene Frau, die voll zurechnungsfähig ist!!!
Das Widerspruchsverfahren beim Versorgungsamt läuft immer noch. Mein Anwalt hat noch keine weiteren Informationen, ob ich nun einen höheren GdB als 40 bekomme und ob ich dazu die Merkzeichen B (Begleitperson) und G (Gehbehinderung) bekomme.
Ich möchte Euch die Geschichte vom heutigen Tag erzählen. Nachdem ich nun seit 4 ½ Wochen stumm bin und wegen der blöden Dissoziativen Bewegungsstörung im Rollstuhl sitze und eine schwere Depressive Phase durchmache und sehr gegen die Lebensmüdigkeit kämpfen muss, bin ich heute, gedrängt durch meine Schuldgefühle, durch das Futterhaus und einen Baumarkt getorkelt. Der geliehene Rollstuhl passt nicht in unseren kleinen Ford Fiesta, deshalb muss ich, auch wenn ich so vor mich hin knicke, zu Fuß laufen. Schuldgefühle habe ich, weil ich durch die momentanen Symptome immer noch viel zu wenig mit Alec machen kann. Somit kam ich auf die glorreiche Idee, in Läden zu trainieren. Nun ja, Alec hat es eigentlich ziemlich gut gemacht, am Anfang war er mit seiner Nase noch zu sehr am Boden. Aus dem Baumarkt bin ich zum Schluss geflüchtet. Seitdem ist das Gefühl in den Beinen wieder komplett weg, mir fällt es schwer, mich sitzend aufrecht zu halten. Seit den 4 ½ Wochen wohne ich bei meiner Mutter, in ihrer 2 Zimmerwohnung, weil meine Wohnung im dritten Stock liegt. Im Haus meiner Mutter gibt es zum Glück einen Fahrstuhl, den ich mit Angst nutzen kann. Die Wohnung ist zwar im Erdgeschoss, aber trotzdem muss man 6 Stufen bewältigen. Wie an so vielen anderen Tagen, war der blöde Fahrstuhl jedoch heute mal wieder kaputt. Wir kamen also vom Baumarkt nach Hause und ich musste die Stufen rauf, aber meine Beine wollten mich nicht tragen.
Wir haben erstmal gewartet und überlegt, wie wir es anstellen, in die Wohnung zu kommen.
Der Hausmeister und die Firma, die für den Fahrstuhl zuständig sind, waren nicht zu erreichen. Also haben wir erstmal einen Spaziergang mit Rolli gemacht, in der Hoffnung, dass ich danach zumindest ein bisschen mehr Kontrolle über meine Beine habe. Dem war auch nicht so, aber wir wollten alle in die sichere Wohnung. Ich habe mich im Treppenhaus aus dem Rolli fallen lassen müssen und habe eine Ewigkeit gebraucht, um mich auf den Stufen sitzend rückwärts mit den Armen die Treppen hoch zu drücken. Zwischendurch kamen Nachbarn vorbei, die sich an mir vorbei gedrängelt haben, wodurch ich innerlich sehr große Panik und Schamgefühle bekam. Im Nachhinein finde ich es eigentlich ziemlich lustig, aber das war eine der peinlichsten und blödesten Situationen die ich in letzter Zeit durchgemacht habe.
Wieder mal ein kleines Update zu uns. Mir geht es immer noch sehr bescheiden. Ich bin seit drei Wochen nun stumm und brauche immer noch den Rollstuhl um mich fortbewegen zu können. Die Depression hat die Zügel auch angezogen. Viel Training mit Alec konnte ich deswegen leider nicht machen. Ich versuche immer, kleine Übungen zu Hause einzubauen. An Alec merke ich total wie ihm das Trainieren fehlt. Ich habe einen kleinen Schnüffelteppich gebastelt, damit er was zu tun hat. Meine Mutter muss weiterhin das Gassigehen übernehmen, manchmal schiebt sie mich mit, aber das ist sehr anstrengend für sie. Alec freut sich immer, wenn er merkt, dass ich mal wieder mitkomme.
An zwei Tagen habe ich es geschafft, durch einen Laden zu gehen, danach sind mir die Beine aber sofort wieder weggeknickt. An einem Tag waren wir im Futterhaus und an einem anderen sind wir durch einen Baumarkt gelaufen, Alec war dabei einfach spitze. Da ich ja so wenig mit ihm trainieren kann, hätte ich das gar nicht gedacht, aber er hat nicht einmal irgendwo dran geschnüffelt und lief die ganze Zeit ruhig neben mir und hat super geblockt.
Gestern waren wir am Vormittag das erste Mal bei einer Hundespielgruppe, die von einer Hundetrainerin geleitet wird, Alec ist super sozial und hatte riesen Spaß mit den vielen Hunden zu spielen, das hat ihm sehr gefehlt. Nach über einem halben Jahr war ich gestern Abend mit meiner Mutter und Alec beim Friseur. Die Frauen sind unglaublich freundlich und verständnisvoll. Weil ich Angst vor Spiegeln habe, wurde der Spiegel für mich extra abgedeckt. Es hat aber leider alles nichts gebracht, weil angefasst zu werden und Menschen, die durcheinander reden und hinter mir umherlaufen für mich unerträglich sind. Deswegen bin ich komplett abgeschmiert und war für einige Zeit erstarrt (Dissoziativer Stupor). Das passiert mir ja sehr häufig, aber da war mir das extrem peinlich. Nachdem Alec sich zuerst sehr ablenken ließ, lag er neben meinem Stuhl. Er ist noch nicht soweit, dass er Dissoziationen erkennt. Meine Mutter hat ihn dazu gebracht, Kontakt mit mir aufzunehmen, an meinen Händen zu schlecken und mich mit der Pfote anzustubsen. Dadurch kam ich wieder etwas mehr in den Körper zurück und konnte ihn dann streicheln. Ich habe mich zu ihm auf den Boden gesetzt und ihn mit Leckerlies dazu gebracht, dass er sich mit mir beschäftigte und sich auf mich legte. Alec und ich brauchen einfach noch mehr Zeit, eine engere Bindung aufzubauen, damit Alec auch Dissoziationen bemerkt und Lust hat, selbstständig den Kontakt zu mir aufzunehmen.
Sonntag fahren wir endlich mal wieder nach Lindau und besuchen unsere Trainerin und die ehemalige Patenfamilie, in der Alec aufgewachsen ist. Das wird bestimmt schön, wenn Elvis und Alec sich wieder sehen, die waren ja von Anfang an beste Hundekumpels. Ich hoffe es klappt mit der Verständigung, denn momentan sieht es nicht so aus, als würde bis dahin meine Stimme wieder kommen.
Nächste Woche besucht uns eine Angestellte meiner Krankenkasse, denn wir wollen Pflegegeld beantragen.
Der erste von zwei Trainingstagen mit unserer lieben Trainerin ist vorbei. Meine Wünsche wurden leider nicht erhört, weder das Gefühl in den Beinen noch meine Stimme kam zurück. Zum Glück war Kathrin auf meinen Zustand vorbereitet und hatte einen Rollstuhl im Gepäck. So konnten wir auch gleich das richtige Gehen an einem Rollstuhl üben. Dazu haben wir mit dem fahrbaren Untersatz in einem Tierfachgeschäft und in einem Baumarkt geübt. Am Abend waren wir noch in einem Restaurant. Wir sind jetzt alle ziemlich erschöpft und müde, aber es war für mich schön, nach fünf Tagen, endlich wieder draußen sein zu können. Morgen geht's für uns erstmal zum Hühnerstall und danach versuchen wir noch Ladentraining zu machen.
Das war eins der anstrengensten Trainings, die er je hatte. Vögel und alle anderen Tiere mit Flügeln sind für Alec sehr interessant, da müssen wir noch etwas am Jagdtrieb arbeiten. Unsere Trainerin saß mit Alec ca. zwei Stunden vor dem Hühnerstall, mit einer bewundernswerten Ruhe und Geduld. Danach war der junge Herr völlig fertig.
Hühner jagen darf man nicht!!! Ca. 2 Stunden Hühner anschauen und sich dabei entspan-nen und nicht hinterher laufen, war sehr anstrengend für ihn. Nach dem Training durfte Alec Stress abbauen und mit einem anderen Hund spielen, dabei ist er so unbedacht umher gelaufen, dass er sich im wahrsten Sinne des Wortes, ordentlich auf die Schnauze gepackt hat. Es ist aber zum Glück nichts Schlimmes passiert, nur ein großer Schockmoment für alle.
Alec begleitet mich zur Therapie und zu meinem Psychiater. Dabei liegt er ganz entspannt neben mir und hilft mir im Hier und Jetzt zu bleiben.
Ich muss da mal was loswerden. In den letzten Wochen habe ich ja recht wenig über uns geschrieben, vor allem weil ich Angst habe jemanden mit meinen ganzen Sachen zu nerven oder gar zu triggern. Aber ich muss jetzt echt mal sagen, dass ich wirklich so froh bin, meine Mutter zu haben, die mich unterstützt. Nur weil Alec jetzt da ist, heißt es ja nicht, dass plötzlich alles besser ist. Eher im Gegenteil, versteht mich nicht falsch, ich habe meinen Schokobär sehr in mein Herz geschlossen. Das Rausgehen, Menschen auf der Straße begegnen, das Assistenzhundetraining und das ganz normale Hundetraining hat mich sehr überfordert. Ich habe sehr große Selbstzweifel, die anderen Personen in mir veranstalten ein riesen Chaos und ich habe große Angst, Alec nicht das bieten zu können, was er braucht. Hätte ich meine Mutter nicht an meiner Seite, wüsste ich nicht was jetzt passieren würde. Vor allem auch in der Hinsicht, dass ich mal wieder komplett flach liege, stumm bin und kein Gefühl in meinen Beinen habe. Ich brauche immer wieder sehr intensive Hilfe z. B. eben auch dabei, vom Sofa auf den Bürostuhl zu kommen (der als Rollstuhl dient). Da wird mir wieder sehr bewusst, wie wichtig es ist eine Begleitperson zu haben, wenn man sich für einen Assistenzhund entscheidet. Ich möchte natürlich so viel wie irgendwie möglich selber machen, aber ohne sie würde ich jetzt z. B. auch nicht wissen wie ich mit Alec Gassi gehen könnte. Danke Mama, ich bin froh, dass es dich gibt!
Nach ein paar Tagen, die nicht so gut liefen und an denen ich große Selbstzweifel hatte, hatten wir heute Morgen wieder ein sehr gutes Training. Gemeinsam mit meiner Mutter sind Alec und ich zu meinem Psychiater gegangen; der in der Innenstadt ist. Das „Fuß“ laufen ging recht gut und Alec war gut im Arbeitsmodus. In der Praxis lag Alec ganz ruhig neben mir und sprang noch nicht mal auf als mein Psychiater rein kam. Danach haben wir uns noch kurz in ein Café gesetzt. Dort hatte ich stark zu kämpfen, nicht zu dissoziieren. Die vielen verschiedenen Geräusche in der Stadt überfordern mich immer sehr. Aber auch dort lag Alec die meiste Zeit entspannt neben mir, er setzte sich nur manchmal auf, um zu schauen ob alles ok ist. Jetzt sind wir wieder zu Hause und der Schokobär schnarcht den Schlaf der Gerechten.
Das Leben mit Alec hat ganz schön viel verändert und ich möchte Euch natürlich auf dem Laufenden halten.
Mit jedem Tag kommt etwas mehr Routine in das Leben mit Hund, obwohl es für mich, die noch nie einen eigenen Hund hatte, noch eine riesen Ausnahmesituation ist. Ich trainiere fast täglich mit Alec und mittlerweile habe ich mich auch schon mehrmals getraut, alleine an einer belebten Straße zu üben. Ich habe mir schon oft vorgenommen alleine vor einem Supermarkt zu trainieren, aber da hat mich dann doch die Angst zu sehr im Griff. Alec geht jetzt schon ziemlich schnell und verlässlich in den Arbeitsmodus über, wenn er die Kenndecke trägt. Alec während der Arbeit und Alec während der Freizeit sind zwei ganz unterschiedliche Charaktere.
Wenn ich mit meiner Betreuerin beim Bäcker sitze, verhält Alec sich mustergültig. Mit meiner Mutter war ich wieder in einem Tierfachgeschäft und habe den Einkauf geschafft. Beim Einkauf in einem Drogeriemarkt war Alec zu 100 % auf mich konzentriert. Zwar konnte ich nur einige wenige Minuten in dem Laden aushalten, bis die Luftnot und Dissoziation anfing, aber in der Zeit hat Alec sich einfach klasse verhalten. Die Kommandos „Block“ und „Check“ um mich von hinten und vorne abzusichern, führt er total zuverlässig aus. Er kam nicht mal auf die Idee an etwas zu schnüffeln. Außer bei Dissoziationen reagiert Alec jedes Mal, wenn es mir nicht gut geht: schaut mich intensiv an, kommt zu mir, stubst mich mit der Schnauze an und drückt seinen Körper an mich. Das macht er, ohne dass ich ihn dazu animiere.
Er ist wirklich sehr pflegeleicht. Ein 10 1/2 Monate alter Hund kommt natürlich manchmal auf ein paar dumme Ideen, aber lange kann man ihm ja auch nicht böse sein. Am Samstag haben wir Alec’s Hundekumpel Casbah besucht, das tat Alec sehr gut, dort konnte er endlich mal wieder frei toben und spielen.
Ich mache ganz neue und für mich unvorstellbare Erfahrungen mit Alec. Da er mich ja momentan noch sehr austestet, muss ich auch des Öfteren mit ihm schimpfen und ihm Grenzen zeigen. Heute habe ich mit ihm draußen trainiert, aber die Situation völlig falsch eingeschätzt und habe uns beide dabei total überfordert. Für mich ist es unbegreiflich, dass Alec trotzdem bei mir bleiben möchte und mir weiterhin auf Schritt und Tritt folgt. Denn für mich heißt „etwas falsch machen“ oder „böse sein“ kompletter Kontaktabbruch, Abstoßung und Hass. Dass Alec mir trotzdem nicht von der Seite rücken möchte, obwohl ich Fehler mache, lässt mich mein kleines, verworrenes Hirn noch nicht wirklich begreifen.
Alec ist jetzt seit fast einer Woche bei mir und es ist anstrengend und toll zugleich. Mein Tagesablauf hat sich natürlich komplett verändert. Jeden Morgen steht jetzt eine schwanzwedelnde Grinsebacke vor mir. So wie ich es mir auch vorstellte, ist das Schwierigste für mich das mehrmals tägliche Rausgehen. Ich bin schon ein paar Mal im panischen Laufschritt nach Hause gelaufen. Aber gleichzeitig ist es auch schön draußen, vor allem, wenn ich Alec sehe wie er sich freut. Durch meine Anspannung und Unsicherheit bei Spaziergängen müssen wir noch ein bisschen an Hunde- und Menschenbegegnungen feilen. Er hat mich schon ein paar Mal aus Albträumen geweckt und bei Panikattacken reagiert er auch schon. Wir lernen uns jetzt erst so richtig kennen, gerade testet mich Alec natürlich noch sehr aus. Gut, dass ich ein Steinbock und deshalb auch sehr stur bin. Er kommt von Tag zu Tag immer öfter zu mir, um zu kuscheln, das ist sehr schön.
Freitag hatte meine Mutter Geburtstag und zum feierlichen Anlass waren wir zusammen in einem Restaurant. Es war eine große Überwindung und Anstrengung, aber mit Alec blieben wir etwa zwei Stunden im Restaurant. Zu Hause trainieren wir auch immer wieder und mit meiner Mutter sind wir durch ein Bekleidungsgeschäft gegangen. Dabei hat Alec sich toll verhalten. Für Montag habe ich mir fest vorgenommen, zusammen mit meiner Betreuerin zu Fuß zu meiner Therapeutin zu gehen und auf dem Weg zu trainieren. Ich bin gespannt wie es weitergeht!
Das dreitägige Übergabe-Training ist nun vorbei. Wir haben viel gelernt und ich bin dabei ziemlich an meine Grenzen gekommen. Dienstag waren wir beim Bäcker, in einem Klamottenladen, bei einem Tierfachgeschäft und bei Alec's neuer Tierärztin. Heute waren wir nochmal beim Bäcker und sind den Weg zu meiner Therapeutin abgelaufen. Dabei haben wir immer wieder seine bisher gelernten Assistenzleistungen wiederholt. Jetzt sind wir beide total erschöpft und versuchen uns zu entspannen. Ich bin wirklich froh, dass er hier ist und er weicht mir auch nicht mehr von der Seite. Wir passen einfach super gut zusammen.
Hier ein kleines Update zu unserem ersten Einarbeitungstag. Seit heute Vormittag um 11:02 Uhr sind die Trainerin und Alec da. Alec hat vor Freude mich zu sehen unsere Trainerin fast umgerissen 😂😊. Zuerst haben wir einen schönen Spaziergang im Wald gemacht. Danach sind wir zu Media Markt gefahren. Als ich im Laden eine Panikattacke hatte, hat Alec zum ersten Mal von sich aus den Kontakt zu mir gesucht, schleckte mich ab, lehnte sich an mich und ließ sich streicheln, so hat er mir wirklich sehr geholfen. Bei solchen Situationen war er zuvor immer noch etwas unsicher und war sich nicht genau sicher wie er reagieren soll. Er hat das wirklich toll gemacht. Das Absichern war auch super, vor allem als wir an der Kasse standen, auch wenn ich mich nur noch verschwommen daran erinnern kann. Zu Hause haben wir noch einen Trainingsplan für Juni besprochen und aufgeschrieben. Wir hatten einen sehr erfolgreichen und anstrengenden Tag. Die Einarbeitung geht noch weitere zwei Tage. Ab Donnerstag fängt dann mein Leben mit Alec so richtig an.
Im August letzten Jahres habe ich mich überwunden, einen Antrag bei dem Versorgungsamt auf Feststellung der Schwerbehinderung zu stellen. Das fiel mir wahrlich nicht leicht, wer möchte schon mit 24 Jahren als schwerbehindert gelten?! Dennoch denke ich, dass ich einen Schwerbehindertenausweis brauche, damit ich weniger Probleme mit dem Zutritt in Geschäften bekomme. Besonders das Merkzeichen B (Begleitperson) ist mir wichtig, da ich auf ständige Begleitung angewiesen bin. Obwohl ich immer wieder durch die Dissoziative Bewegungsstörung nicht gehen kann, weiß ich jetzt schon, dass ich keine Chance habe das Merkzeichen G (Gehbehinderung) zu bekommen.
Im Februar 2016 habe ich den Bescheid bekommen. Mir wurde eine Behinderung bei seelischen Leiden mit 30 GdB (Grad der Behinderung) zugestanden. Das war eine ziemliche Backpfeife! Immer wieder muss ich festellen, dass psychische Erkrankungen nicht ernst genommen werden. Nur weil man mir das Handicap nicht an der Nasenspitze ansieht, heißt es nicht, das ich nicht extrem eingeschränkt bin. Meine Ärzte fanden das auch sehr unverständlich, denn auch sie hatten meinen Zustand genau geschildert und meinen Grad der Behinderung wesentlich höher eingeschätzt.
Ich legte also Widerspruch ein und schrieb ganz genau und unverblümt auf, wobei und welche Einschränkungen ich habe. Das wurde eine sehr lange Liste. Ich musste wieder drei Monate warten, bis ich den Bescheid bekam. Da kam der nächste Schlag: wieder seelisches Leiden mit 40 GdB. Somit bekomme ich auch nicht das Merkzeichen B (Notwendigkeit von ständiger Begleitung). Bei der beigefügten Erklärung sah jeder, dass der zuständige Arzt null Ahnung von meinem Fall hatte und etwas völlig Unpassendes dazu geschrieben hatte.
Ich schaltete also einen Anwalt ein (bzw. meine Mutter erledigte das). Nachdem er mit meiner Mutter ein langes persönliches Gespräch geführt hatte, war er auch der Ansicht, dass bei mir eine "Schwere Anpassungsstörung" vorliegt, was eine Schwerbehinderung begründet. Er holte sich also meine Akte vom Versorgungsamt und prüfte sie.
Nun ist er mit der Prüfung fertig und kam zu dem Schluss, dass das Versorgungsamt Zitat "ungenau gearbeitet" hat. Denn aus den Unterlagen kam noch nicht mal heraus, ob sie überhaupt alle meine Diagnosen und Einschränkungen kennen.
Jetzt müssen wir schauen, ob das Versorgungsamt im Widerspruchsverfahren meinen GdB erhöht, oder ob wir eine Klage einreichen müssen. Dafür habe ich eigentlich überhaupt keine Kraft. Mir kommt es so vor, als würde das Versorgungsamt erst einmal immer viel zu wenig GdB feststellen und hoffen, dass der/die Betroffene nicht weiter nachfragt. Wieso legen sie kranken Menschen wie mir solche Steine in den Weg?
Ich hoffe sehr, dass ich nicht vor Gericht gehen muss und halte Euch auf dem Laufenden.
Gestern war ich ein letztes Mal zu Besuch und zum Training bei Alec, bevor er endgültig bei mir einzieht. In den letzten vier Wochen ging es mir sehr schlecht und die Sehnsucht nach ihm war riesig. Alec hat sich nochmal äußerlich etwas verändert. Sein Fell glänzt total schön und am Kragen ist das Braun noch ein bisschen heller geworden und schaut fast etwas kupfer-farben aus. Ein hübscher Kerl!
Er hat sich wieder total gefreut als ich ankam und lag beim Kaffeetrinken die meiste Zeit an meinen Füßen. Er hat das Kraulen merklich genossen und für mich war es auch sehr beruhigend und schön.
Gegen Nachmittag sind wir nach Eckernförde gefahren, um noch etwas zu trainieren. Zuerst waren wir in einem Tierfachgeschäft, das ist natürlich durch die ganzen Gerüche echt fies für Alec. Er braucht immer ein paar Minuten Zeit, bevor er in den Arbeitsmodus übergeht, um zu verstehen, dass er jetzt nicht mehr schnüffeln darf. Das Absichern klappt super gut. Zwischen Ochsenziemer und Kauknochen konnte ich ihn ablegen und mich von ihm entfernen, ohne dass er aufgesprungen ist und sich an den leckeren Sachen bedient hat. Die Kaninchen und Meerschweinchen fand er sehr interessant. Gucken darf er ja. Dort habe ich ihn auch abgelegt. Ich bin wirklich stolz auf ihn und ich kann ihm vertrauen.
Danach sind wir noch etwas auf dem Fußgängerweg vor einem Lebensmittelgeschäft umhergelaufen. Es war dort sehr voll und ich schaffe es noch nicht, in Läden reinzugehen. Wir haben uns einen Einkaufswagen geschnappt und sind damit noch etwas auf dem offenen Parkplatz umhergegangen. Alec musste locker neben mir gehen und sich bei Straßen absetzen und erst weitergehen, wenn ich „Ok“ sage. Zuletzt haben wir noch das „An der Kasse stehen“ geübt, dabei musste Alec mich von hinten absichern. Danach haben wir noch einen Kaffee bei einem Bäcker getrunken. Wir saßen draußen. Alec lag die ganze Zeit neben mir bzw. mit seinem Körper an mich gelehnt. Auf Kommando hat er immer mal wieder mein Bein mit seiner Pfote angestupst und auf Kommando gebellt. Dieses ganze Training ging 30 Minuten und es war für mich eine Herausforderung. Als wir den Einkaufswagen zurückbrachten, fing ich auch wieder an zu dissoziieren. Ich konnte nicht mehr denken, war abgetrennt von mir und der Umwelt, ich war wackelig auf den Beinen und konnte nicht mehr viel sprechen. Mehr hätte ich also gar nicht geschafft.
Wieder bei unserer Trainerin zu Hause war ich wieder mehr da. Wir haben spielerisch "Zieh" geübt. Ich habe an meinem Gürtel einen Ball mit einer Schnur befestigt, später soll er daran selbstständig ziehen, wenn er merkt, dass es mir in einer Situtution nicht gut geht. Zum Abschluss haben wir noch eine kleine Runde durch die Wiesen gedreht, sodass Alec mit seinem Kumpel Elvis rennen und spielen konnte. Der Abschied fiel mir so schwer, aber in zwei Wochen habe ich meinen Schokobären für immer.
Immer mal wieder bin ich bedingt durch Dissoziationen stumm. Genauso wie ich durch die Dissoziative Bewegungsstörung meine Beine nicht bewegen kann, bin ich auch manchmal unfähig zu sprechen. Mein Mund ist total verspannt, die Zunge klebt am Gaumen fest und die Stimmbänder funktionieren nicht. Wörter zu bilden ist einfach zu anstrengend und manchmal fehlen mir auch einfach die Wörter, um einen vollständigen Satz zu bilden. Ich kann nie genau wissen, wie lang das anhält .. Stunden?..Tage?.
Als ich vor ein paar Wochen eine ganze Therapiestunde mit meiner Therapeutin nur mit Zettel und Stift kommuniziert habe, meinte sie, ich muss versuchen es einfach zu akzeptieren. Radikale Akzeptanz ist nur nicht ganz so leicht.
Gestern habe ich etwas Böses zu meiner Mutter gesagt, deshalb entwickelte sich wieder die Stummheit. Heute kann ich mich bis jetzt nur mit Zeichensprache und Zetteln verständlich machen. Sowohl bei der Bewegungsstörung als auch in Phasen, in denen ich komplett stumm bin, ist die Panik nie weit weg. Dieser Kontrollverlust ist einfach beängstigend. Aber schließlich habe ich in solchen Phasen gar keine andere Wahl als es zu akzeptieren, das funktioniert zwar nicht immer, aber was bleibt mir Anderes übrig!
Ich möchte Euch etwas Tolles und Wichtiges mitteilen!
Alec steckt seit mittlerweile vier Wochen im Intensivtraining. In der Zeit hat er schon vieles gelernt und hat dabei sehr große Fortschritte gemacht.
Block und Check beherrscht er schon super gut. Darüber bin ich sehr froh, denn dass Absichern ist eine der wichtigsten Aufgaben, die Alec hat. Mit dem vielen Training hat er nun auch gelernt sich ordentlich in der Öffentlichkeit zu verhalten.
Desweiteren lernt er momentan "Speak" - auf Kommando zu bellen. Davon habe ich vor zwei Tagen ein total süßes Video auf Facebook hochgeladen, welches ich von Kathrin's Familie bekommen habe. Er lernt auch gerade das Licht anzumachen und an einem Tau zu ziehen, das ich später an mir befestigen werde. Damit kann er mich aus einer unangenehmen Situation herausziehen. Außerdem lernt er, mich an den Rand zu führen z. B. aus einer Menschenmenge heraus und mir eine Bank zum Hinsetzten zu suchen.
Alec hat jetzt noch weitere vier Wochen lang Zeit, alle bisherigen Assistenzleistungen zu verfestigen.
Denn am Montag, 30.05. zieht Alec endlich bei mir ein!
Meine Trainerin bringt ihn mir an dem Montag und wird mit mir drei Tage lang die Einarbeitung machen. Bei der Übergabe werde ich nochmal in alle neuen Kommandos eingewiesen und lerne dabei, wie ich sie richtig einsetze. Wir werden versuchen, überall da, wo ich mich aufhalten werde zu trainieren. Ich fange jetzt an, alle Supermärkte in meiner Stadt anzuschreiben. Ich hoffe, dass ich dadurch keine großen Probleme mit dem Zutrittsrecht bekomme.
Nach der Einarbeitung fängt für mich erst die richtige Arbeit an. Alec und ich müssen dann richtig zusammenwachsen und täglich trainieren. Das wird für mich eine riesengroße Herausforderung und Umstellung sein. Ich war schon eine Ewigkeit nicht mehr in Läden einkaufen, geschweige denn in der Innenstadt. Aber ich möchte ja nicht mehr einsam in meiner Wohnung vor mich hin vegetieren, deshalb werde ich mein Bestes geben und versuchen mich wieder ins Leben zurück zu kämpfen.
Dass ich mich auf Alec wirklich sehr freue, muss ich ja eigentlich gar nicht mehr erwähnen. Ich hoffe nur, dass ich dem Ganzen nun auch gewachsen bin. Aber ich bin dankbar, dass ich ein ganzes Hundeleben mit Alec verbringen darf.
Und schon ist die Zeit mit Alec wieder vorbei. Die zwei Tage sind wie im Fluge vergangen.
Alec, der mittlerweile neun Monate alt ist, befindet sich seit zwei Wochen im Intensivtraining. Während der Woche wird er jeden Tag intensiv auf seine spätere Arbeit vorbereitet.
Es ist phänomenal, welche Fortschritte Alec in dieser kurzen Zeit schon gemacht hat. Er ist unter der Kenndecke fast nicht wiederzuerkennen. Er geht jetzt die meiste Zeit total locker an der Leine und zieht nur noch ganz selten und auch nicht mehr so doll. Die zwei Wochen haben so viel verändert. Die Kenndecke hat er auf jeden Fall mit Arbeit verknüpft. Hunde- und Taubenbegegnungen laufen schon viel besser. Er lief sogar an einem Hund, der ohne Leine unterwegs war, ganz normal vorbei. Ich war wirklich sprachlos und bin Kathrin und Kati so dankbar. Auch in der Wohnung ist er echt pflegeleicht.
Meine Trainerin kam am Donnerstag gegen Mittag bei mir an. Ich hatte mich schon so auf sie und meinen Schokobär gefreut. Die Freude war auf beiden Seiten riesengroß. Wir sind zuerst spazieren gegangen. Das Wetter war klasse und ich habe es genossen, Alec dabei zuzusehen, wie er umhergelaufen ist und Spaß hatte. Dabei kam mir die Idee, dass ich gerne mit Kathrin und Alec ein Eis essen möchte. Gesagt - getan!
Nach unserer schönen Runde in der Natur sind wir also in die Innenstadt gefahren. Ein gesunder Mensch denkt jetzt vielleicht: "Na und, ist doch nur ein Eis", aber das ist es für mich nicht. Es ist schon eine Ewigkeit her, dass ich in der Innenstadt war und mich in ein Café setzten konnte. Für mich ist das eine riesige Herausforderung. In der Stadt war es ziemlich voll. Die Angst und Fluchtgedanken kamen auch immer wieder hoch, aber das Gute ist, dass sie mich mit Hilfe von Alec nicht überwältigt hat. Ich konnte mit Kathrins Unterstützung Alec nutzen. Ihn immer, wenn ich ihn brauchte kraulen, sein Fell spüren und ihn mich absichern lassen. Im Café habe ich mit Kathrin dreimal die Plätze getauscht, sobald ich merkte, dass ich mich in einer Position nicht sicher fühlte. Zwischendurch rauchte jemand eine bestimmte Zigarette, deren Geruch mich sehr triggerte (an eine bestimmte Person). Aber ich bin "da" geblieben. Während wir dort saßen, bin ich nicht weg-dissoziiert. Alec saß die ganze Zeit neben mir. Das Beste an der Situation war, dass die Kellnerin Angst vor Alec hatte, weil er so groß ist. Deshalb hat sie immer einen gesunden Abstand zu mir gehalten.
Auf dem Rückweg zum Auto, bin ich dann doch noch etwas abgeschmiert. Das Training in der Stadt war sehr anstrengend, mit vielen Triggern, das war sehr herausfordernd. Ich kann mich erst wieder daran erinnern, wie ich bei mir zu Hause aus dem Auto ausgestiegen bin. Kathrin hat uns mit ihrem Navi nach Hause gefahren, weil ich wohl komplett die Orientierung verloren hatte und nicht mehr wusste wie der Weg nach Hause ist. In Alec's späteren Training, lernt er, mich nach Hause zu führen und selber den Weg zu finden.
Am Abend sind wir zusammen in die Wohnung meiner Mutter gefahren. Unsere Katze war noch nie ein großer Tier-Freund. Alec fand sie total spannend und wir waren sprachlos, wie ruhig das Kennenlernen war. Die beiden werden nie "gute Freunde" werden, aber unsere Seniorin hatte weder einen Herzinfakt, noch ist sie panisch unters Bett verschwunden und es gab auch keine Schläge. Meine Mutter und ich hätten niemals gedacht, dass die Zusammenführung mit der Katze so gut verlaufen würde, weil sie doch sehr eigen ist. Wir haben uns dann noch einen schönen Abend gemacht.
Als Alec im Februar das erste Mal bei mir war, hat er andauernd versucht auf mein Bett und Sofa zu springen. Auch in der Nacht versuchte er auf mir herum zu tapsen. Jetzt war es komplett anders. Er lag die ganze Nacht in seinem Hundebett und hat nicht einmal versucht hochzuspringen. Wie auch schon in der Ferienwohnung am Anfang des Monats.
Der Freitag fing für Alec und mich um kurz vor sieben an. Alec stand schwanzwedelnd vor mir und schaute mich mit seinen schönen hellen Augen an. Da konnte ich nicht länger im Bett liegen.
Nach dem Aufstehen habe ich erstmal alleine mit ihm eine Morgenrunde um den nahe gelegenen See gedreht. Nichts besonderes??? - Doch, für mich ist es ein Stück Freiheit, denn in den letzten Jahren führe/führte ich ein sehr einsames Leben in meiner Wohnung.
Um zehn Uhr kam unsere Trainerin wieder zu mir, die die Nacht in der Wohnung von meiner Mutter verbrachte. Wir sind dann zusammen zu einem Bäcker gegangen. Dahin gehe ich manchmal mit meiner Betreuerin, da das Café meistens recht leer ist und wir so versuchen, dass ich in die Außenwelt komme. Ich hatte jedoch Angst, dass ich dort mit Alec rausgeworfen werden würde, was dazu geführt hätte, dass ich mich nie mehr dahin traue. Meine Mutter rief am Vortag beim Bäcker an und erklärte die Situation der Geschäftsführerin, die sehr interessiert an dem Thema war und das "Ja" gegeben hatte. Die Mitarbeiterin waren nur leider noch nicht aufgeklärt und meinten erst, dass ich mit Alec nicht an den Tresen darf. Zum Glück haben die Mitarbeiterinnen es jedoch nett gesagt. Wir erklärten dann, dass wir vorher angerufen hatten und die Inhaberin uns das Ok gegeben hatte. Kathrin und ich erklärten dann noch, was ein Assistenzhund ist und ich war mit meinen Flyern bewaffnet. Alec hat mich während ich bestellte die ganze Zeit von hinten abgesichert (Check). Wenn ich mit meiner Betreuerin dort bin, versagt mir immer die Stimme und sie muss für mich bestellen, aber diesmal nicht!
Mittags hatte ich einen Termin bei meiner Therapeutin. Unsere Trainerin ist dann mit mir zu Fuß, was ich mich schon sehr lange nicht mehr getraut hatte, zur Praxis gegangen. Immer wieder übten wir das Absichern und mich Anschauen. Auf dem Hin- und Rückweg ist uns leider zweimal der gleiche Mann entgegengekommen, dessen Geruch leider blöde Bilder und Erinnerungen hochriefen. Auf dem Hinweg hat unsere Trainerin versucht mich daran zu erinnern, Alec zu nutzen. Er schaute mich sehr, sehr aufmerksam an und fand das sehr eigenartig, wie ich mich verhielt. Nachdem ich ihn eine Weile kraulte und er sich gegen mich lehnte konnten wir weiter gehen. Auf dem Rückweg waren meine Beine wieder wie Wackelpuddig und bei der Begegnung habe ich Alec ganz schnell an mich rangezogen und mich zu ihm runter gekniet. Meine Psychotherapeutin war, glaube ich, erst mal ganz schön sprachlos ihn plötzlich zu sehen, denn sie wusste nicht, dass er die Tage bei mir war. In den ersten Minuten war Alec ganz schön frech, das war mir ziemlich peinlich, aber dann schlummerte er die restliche Zeit.
Der Abschied viel mir wirklich sehr, sehr schwer. Ich bin so gespannt wie Alec nach den weiteren sechs Wochen Intensivtraining sein wird, da er nach zwei Wochen Training schon so klasse ist. Ich bin unserer Trainerin so dankbar, dass sie zum Training hier her kam. Ich habe natürlich Versagensängste und manchmal habe ich Angst, dass ich das Ganze nicht schaffe und ihm nicht gerecht werden kann. Nach dem Training bin ich aber wieder sicherer mit Alec geworden. Alec ist ein wundervoller Hund, wir beide passen einfach zusammen. Fühlen kann/darf ich den Erfog zwar nicht, aber ich weiß, dass das Training total klasse war und ich dabei schon viel erreicht habe. Alec ist in meinem Leben!
Hier sind alle Posts zusammengefasst, die ich zu unserer Trainings- und Urlaubswoche auf Facebook geschrieben habe:
Wir sind gut in unserer Ferienwohnung angekommen. Es ist hier total ruhig und ländlich, gut zum Entspannen und die Wohnung ist Topp. Alec ist auch gerade gekommen und schaut sich noch etwas um. Wir werden jetzt erstmal richtig ankommen und später einen schönen großen Spaziergang machen.
Bei Sonnenschein haben wir die ersten zwei Urlaubstage "genossen". Die fremde Umgebung mit so vielen fremden Menschen macht mir doch ganz schön zu schaffen. Aber ich freue mich wirklich, hier mit Alec zu sein.
Gestern Nachmittag haben wir erstmal einen ausgiebigen Spaziergang am Wittensee gemacht. Heute waren wir nochmal bei Kathrin. Alec hat jetzt einen neuen Freund: Casbah, der schwarze Labrador von Janika, die auch da war. Es war sehr schön, aber auch sehr, sehr anstrengend, da gab's doch ein paar Stimmen zu viel, die laut und durcheinander geredet haben. Zwischendurch brauchte ich mal eine kleine Auszeit um nicht ganz abzuschmieren. Da habe ich mir meinen Hund geschnappt und bin ein Stück mit ihm spazieren gegangen.
Alec geht jetzt schon viel besser an der Leine, zieht nicht mehr so doll und dackelt mir die ganze Zeit hinterher.
Ab morgen geht das tägliche Training mit Kati los. Ich bin schon ganz schön aufgeregt, da werde ich sicherlich mit Situationen konfrontiert, die für mich wahnsinnig herausfordernd sind und die ich sonst vermeide. Aber ich stelle mich dem!!! Wahrscheinlich probieren wir es auch mal aus, ob ein Führgeschirr mir mehr Balance gibt.
Wir sind gerade vom Strand zurück gekommen. Deshalb hat er noch etwas Sand auf der Nase. Zuvor wollten wir eigentlich wo anders spazieren gehen, aber da war der Gestank von Gülle zu heftig, was mich zu sehr an einen früheren Wohnort erinnerte. Da kamen dann zu viele schlechte Erinnerungen hoch und dazu bin ich ja auch einfach extrem geruchsempfindlich. Am Strand war es dafür umso schöner. Alec konnte sich vor dem späteren Training noch mal richtig körperlich auspowern. Wieder in der Ferienwohnung kuschelte er sich ganz nah an mich, nun schläft er auf mir, tief und fest und gibt mir dabei Sicherheit. Ich bin so froh, dass er da ist.
Das Training heute in Gettorf lief sehr gut. Ich bin echt stolz auf Alec, er hat das super gemacht. Wir sind in der recht leeren Fußgängerzone rauf und runter gelaufen und haben dabei Leinenführigkeit, "Schau" und "Check" geübt. Alec merkt jetzt schon, wenn die Menschen, die mir entgegenkommen, mir nicht ganz geheuer sind. Ansonsten ging Alec super an der Leine. An seiner Neugier an anderen Hunden müssen wir noch etwas feilen.
Da ich wegen der Dissoziativen Bewegungsstörung darüber nachdachte, Alec an ein Führgeschirr zu gewöhnen, damit ich mehr Balance habe, versuchten wir es mit einem Führgeschirr von Kati. Es war gut, dass ich das mal ausprobieren konnte. Es war noch ziemlich eigenartig, ihn so zu halten und es ist auch nicht das richtige Geschirr für mich, aber ich werde mich nochmal nach anderen Hundegeschirren mit festen Griff erkundigen.
Wir werden jeden Tag die Reize etwas steigern, aber nur so wie es für mich möglich ist. Wenn ich es schaffe, gehen wir morgen mal in ein Geschäft rein und am Mittwoch ist Wochenmarkt in Gettorf. Die letzten zwei Tage werden wir wahrscheinlich in Eckernförde (einer größeren Stadt mit vielen Reizen und Menschen) trainieren.
Vor dem Training in Gettorf hat Alec sich wieder ordentlich am Strand ausgetobt. Heute geht es mir nicht so gut. Bei der Fahrt zum Training war ich den Tränen nahe, ich weiß gar nicht genau warum, ich bin einfach total erschöpft und wollte mich zurückziehen. Sobald wir dann aus dem Auto gestiegen sind, kam meine sehr geübte Maske hoch – es ist ja alles gut. So eine Maske kennen wahrscheinlich viele Betroffene.
Alec hat zwar wieder bewiesen, dass er ein Sturkopf ist, aber mit viel Geduld und Konsequenz war das Training wieder sehr erfolgreich. Wir haben diesmal hauptsächlich die Ablage geübt. Dabei musste Alec entweder sitzen oder liegen bleiben, während ich mich von ihm entfernte und auf dem Rückweg einmal um ihn herum gegangen bin und mich wieder neben ihn gestellt habe. Danach wurde er natürlich ausgiebig gelobt. Zum Ende des Trainings sind wird noch zweimal durch einen Drogeriemarkt gegangen. Dort haben wir „Block“ und „Check“ geübt, sowie das richtige Verhalten in einem Geschäft.
Morgen werden wir das Training nach Eckernförde verlagern. Ich bin sehr gespannt drauf.
Heute waren wir zum Training mal nicht im kleinen Dorf, sondern an der Promenade in Eckernförde. Alec macht auf jeden Fall Fortschritte. Wir haben wieder Leinenführigkeit geübt. Mir geht es heute nicht so gut und hatte wenig Kraft. Kati hat mir den Tipp gegeben, die Leine hinter den Rücken zu nehmen, so konnte ich ihn viel besser halten und führen. Die Ablage klappt auch schon sehr gut, er liegt entspannt auf dem Boden bis ich ihn wieder hoch hole. Hundekontakte sind immer noch schwierig an der Leine, es geht aber von Mal zu Mal besser. Der Dickkopf muss einfach noch lernen, dass er unter der Kenndecke zu keinem Hund darf.
Heute wäre eigentlich ein Tag gewesen, an dem ich mich alleine in meiner Wohnung eingeschlossen hätte und den ganzen Tag stumm vor mich hin vegetiert hätte. Dank Alec war es aber nicht so, es war für mich natürlich trotzdem total schwer raus zu gehen, aber mit ihm ging es. Auch wenn Alec in zwei Monaten bei mir einzieht wird ja nicht alles plötzlich gut sein, aber es kann ja nur besser werden!
Nun ist die Woche mit Alec an der Ostsee schon wieder vorbei, ich möchte Euch noch von den letzten drei Tagen erzählen.
Am Donnerstag Vormittag mussten wir erstmal zum Tierarzt, weil Alec leider ein Triefauge hatte. Creme von einem ruppigen Typen in die Augen geschmiert zu bekommen mochte er verständlicherweise gar nicht. Ich habe versucht, dabei selber ruhig zu bleiben. Leider ohne Erfolg, weil der Tierarzt mir selber Angst gemacht hat. Mir tat es Alec gegenüber sehr leid, dass ich ihm nicht zeigen konnte, dass nichts Schlimmes passiert. Nunja nach der Behandlung war die ganze Sache für Alec schnell vergessen und wir konnten am Strand runter kommen und Spaß haben.
Das Training am Donnerstag war in der Fußgängerzone in Eckernförde. Da waren ziemlich viele Menschen unterwegs und durch die Straßen zu gehen war sehr anstrengend für mich. Kati hat mir mit ihrer lockeren Art durch einige angespannte Situationen geholfen. Und wir haben dabei sehr viel gelernt. Alec kann mich schon super gut von vorne absichern (Block). "Check" (absichern von hinten) klappt auch schon sehr gut.
Freitag haben wir auch wieder in Eckernförde geübt. An dem Tag war ich nach all der Anstrengung der letzten Tage sehr wackelig auf den Beinen, weshalb wir oft Pausen machen mussten. Zusätzlich zu "Block und "Check" haben wir "Such Rand" - zum Rand führen und "Such Bank" - eine Sitzgelegenheit suchen, eingeführt. Es war sehr lehrreich.
Am Samstag Vormittag war die Zeit in der Ferienwohnung zu Ende. Wir packten unsere Sachen und sind zu Kathrin gefahren, wo Elvis (Alec's bester Hundekumpel) ihn stürmisch begrüßte. Mit Kathrin und Elvis sind wir ein letztes Mal zum Strand gefahren, wo die Hunde total schön miteinander gespielt haben. Alec ist ein wirklich sozialer Kerl. Zum Schluss waren wir noch etwas essen. Das war für mich sehr schwer, deshalb holten wir Alec aus dem Auto und setzten uns nach draußen in die Sonne. Alec hat das klasse gemacht. Er lag die ganze Zeit ganz entspannt neben mir, bzw, lehnte sich ganz fest gegen meine Beine, obwohl andere Hunde ganz nah bei uns saßen. Wäre er nicht da gewesen, wäre die Kellnerin wesentlich näher an den Tisch gekommen, was für mich bedrohlich gewesen wäre. Aber Alec hat zum Glück genügend Platz zwischen mir und der fremden Frau geschaffen. Ohne Alec hätte ich da nicht bleiben können.
Ich habe in dieser Woche sehr viel gelernt, nicht nur wie ich die Kommandos ausführe, sondern auch allgemein im Umgang mit meinem Hund. Ich bin wirklich stolz auf Alec, er ist ein ganz Toller. Ich vermisse ihn jetzt schon sehr. In zwei Wochen sehe ich ihn aber schon wieder.
Ich hatte ja schon mal erwähnt, dass ich glücklicherweise ein ganz tolles Team um mich herum habe. Bestehend aus meiner Psychotherapeutin, meine ambulante Betreuerin und meinem Psychiater. Alle drei sind sehr engagiert und helfen mir wo es auch geht. Ich möchte Euch erzählen, wie ich nach Hilfe gefragt habe und sie vor allem bekommen habe.
In den letzten Tagen ging es mir so schlecht, dass ich Nachts um 3 Uhr meine Therapeutin angeschrieben habe und um Hilfe gebeten habe. Meine Therapeutin und meine Betreuerin wissen beide, dass es mir grottig gehen muss, wenn ich um Hilfe bitte, denn das fällt mir nach all den Jahren immer noch sehr, sehr schwer. Meine Therapeutin schrieb mir gleich nachdem sie aufgestanden war um 6 Uhr morgens zurück. Mit meiner Betreuerin habe ich sogar eine Sondervereinbarung, dass ich einfach ein "." oder "!" per SMS an sie schicken kann, wenn mir keine Worte einfallen.
Als Betroffene, der es sehr schwer fällt Vertrauen aufzubauen und die immer Angst hat, jemandem zur Last zu fallen, ist es so wichtig, ein beständiges und funktionierendes Team zu haben. Ich kann mich auf sie verlassen und das ist ein riesen Schritt für mich!
Meine Therapeutin bot mir also per SMS an, dass wir unseren Termin von Freitag auf heute (Mittwoch) vorziehen können. Wie immer war sie unglaublich verständnisvoll, engagiert und tat ihr Bestes, mir mit meinem Leiden zu helfen und Wege zu finden wie ich mir selber zu Hause Linderung verschaffen kann.
Von sich aus kam sie auch auf den Fonds für Sexuellen Missbrauch zu sprechen. Sie hatte schon mit dem Vertreter des Weißen Rings hier in meiner Stadt telefoniert, der auch bei Antrag-stellungen hilft und berät. Nun besteht die Möglichkeit, dass der Mann vom Weißen Ring zu uns in die Therapie kommt und mir beim Ausfüllen des Antrages hilft. Schon seit bald einem Jahr befinde ich mich ja in Therapiepause und muss noch ein weiteres Jahr warten, bis es weiter geht, da meine Krankenkasse die Therapie nicht mehr zahlt. Somit kann ich nur zweimal im Monat für 25 Minuten zu meiner Therapeutin. Das ist natürlich viel zu wenig! Durch den Fonds könnte ich also nicht nur Geld für Alec's Ausbildung bekommen, sondern eben auch die dringend benötigte intensive (Trauma-)Therapie.
Zusätzlich hatte meine Therapeutin von sich aus Kontakt zu einer Ergotherapeutin in Hamburg aufgenommen, die sich auf den Umgang mit Menschen mit einer schweren Dissoziativen Störung spezialisiert hat. Beim nächsten Termin bei meinem Psychiater werde ich also mal fragen, ob er mir Ergotherapie verschreiben könnte. Das würde mir sicherlich auch sehr helfen.
Dieses Verhalten von meiner Therapeutin war wirklich einsame Spitze! Es ist nicht selbstverständlich, dass Therapeuten sich so ins Zeug legen: immer neue Therapien finden und sie ständig an die Patientin anpassen und von sich aus andere Möglichkeiten suchen. Sowas hilft mir, mein Vertrauen immer wieder ein kleines Stückchen mehr aufzubauen. Und beim nächsten Notfall fällt es mir vielleicht wieder etwas leichter um Hilfe zu bitten und sie anzunehmen!
Ich wünsche Euch allen Frohe Ostern! Ich hatte heute lieben Besuch von Janika und ihrem schwarzen Labbie Casbah. Die Streicheleinheiten mit Casbah, der schon etwas grau um die Schnute ist, taten mir echt gut.
In den letzten Tagen ging es mir sehr schlecht. Ich konnte tagelang nicht sprechen und bin ständig von einer Dissoziativen Erstarrung in die nächste Panikattacke gerutscht. Da haben meine Beine auch wieder schlapp gemacht. Heute als ich mit Janika, ihrem Casbah und meiner Mutter am Elbstrand war wurde ich leider auch wieder von einem unfreundlichen Mann getriggert. Uff! Naja, ich versuche weiter durchzuhalten. Einen tollen Hund in meiner Wohnung zu haben war sehr schön und ab dem nächsten Wochenende sind wir ja schon in unserer Ferienwohnung mit Alec.
Wie viele andere PTBS Betroffene, habe ich oft heftige Albträume. Heute morgen wusste ich nach dem Aufwachen nicht mehr, ob das, was ich geträumt habe, wahr ist oder nicht. Realitätschecks helfen, wieder im Hier und Jetzt anzukommen.
Ich habe hier mal ein paar Tipps die mir persönlich helfen.
Heute habe ich seit langer Zeit mal wieder meine Wohnung verlassen und bin jetzt in der Wohnung meiner Mutter. Für Alec war ich heute sogar im Futterhaus und habe für ihn und seinen Kumpel Elvis ein neues Tau geholt.
Danach war ich noch mit meiner Mutter bei Media Markt. Dort war es aber ziemlich schwer für mich, denn dort wurde ich schnell reizüberflutet. Die ganzen Fernseher, gleichzeitig spielende Lieder, Dauerbeschallung, die Menschen und dabei noch aussuchen und entscheiden was ich haben möchte. Mir fiel es echt schwer im Laden zu bleiben und ich bekam schlecht Luft. Ich habe mir dann die meiste Zeit die Ohren zugehalten, mit dem Blick nach unten folgte ich dissoziiert den Schritten meiner Mutter. Ich habe es aber zum Glück geschafft alles zu bekommen, was ich wollte.
Jetzt habe ich eine brandneue Kamera und einen MP3 Player. In Zukunft gibt es dann Fotos in besserer Qualität und nicht mehr diese nervigen Handy-Fotos. Vielleicht entdecke ich ja mein altes, verschollenes Hobby, das Fotografieren wieder.
Ich freue mich so doll auf morgen, nach drei Wochen sehe ich endlich Alec, Elvis, Kathrin und ihre Familie wieder.
Ich habe mich sehr über Euer positives Feedback zu dem Zeitungsartikel gefreut. Am Samstag fahre ich auch endlich wieder zu Alec hin, dann gibt es auch wieder neue Bilder und Infos zu dem Ausbildungsstand.
Der Besuch wird mir hoffentlich gut tun, denn mir geht es sehr schlecht. Ich habe gerade mal wieder eine Phase, in der ich noch nicht einmal den Kontakt zu meiner Mutter ertrage. Ich bin schon seit Wochen komplett isoliert in meiner Wohnung. Ich kann momentan auch nur sehr bedingt auf Nachrichten antworten.
Trigger!
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Das Gefühl von: "Oh mein Gott, es ist so furchtbar in meinem Körper zu leben, ich will mir die Augen auskratzen und schreiend weglaufen" hört einfach nicht auf.
Vor einer Woche war Alec noch hier. Wir haben für ein langes Wochenende schonmal ausprobiert, wie es ist, zusammen zu leben. Alec hat das so toll gemacht! Bei unserem Zeitungs-Interview meinte die Journalistin, dass sie nicht gedacht hätte, das er noch gar nicht bei mir wohnt - so vertraut wirkten wir zusammen. Aber es war natürlich auch ganz schön anstrengend. Normalerweise verlasse ich meine Wohnung ja recht selten und bewege mich dementsprächend wenig und nun war ich dreimal täglich mit ihm spazieren und bin viele Kilometer gelaufen.
Ich vermisse ihn sehr, er hat ganz schön viel Schwung in meine Wohnung gebracht, nun bin ich wieder alleine. Jetzt funktioniert wieder gar nichts mehr und mir gehts ziemlich dreckig. Aber in 14 Tagen sehe ich ihn wieder und dann ist es auch nicht mehr lange zu unserer Trainings- und Urlaubswoche Anfang April.
Nachdem ich Alec vier Wochen nicht gesehen hatte, konnte mich das schlechte Wetter am Samstag 23.01. nicht abhalten zu ihm zu fahren.
Als meine Mutter und ich ankamen, wurden wir herzlich von Kathrin begrüßt. Alec war noch ein Stockwerk höher und hörte nicht, dass Besuch da war. Ich rief ihn und als er ankam und merkte, dass ich es war, hat er sich riesig gefreut, er hat sich fast nicht mehr eingekriegt, so freudig war er.
Als wir einen Kaffee getrunken haben, kam Kati auch noch dazu. Kati wollte im Einkaufszentrum Block (von vorne absichern) Check (von hinten absichern) und Tick (auf Kommando mit der Pfote anstupsen) üben. Dort war es jedoch extrem voll und wir mussten das Training auch schnell wieder abbrechen, denn ich war im Dissoziatven Stupor.
Im Auto auf dem Rückweg, saß Alec vor mir im Fußraum. Alec hat sich sehr gut auf mich konzentriert und wir haben "Schau" - mir in die Augen schauen und "Tick" geübt. Zu der Zeit war ich immer noch nicht wieder richtig da, aber Alec hat mir sehr gut geholfen. Er ist dann irgendwann mit den Vorderbeinen auf meinen Schoß gestiegen, hat meine Hände abgeschleckt und sich angekuschelt. So konnte ich sein Gewicht auf meinen Beinen spüren. Das hat bewirkt, dass ich viel schneller wieder in meinen Körper kommen konnte, mich bewegen und sprechen konnte. Ohne ihn hätte ich wahrscheinlich Stunden gebraucht um die Lähmung zu durchbrechen. Er hat es im Auto geschafft, dass ich in etwa 20 Minuten wieder ansprechbar war. Fantastisch!!!
Als wir wieder bei Kathrin auf dem Hof ankamen, konnte ich noch mit einem Pony kuscheln, ein weiterer Reiz, der mich wiederbelebt hat. Danach saßen wir noch eine Weile zusammen und Alec und ich haben es geschafft zusammen zu entspannen.
Ihn wieder zu verlassen fiel mir sehr schwer, aber die gute Nachricht lautet, dass ich Alec vom 12. - 15.02 mit zu mir nehmen werde. Ich freue mich riesig darauf, ihm sein Zuhause zu zeigen. Das Wochenende wird uns beiden Zeit geben, noch mehr aneinander zu wachsen.
Ansonsten ist noch zu berichten, dass er jetzt mit seinen 6 Monaten eine Schulterhöhe von 55 cm hat und etwas abgenommen hat und jetzt ca. 25 kg wiegt. Er wurde dann doch etwas moppelig. Labbi-Staubsauger!
So jetzt gibt es endlich mal wieder ein Update von mir. Mir ging es unverändert, sehr schlecht und ich habe mich mal wieder ziemlich zurückgezogen. Die Depression, der Selbsthass und Selbstzweifel sind einfach zu stark, ich komme da einfach nicht raus. Ich habe sogar mal wieder Medikamente ausprobiert, obwohl ich absolut dagegen bin und riesige Angst davor habe. Die Geschichte wiederholte sich auch nur wieder und ich hatte wie damals, als ich Medikamente nahm, wieder nur Nebenwirkungen gehabt, deshalb habe sie auch schnell wieder abgesetzt.
Alec habe ich jetzt vier Wochen nicht mehr gesehen und das war echt eine viel zu lange Zeit, ohne mein Schokobärchen.
Nunja, morgen, am Samstag, ist es endlich wieder soweit. Gemeinsam mit meiner Mutter fahre ich zu ihm und Kathrin. Wir werden dann auch besprechen, wann Alec das erste Mal ein ganzes Wochenende bei mir verbringen wird.
Heute war ich mit meiner Betreuerin in der Innenstadt. Wir haben in einem Stoffladen Stoff für Alec’s Hundebett gekauft. Denn gemeinsam mit ihr werde ich für Alec ein Hundebett nähen, das im Wohnzimmer liegen wird. Ich bin echt gespannt wie das wird. Ich finde es ist eine nette Idee, denn nicht nur hat Alec dann ein hübsches selbstgemachtes Bett, sondern für mich ist es auch eine Beschäftigungstherapie. Ich halte Euch auf dem Laufenden, ich hoffe das Bett wird was, das letzte Mal habe ich in der 7ten Klasse genäht :D.
Ansonsten war es in der Innenstadt sehr schwierig für mich, ich war seit Wochen mal wieder draußen. In der Stadt habe ich auch ordentlich Panik bekommen, im 1€ Laden war es sehr eng und eine Frau drängte sich an mir vorbei und es war sehr laut, denn ein Gebäude wurde abgerissen. Da gab es mal wieder eine heftige Reizüberflutung. Nachdem ich wieder etwas besser atmen konnte und mich etwas beruhigen konnte, ging es dann in die Dissoziation rein. Ich habe meine Beine nicht mehr gespürt, konnte schlecht gehen, die Gebäude um mich herum kamen mir riesig vor und die Welt war verlangsamt. Ich habe mich von allem getrennt gefühlt. Auch wenn das ein täglicher Zustand ist, macht es mir jedesmal Angst. Zum Glück wurde es besser als ich zurück nach Hause kam.
Heute hatte ich einen Termin beim Gesundheitsamt. Beinahe hätte mir das Amt meine ambulante Betreuerin gestrichen. Als ich mit meiner Mutter und der Urlaubsvertretung meiner Betreuerin im Wartezimmer warten musste, wurde ich so doll getriggert, dass ich erstmal komplett dissoziiert bin, mit allem drum und dran. Als ich dann dran kam, war ich noch nicht wirklich wieder da, konnte nicht sprechen, geschweige denn gehen. Meine Mutter hat mich dann irgendwie in das Besprechungszimmer gebracht. Dann kam der Hammerschlag, denn die Mitarbeiter wollten meine Betreuung nicht mehr genehmigen. Obwohl wir eigentlich sogar mehr Stunden beantragt haben. Meine ambulante Betreuerin ist außer meiner Mutter und meiner Therapeutin, die einzige Person, der ich richtig vertrauen kann und mit der ich nach draußen gehen kann. Sie hilft mir auch z. B. beim Einkaufen, Arzttermine... So und das wollten die mir wegnehmen. Ich war entsetzt und wütend. Zum Glück konnte der Mitarbeiter von Bethel im Norden, die meine Betreuerin stellen, das Amt überzeugen, aber dafür mussten wir echt kämfen. Jetzt bin ich total erschöpft und ausgelaugt. Aber dafür unglaublich froh, dass ich so ein Glück habe mit Bethel im Norden und deren tolle und kümmernden Mitarbeitern. Jetzt habe ich satte vier Stunden in der Woche mit meiner Betreuerin.
I haven't updated the English page for quite some time. So here comes an update on Alec's training.
He is five and a half months old now and doing amazing. He is still living with one of his trainers, who has a big farm with other animals such as horses and dogs. The whole family is doing a phenomenal job socializing him.
Obviously he is still a very young Lab, but he is already very well behaved. He walks on the leash without pulling. He will sit, stay and lay down on command. He is awesome in the city, nothing can scare him and he has a very calm personality. With the command "look" he will look me straight in the eyes, this way I can concentrate on him. I am less likely to panic or dissociate when I can do that. He loves to play with his best buddy Elvis, which is a freakishly large Landseer. He is great with other dogs and curious to get to know more. He has been shown all kinds of different breeds, paces and circumstances. It is very important that a puppy gets to know as many different things to be able to socialize him properly. But it is even more important for him, because he is going to be a service dog one day who has to be calm at all times when working. You can tell that he wants to learn and work.
He is a water and food junkie, true to his Labrador breed. :D
I visit him every two to three weeks. Our bond is getting stronger and stronger every time we see each other. He will stay at his trainers' house until Mai/June. Because I am not able to socialize and train him properly on my own due to my disability. We train together at every single meeting nonetheless.
This month (January) his trainers will start teaching him his first service related tasks. Which is to block me from anyone, by standing in front of me and to cover me from behind. I easily panic from people getting too close to me, this way he is giving me more space from strangers. Later he will also learn to show me when someone is approaching me from behind. Alec will also learn to nudge me with his nose while I'm outside and to give me his paw when I am inside. This task is also immensely important, because of my dissociation, depersonalisation and derealisation, as he will ground me and to keep me in reality through nudging me .
Alec will start spending some weekends at my apartment starting in February. The purpose is to bond more and to get used to living together. I am definitely looking forward to spending more time with him and to show him his new home.
In April we will spend a whole week together, while training every day with one of his trainers.
I absolutely adore him. He is so funny, I love watching him play especially with his best bud Elvis. Alec is quite big for his age, so he will become a pretty big dog.
This blog entry is solely to inform you on how Alec is doing. I will post a blog on how I am holding up soon.
Trigger!
Ich muss einfach mal ein paar Gedankengänge loswerden. Vielleicht hilft es anderen Betroffenen oder Angehörigen, psychische Krankheiten besser zu verstehen.
Unsichtbare Krankheiten sind ein schwieriges Thema. Außer wenn ich im Sommer T-Shirts trage sieht man mir nichts körperliches an. Denn außer den Narben, die meinen täglichen inneren Krieg zeigen, sehe ich ganz normal aus. Oft schaffe ich es sogar, ganz normal mit Menschen zu reden. Bei Freunden und Bekannten lächel ich und gerade erst zu Weihnachten wurde ich wieder von meinem Stiefbruder gefragt: "Geht's dir gut?" Die Frage war durchaus berechtigt, denn ich sah freudig aus und unterhielt mich ganz normal. Doch können Außenstehende nicht wissen, dass ich bei dieser Frage schreien, weinen und mir am liebsten die Haare ausreißen will.
Niemand sieht wie schlecht es mir wirklich geht! Wie ich jede Nacht mit Bildern, Erinnerungen und auch dem Unwissen kämpfe. Wie ich mich die ganze Nacht im Bett wälze bis ich für kurze Zeit einschlafe, nur um dann wieder durch Alpträume aufzuschrecken. Wie ich mir jeden Tag denke "Verdammt, morgen muss ich schon wieder den ganzen Tag mit mir verbringen". Die Selbstzweifel, der Selbsthass und der Ekel vor mir sind immer da. So oft am Tag muss ich sehr stark gegen Impulse ankämpfen, wie z. B. den Spiegel wegen meines Spiegelbildes nicht zu zerschlagen und mir nicht in aller Öffentlichkeit gegen den Kopf zu hauen, wenn ich wütend auf mich bin, wenn ich denke, irgendetwas falsch getan zu haben, oder ein Triggergeräusch gehört habe. Menschen können meine Angst und Panik nicht sehen, die immer präsent ist. Ich habe gesehen, zu was manche Menschen in der Lage sind, jetzt sind alle eine potenzielle Bedrohung.
Niemand sieht meine innere Qual, mit der ich jeden Tag lebe. Die Schmerzen, die mich auseinander reißen.
Bei allem Sozialen bin ich unsicher. Nachrichten oder Emails verschicke ich mit pochendem Herzen und nachdem ich mindesten 10 mal meine Mutter gefragt habe, ob so alles in Ordnung ist. Die Empfänger wissen nicht, wie viel Schweiß, Angst und Anspannung alleine hinter einem "Schön, das freut mich für dich" steckt. Über Gespräche grübel ich tagelang und wenn ich denke, dass ich etwas Falsches gesagt habe, muss ich lange Zeit meine eigene Wut spüren.
Generell versuche ich so wenig wie möglich aufzufallen oder jemandem zur Last zu werden. Mich hat keiner verdient. Schon wenn ich ein Kompliment bekomme, stellt sich alles in mir auf und etwas in mir fängt an, mich zu beschimpfen.
Ich weiß, dass es für nicht Betroffene unvorstellbar ist, so große Selbstzweifel und Selbsthass gegen sich zu haben um so weit zu gehen, sich selber bestrafen zu müssen. Ich habe mir schon Dinge angetan, wofür jeder Andere eine Anzeige kassiert hätte. Aber das ist es ja. Ich habe Täteranteile übernommen. Die Täter in mir gehen immer noch gegen mich vor und beherrschen mich. Seit Dezember habe ich eine neue Diagnose bekommen: Dissoziative Identitätsstörung. Außer meiner Therapeutin sind sich alle in meinem Umfeld unsicher, ob ich wirklich multipel bin, vor allem ich tue mich schwer mit der Diagnose.
Ich habe mich nach langer Zeit, in der ich alles mögliche gegen mein Leben unternommen habe, dafür entschieden, weiter zu kämpfen. Bevor Alec ins Bild kam, war der einzige Grund dafür meine Mutter. Nur weiter zu leben um einer Person nicht alles zu rauben, wird trotz aller Vorsätze auf Zeit schwer. Nun weiß ich, dass mein Assistenzhund ausgebildet wird. Der Gedanke an den Suizid begleitet mich aber trotzdem immer noch täglich und ich weiß auch nicht, ob der Gedanke jemals ganz fortgehen wird. Die Tage an denen die Gedanken leiser sind, überwiegen, an anderen Tagen sind sie lauter. Doch ich wünsche mir sehr, dass sie nie wieder so laut werden, dass ich nichts anderes mehr hören kann.
Niemand kann mir sagen, wie ich richtig leben kann. Aber mit Alec habe ich einen zweiten Lebensanker gewonnen. Ich vertraue darauf, dass ich durch ihn wieder mehr ins Leben finde. An ihn und meine Mutter kralle ich mich, so fest ich kann. Aber es ist ein täglicher Kampf. Ob er je endet? Ich weiß es nicht. Ich glaube, dass einige Wunden zu tief sind und niemals ganz verschwinden.
Ich könnte noch so viel mehr schreiben, was man mir alles nicht ansieht. Hier gab es erstmal einen kleinen unverblümten Teil. Ich weiß, dass einige Äußerungen sehr, sehr hart klingen. Etwas positives über mich sagen darf ich nicht. Und ich habe es auch mit jahrelanger therapeutischer Unterstützung noch nicht hinbekommen, besser mit mir umzugehen, über mich zu reden oder auch nur irgendetwas in der Art zuzulassen.
Das alles aufzuschreiben fiel mir sehr schwer und danach konnte ich mich durch eine Dissoziation stundenlang nicht bewegen.
Alec ist da, er ist in der Grundausbildung - aber wie geht es jetzt eigentlich weiter?
Ab Januar 2016 fangen seine Trainerinnen an ihm "Block" und "Check" beizubringen. Die beiden Kommandos sind für mich sehr wichtige Aufgaben, die mir sehr helfen werden. Bei "Block" wird er lernen sich vor mich zu stellen, um mir damit mehr Abstand zu Menschen zu garantieren. Leute in der Stadt sind dann eher geneigt einen größeren Abstand zu mir zu bewahren. Bei "Check" wird er sich hinter mich stellen und schauen ob jemand von hinten kommt. Somit kann mir niemand zu dicht auf die Pelle rücken z. B. später, wenn ich mit ihm einkaufen gehe und in einer Schlange stehe. Bei beiden Kommandos wird er nah an mir dran stehen, so dass ich ihn spüren kann. Das ist meine persönliche Präferenz, denn er könnte auch etwas Abstand zu mir halten, damit ich noch mehr Distanz zu Anderen bekomme. Aber mir ist es lieber, wenn er nah bei mir steht.
Auch fängt Kathrin jetzt an ihm beizubringen mich auf Kommando zu berühren. Wir haben abgemacht, dass er mir zu Hause auf Kommando die Pfote geben wird oder seine Pfote auf meine Beine stellt. Unterwegs wird er mich mit seiner Nase anstupsen. Das wird mir helfen, den Kontakt zu ihm aufrecht zu erhalten und im Hier und Jetzt zu bleiben.
In den nächsten Monaten wird Alec auch mal am Wochenende zu mir zu kommen. Darauf freue ich mich schon so sehr. Ich kann es kaum erwarten, ihn mit zu mir zu nehmen, ihm sein neues Zuhause und sein Bett zu zeigen. Dadurch, dass er an manchen Wochenenden zu mir kommt, wird auch unsere Bindung noch enger und wir können uns daran gewöhnen miteinander zu leben.
Anfang April mache ich mit meiner Mutter Urlaub in Schleswig Holstein. Natürlich ganz in der Nähe von Eckernförde. Meine Mutter und ich sind schon auf der Suche nach einer geeigneten Ferienwohnung, in der auch Hunde erlaubt sind. Denn Alec wird die ganze Woche mit mir verbringen.
Im Mai oder Juni zieht er dann endgültig zu mir!!!! Wann genau er kommt, können wir noch nicht sagen, denn das hängt natürlich davon ab wie er sich in der Intensivausbildung macht.
Was ist denn da alles passiert?
Ich war gestern am 20.12. wieder bei Alec. Der Tag fing leider so gar nicht gut an, denn am Vortag wurde ich durch einen Artikel, den ich auf Facebook gesehen habe sehr doll getriggert. Die Nacht durch hatte ich immer wieder Flashbacks - schlimme Bilder im Kopf, von etwas, das ich mal wieder vorher nicht wusste. Oft bin ich durch mein eigenes Wimmern im Schlaf und weil ich um mich schlug aufgewacht. Nachdem ich kurz eingeschlafen war, fing ein Idiot um 6 Uhr morgens an draußen Lärm zu machen. Alles in allem war es keine gute Nacht. Verschlafen habe ich dann leider auch noch. Wir wollten um 9 Uhr losfahren, konnten wegen mir dann aber erst um kurz vor 10 Uhr los.
Angekommen bei Alec, begrüßte er mich wieder stürmisch. Es ist so toll, dass er mich wiedererkennt. Diesmal war Kati auch mit von der Partie, denn wir wollten zusammen auf dem Weihnachtsmarkt in Kiel trainieren. Aber erstmal gab es Kaffee für mich und Kuscheleinheiten für Alec. Ich habe mich schon lange darauf gefreut, Kati endlich mal wieder zu sehen, das war total schön, denn wir hatten uns seit Anfang Oktober nicht mehr getroffen.
Eigentlich war ja geplant, dass uns wieder das Filmteam begleiten sollte, nur hatten sie nicht mehr rechtzeitig das Ok vom Sender bekommen. Deshalb wurde der Drehtermin nochmal verschoben.
Ich versuche mal, das ganze Geschehen zusammen zu puzzeln, was wir auf dem Weihnachtsmarkt in Kiel alles gemacht haben. Es macht mir ziemlich große Angst, denn Erinnerungen habe ich nicht viele, und die Erinnerungen an meine persönlichen Gefühle passen überhaupt nicht mit dem, was mein Körper alles erreicht hat zusammen. Meine Mutter hat ihre Sicht des Tages aufgeschrieben und ich meine. Auf jeden Fall war ich danach völlig ko. aber das ist normal nach einem Training.
Wir kamen mit dem Auto auf dem Parkplatz am Rathaus an und gingen von dort aus in Richtung Fußgängerzone. Johanna mit Alec, Kati Zimmermann, Kathrin und Jasmin Neve und ich.
Kati ließ Johanna vorausgehen, wir andern folgten in einigem Abstand und sollten Johanna weder ansprechen noch zu nahe kommen, nur beobachten.
Der Weg zum Weihnachtsmarkt war unproblematisch. Auf dem Markt lotste Kati Johanna zunächst am Rand entlang, an der Häuserzeile. Schon dort war es relativ belebt. Johanna ging aufrecht, mit festem Schritt und zügig durch die belebte Straße. Immer wieder kamen andere Menschen ihr nahe. Johanna forderte immer wieder Alecs Aufmerksamkeit mit dem Kommando „schau“ ein und belohnte ihn mit Leckerli. Es bestand ständiger Kontakt zwischen Mensch und Hund.
Zwischendurch machte sie eine kleine Erholungspause an der Hauswand. Johanna wirkte angestrengt, aber klar.
Am Ende des Marktplatzes forderte Kati Johanna auf, mitten durch die Budengasse zurückzugehen. Hier war es sehr voll. Ohne Zögern machte sich Johanna auf den Weg, der Gruppe vorausgehend, mit Alec an ihrer Seite und in ständigem Kontakt. Auch jetzt noch ging Johanna mit Alec zügig und gerade. An einer Kreuzung kam es zu einem größeren Gedränge und Johanna zog sich mit Alec in eine Ecke zurück. Immer noch war sie ansprechbar und aufmerksam.
Kati beendete die Situation und lotste Johanna zum Glühweinstand, wo sie selbständig einen Früchtepunsch bestellte. Sie wirkte sehr erschöpft, aber sprach mit uns und lächelte.
Nachdem wir alle ausgetrunken hatten, gingen wir zurück zum Auto, mit einer weiteren Zwischenrast auf einer Bank. Johanna unterhielt sich völlig normal mit Kati. Auch auf dem Rückweg ging sie mit Alec alleine voraus, wir anderen folgten in größerem Abstand.
Erst im Auto wurde eine starke Dissoziation erkennbar mit Sprachverlust, Abwesenheit und Bewegungseinschränkung. Beim Aussteigen ließ Kathrin zunächst Alec zum Streicheln und Schmusen zu Johanna, aber trotzdem mussten wir Johanna stützen und sie war sehr wackelig auf den Beinen.
Wir sind mit Kathrins Bus alles zusammen nach Kiel gefahren. Dort angekommen, sind wir ausgestiegen und gen Weihnachtsmarkt gegangen. Alec und ich voraus. Wir haben durchgehend geübt, dass er mich anschaut. Zuerst hat er noch etwas an der Leine gezogen, da hat mir Kati etwas geholfen, bis er gemerkt hat, dass jetzt arbeiten angesagt ist. Danach war er echt super an der Leine für seine fünf Monate.
Hm ich komme jetzt schon ins Stocken.
Der Weihnachtsmarkt in Kiel war meines Erachtens ziemlich voll. Zuerst sind wir eher am Rand geblieben, da habe ich weiterhin versucht Alecs Aufmerksamkeit zu behalten. Wir sind an vielen Leuten mit Kindern und Hunden vorbeigegangen. Alec hat das echt super toll gemacht. Nur ich war da schon sehr angespannt und meine Stimme fing an zu versagen. Als ich nicht mehr konnte, sind wir wieder ganz zum Rand gegangen und ich habe mich zu Alec hingekniet, habe ihn gestreichelt und mich auf ihn konzentriert, denn er war total gelassen. Das half mir.
Ich weiß noch, dass wir weiter gegangen sind und dort, wo wir hingengangen sind, mehr Menschen waren. Ab dem Zeitpunkt versagt meine Erinnerung.
An Angst und Kontrollverlust erinnere ich mich. Ich konnte nicht mehr sprechen und meine Beine wollten auch nicht mehr so wirklich.
Dann waren wir bei einem Glühweinstand und ich habe Alec gekrault, der vor mir saß.
Dann waren wir auf dem Weg zurück zum Auto, da haben wir uns noch auf eine Bank gesetzt. Alec saß vor mir und Kati neben mir. Ich weiß noch, dass wir über meinen Schwerbehinderten-Ausweis sprachen und Unterlagen, die ich ausdrucken kann um sie mitzunehmen und in Geschäften vorzuzeigen. Ansonsten kann ich mich an das Gespräch nicht wirklich erinnern, außer, dass zwischendurch eine Frau ihren Hund auf Alec zugehen lassen hat und Kati ihr gesagt hat, dass sie das nicht solle.
Als wir weiter gingen, konnte ich wieder normal sprechen und besser gehen. Mit Alec habe ich weiterhin geübt. An Straßen habe ich ihn, bevor wir sie überquert haben, absetzten lassen. Das ging alles sehr gut.
Nachdem wir losgefahren sind, fehlen mir wieder die Erinnerungen. Bis ich kurz bevor wir bei Kathrin ankamen, gemerkt habe, dass ich im Auto saß und große Angst vor meiner linken Hand hatte, weil sie mal wieder komplett fremd war. Kathrin hat die Tür vom Auto geöffnet und Alec gehalten, den ich mit der rechten Hand streicheln konnte. Das half mir wieder mehr in der Realität anzukommen. Beim Weg vom Auto bis aufs Sofa haben mir Kati und meine Mutter geholfen. Dort habe ich mich etwas hingelegt um den Tag zu verarbeiten, schlafen konnte ich aber leider nicht. Kati musste dann auch wieder los.
Wie man sehen kann, unterscheidet sich mein Erleben ziemlich von dem, was ich wirklich erreicht habe. Das verwirrt mich wirklich sehr und macht mir auch ziemliche Angst. Ich will mich an den Tag erinnern, um ihn auch richtig verarbeiten und reflektieren zu können. Und damit ich mir eingestehen kann, dass das toll war. Aber wie kann ich das, wenn meine Erinnerungen mir etwas komplett anderes vorgaukeln? Und dann ist die Frage da noch: "War ich das wirklich?"
Ich war am Abend echt ko., doch schlafen konnte ich leider auch nicht viel. Ich bin früh ins Bett gegangen, bin aber oft wieder aufgewacht.
Nunja, was ich auch noch erwähnen möchte ist, dass Alecs und meine Bindung wirklich immer enger wird bei jedem Besuch. Bevor wir gegangen sind, saß ich noch eine Weile neben ihm auf dem Boden und habe ihn gekrault. Er lag da und hat es merklich einfach nur genossen. Das war für uns beide ein sehr schöner Abschluss des Tages. Er ist so schön warm und sein Herzschlag beruhigt mich so sehr. Ich bin auch unglaublich froh, dass ich Kathrin und Kati als Trainerinnen habe. Kathrin und ihre Familie kümmert sich und sozialisiert Alec so gut. Und ich freue mich immer sehr zu Kahtrin zu fahren und mit ihr Zeit zu verbringen. Kati ist auch echt klasse. Ich finde, sie geht so toll mit Alec um und sie ist ein richitger Hundemagnet - Alec liebt sie. Beide, Kati und Kathrin sind super einfühlsam und es ist echt schön mit den beiden Zeit zu verbringen.
Am nächsten Sonntag sind wir ja schon wieder alle zusammen, denn da "feiern" wir gemeinsam meinen Geburtstag. Den ich, wenn ich sie nicht hätte, im Bett verbracht hätte. *freu*
Ich konnte es kaum erwarten - Gestern am 5.12.2015 habe ich Alec wieder bei seiner supertollen Patenfamilie besucht! Alec ist nun 19 Wochen alt. Als ich ankam, hat er mich gleich erkannt und hat mich ganz aufgeregt und freudig begrüßt. Die meiste Zeit lag er auch neben mir. Er ist echt riesig geworden (man beachte die Pfoten!), deshalb sind wir zum Futterhaus gegangen, dort hat er ein schickes weinrotes neues Geschirr in Größe M bekommen. Da haben wir gleich die Situation ausgenutzt und haben im Laden geübt. Das war ganz schön schwierig, denn da waren so viele verlockende Gerüche und andere Hunde. Alec hatte aber überhaupt keine Angst und war viel entspannter als sein Frauchen. Auch als wir danach noch eine Übungsrunde durch die Fußgängerzone gedreht haben, hat er sich prima verhalten. Nichts kann ihn aus der Ruhe bringen. Er lässt sich schon gut absetzten, wenn er ohne Kommando wieder aufsteht, dann wieder hinsetzten. Mit "Ok" gehen wir weiter. Natürlich war er manchmal etwas abgelenkt, aber Frauchen versucht immer wieder, seine Aufmerksam zu bekommen. Wenn ich "schau" sag, guckt er mir in die Augen. Er ist wirklich ein toller Kerl. Jede Verabschiedung wird schwerer. Die Liebe ist schon so groß! Er hat so tolle große Schokobärchen-Pfoten... Fotos
Ich möchte niemandem auf die Nerven gehen, indem ich hier rum jammere. Mein Muster mich dann eher ganz zurückzuziehen muss ich noch lernen zu durchbrechen und ein gutes Mittelding finden. Es ist ja auch meistens nichts Neues. Erinnerungslücken machen mir momentan besonders zu schaffen. Mein Kurzzeitgedächtnis ist grottig, wenn ich mir die Dinge nicht sofort aufschreibe habe ich sie nach einer Minute wieder vergessen und ständig fehlen mir ganze Stunden, das macht mir jedes mal große Angst. Neben meinem Laptop liegt seit ein paar Tagen ein Zettel auf dem draufsteht wie viele Tage ich noch durchhalten muss bis ich Alec wiedersehe. Ohne den Zettel vergesse ich sogar das! Dass mir ständig meine Umwelt fremd vorkommt und ich mich dadurch schon mehrmals verlaufen habe macht es auch nicht besser. Dazu kommt oft die Frage „Ist das mein Bein, welches da neben mir liegt und wird es mich tragen, wenn ich jetzt aufstehe?“ oder "Was macht diese Hand da?“ - das nennt sich Depersonalisierung, ich komme mir selber fremd vor. Ich kenne es und weiß vom Kopf her auch, dass es zu mir gehört und trotzdem ist es sehr unangenehm und beängstigend. Diese ständigen Dissoziativen Zustände sind sehr anstrengend und ich muss sehr dagegen ankämpfen nicht in alte schädigende Verhaltensweisen abzurutschen. Eben war ich kurz draußen. Nach mehreren Tagen in denen ich meine Wohnung nicht verlassen habe musste ich mal wieder frische Luft schnappen. Da habe ich glatt wieder Panik bekommen als ich an gackernden Jugendlichen vorbei gegangen bin. Ich habe versucht mir bildlich vorzustellen wie Alec neben mir läuft, dass hat etwas geholfen. Ich finde es wirklich erstaunlich wie alleine der Gedanke an ihn mir hilft.
Worauf ich mich wirklich freue ist, dass ich Alec diesen Monat glatte dreimal sehen werde! Jetzt am 5. ist der erste Termin. Am 20. ist der nächste Drehtermin für die Reportage und an meinem Geburtstag am 27. fahren meine Mutter und ich auch zu ihm. Ich gebe wirklich nicht viel auf meinen Geburtstag, wenn wir nicht nach Schleswig Holstein fahren würden, würde ich den Tag im Bett verbringen. Aber die Aussicht meinen Geburtstag mit Alec, Kathrin und ihrer Familie und dazu noch Kati zu verbringen ist wirklich ein schöner Gedanke.
Am Wochenende gibt es dann auch wieder neue Bilder und Bericht von dem mittlerweile ziemlich frechen Kerlchen grin emoticon. Ich wünsche Euch weiterhin eine schöne Weihnachtszeit!
Am Sonntag hat es ja in fast ganz Deutschland geschneit, und so hat Alec an dem Tag auch das erste Mal Schnee gesehen. Es hat ihn überhaupt nicht davon abgehalten mit seinen Hundefreunden zu spielen. :)
Vom 7.11 - 8.11 war Alec gemeinsam mit Kati, Kathrin und anderen Hunden auf einer Gesundheitsmesse. Dort konnte er zeigen, dass was er schon alles drauf hat. Sogar mit großer Ablenkung bei einer Vorführung hat er alle Kommandos bravourös ausgeführt.
Gleich am nächsten Tag war er mit seinen Trainerinnen bei einem Feuerwehrtraining. Sturm, Regen, laute Geräusche, Männer in Uniformen - alles kein Problem für Mr. Cool. Das Training steht mit auf dem Ausbildungsplan, damit er, sollte es einmal einen Notfall geben, keine Angst vor den Feuerwehrmännern und den Geräuschen hat bzw. sie schon mal gesehen hat.
Am 14.11. war ich auch mal wieder bei ihm, er ist wieder so in die Höhe geschossen, aber vor allem ist er schwer geworden. Zu dem Zeitpunkt wog er 18 kg! Ach du dicker Hund, er wird auf jeden Fall ein Brocken sein, wenn er ausgewachsen ist. Das finde ich super, umso besser kann er abblocken und mehr Platz verschaffen. Sein erster Backenzahn ist jetzt locker, ich hab ihm natürlich neues Spielzeug mitgebracht worauf er ordentlich drauf rum-kauen kann. Er war wie immer super toll, wir waren in einer kleinen Stadt in der nichts los war. Dort durften wir im Rossmann üben. An der Leine laufen läuft klasse. Bleib-Übungen und hinter mir absetzen läuft auch schon echt gut. Wir haben auch noch in einem Bistro etwas gegessen. Nach kurzer Eingewöhnungszeit, legte er sich dann auch ruhig hin. Vor allem ich muss es aber noch lernen. Aber mit Kathrin, die dabei war, fühl ich mich sicher. Zusammen mit Alec werde ich das auch lernen.
Mitte Dezember steht auch wieder der nächste Drehtermin für die Reportage an. Sie wollen diesmal auf einem Weihnachtsmarkt drehen. Oh weia, solche Veranstaltungen mit so vielen Menschen sind ja extrem schwierig für mich. Ich werde ja nicht alleine sein, aber trotzdem macht mich das jetzt schon ziemlich nervös. Ich versuche es wieder einfach auf mich zukommen zu lassen.
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Trigger
An meiner Situation im allgemeinen hat sich nichts weiter verändert. Ich möchte nicht andauernd schreiben, wie schlecht es mir geht. Das wird ja auch irgendwann langweilig. Da schreibe ich lieber nichts. Mein Alltag besteht darin auf das Ende des Tages zu warten. Betroffene werden es wahrscheinlich verstehen, Menschen die dieses Gefühl nicht kennen, können das ganze Ausmaß zum Glück nicht einsehen und das ist auch gut so. Das wünsche ich niemanden.
Meine geliebte Katze "Miss Marple" die bei meiner Mutter wohnt ist in den letzten Tagen sehr krank geworden und ich glaube, dass sie es nicht mehr lange schafft. Sie ist schon seit einer halben Ewigkeit bei uns, sie stammt eigentlich aus einer Zeit die die Hölle war und am Anfang hat sie auch immer eine böse Person für mich verkörpert. Aber irgendwann konnte ich diese Assoziation ablegen und dann gab es Jahre lang nur noch meine Mutter, die Katze und mich. Ich hab sie immer als meine Therapie-Katze gesehen, sie schmust total gerne und oft ist sie das einzige Lebewesen, welches mir nah kommen durfte, wenn ich Nähe nicht ertragen kann. Sie lag oft auf mir schlafend, dass beruhigte mich meistens und half mir. Nun ist sie schon eine Seniorin und wie es bei Oma-Katzen nun manchmal so ist, bekam sie Zahnschmerzen. Die Zähne bis auf ein Backenzahn mussten rausoperiert werden. Wir wollten ihr damit Erleichterung verschaffen. Am Tag danach ging es ihr super, sie fraß und war ganz sie selbst. Dann plötzlich fraß sie nicht mehr und die Bluttests ergaben, dass sie ganz schlechte Leberwerte hatte. Somit musste sie stationär zurück zur Tierarztpraxis. Dort ergab sich auch noch, dass sie ein Herzproblem hat. Und als sie wieder nach Hause durfte musste sie andauernd niesen, ohne dass sie eine Entzündung hat. Jetzt frisst sie wieder nicht mehr und man merkt wie schlecht ihre Atmung ist, somit ist sie nun wieder in der Praxis. Ich möchte gar nicht wissen wie hoch die Tierarztrechnung sein wird. Ich halte den Gedanken, dass es ihr so schlecht geht und das sie bald ... nicht aus. An dem ersten Tag als sie zurück in die Praxis musste war ich Stunden lang im dissoziativen Stupor, nach Stunden bin ich daraus aufgewacht, dann konnte ich während mir es bewusst war für weitere zwei Stunden nichts bewegen und dann als ich wieder stehen konnte bin ich nach draußen gegangen, spazieren. Da habe ich mich dann in einer Nachbarstraße verlaufen, weil mir alles so fremd vorkam. Meinen linken Arm konnte ich erst wieder zwei Tage später normal bewegen. Ansonsten wechseln sich die Panikattacken mit schwerer Luftnot und die dissoziativen Zustände ab. Weil mich das ganze so überfordert kann ich wieder absolut keine Nähe zulassen. In die Augen schauen ist schon zu viel. Aber eigentlich möchte ich doch in den Arm genommen werden und vor allem bei Miss Marple sein. Die Schuldgefühle sind riesig, dass ich ihr und meiner Mutter nicht beistehen kann und dann ist die bestrafende Stimme sehr präsent.
Uff! Heute war ein sehr erfolgreicher und produktiver Tag, wenn auch sehr anstrengend. Gemeinsam mit meiner Betreuerin war ich heute Mittag in der Stadt: Alec bei der Hundesteuer anmelden. Danach hat meine Betreuerin mir noch geholfen meinen Weihnachtseinkauf zu erledigen. Ganz ohne Dissoziation hat es zwar nicht geklappt und in den Geschäften habe ich auch schnell Panik bekommen - zum Schluss hat sie mich aus dem Geschäft bugsiert, aber zumindest muss ich im Weihnachtstrubel nicht mehr in die Läden.
Eben war ich noch mit meiner Mutter bei der Bank, ein Spendenkonto eröffnen.
Oh und morgen muss ich noch mit meiner Mutter zum Futterhaus um neues Spielzeug für meinen Liebling zu kaufen. Der erste Backenzahn ist schon locker, da braucht er jetzt etwas zum drauf rum kauen. Das bringe ich ihm dann am Samstag mit.
Mir geht es momentan echt schlecht. Hab ständig Panikattacken, Dissos und Flashbacks. Ich schlafe kaum und wenn schrecke ich nach kurzer Zeit wieder wegen Albträumen auf. Die neue Diagnose kommt wahrscheinlich auch bald, sie verwirrt mich sehr und ich muss mich noch damit auseinandersetzten. Genau in diesem Moment nehme ich gerade meine Umwelt total verzerrt wahr (Derealisation). Ich muss momentan oft ins Krankenhaus hier in Stade für mehrere Neurologische Untersuchungen, das triggert mich jedesmal immens. Mir wurde gerade dieses Bild geschickt, es hätte keinen besseren Zeitpunkt dafür geben können. Ich stelle mir gerade vor, wie er mich tröstet. Aber ich glaube ich muss jetzt nochmal ne Runde spazieren gehen.