Über drei Monate sind seit dem letzten Blogeintrag vergangen. In der Zwischenzeit gab es nicht viel zu berichten, jedenfalls nichts Positives und Konstruktives und einige Themen sind auch einfach nicht für die Öffentlichkeit. Mir geht es nicht gut und das Schreiben fällt mir schwer. Mit viel Hilfe versuche ich es nun mal wieder.
In meinem letzten Artikel hatte ich ja erzählt, dass ich eine persönliche Assistentin hatte. Das hat leider nur wenige Wochen funktioniert. Es lag auf keinen Fall an der Assistentin, die sich wirklich alle Mühe gegeben hat, mich gut zu versorgen. In meinem Kopf begannen sich altbekannte Programme abzuspulen, die verhindern, dass ich jemanden an mich heranlassen kann, vertrauen schöpfe und Nähe zulassen kann. Das hat mich so blockiert, dass der Kontakt von Tag zu Tag schwieriger wurde, bis ich mich ungewollt in Dissoziationen flüchtete, wenn sie nur zur Tür hereinkam. Ich habe versucht, diese Gefühle zurückzudrängen. Rational weiß ich, dass sie ein lieber Mensch ist, aber der Widerstand und Fluchtimpuls war stärker als jede Vernunft. Ich habe aktiv versucht, dagegen anzugehen und meine Mutter und ich hatten viele Gespräche darüber. Ich habe mir in der Zeit sehr gewünscht eine Fachperson zu haben mit der ich Lösungsstrategien entwickeln könnte. Wie gesagt, ich kenne dieses Verhaltensmuster schon seit dem Kindergarten und es stand mir schon mein ganzes Leben lang im Weg. Meine Mutter sagt mir zwar, dass ich mich nicht schuldig fühlen soll, aber davon gehen die Schuldgefühle auch nicht weg. Jedenfalls führte es nun wieder dazu, dass wir keine Unterstützung im Alltag mehr haben.
Auf dem Bild sieht man mich in einer ganz schlechten Phase. Besonders in der letzten Zeit mit meiner Assistentin gab es viele Tage, an denen jedes Geräusch, jeder Reiz sich wie ein körperlicher Schmerz anfühlte. Die einzige Methode, solche Tage zu überstehen, ist für mich, ein 'Blanket-Burrito' zu sein. Im dunklen Zimmer, Kopfhörer mit Musik oder Hörbüchern und dick eingemurmelt in meine Decke - wie ein Burrito. Solche Tage, an denen mir jeglicher Reiz zu viel ist, gibt es zwar immer wieder, aber seitdem ich tagsüber wieder viel alleine bin, fühle ich mich wieder etwas freier in meinem Zimmer. Es gibt momentan keine Reize außer gelegentlichen Geräuschen von draußen und meiner Mutter. So wie es jetzt ist, plätschern meine Tage so vor sich hin. Ich wache auf, verbringe den Tag im Bett mit Netflix und Internet und warte bis meine Mutter nach Hause kommt, es Essen gibt und es wieder Zeit ist zu schlafen. So gibt es weniger Anlässe für krasse Dissoziationen und Switches. Ich bin durchgehend depersonalisert, damit meine ich, dass ich überhaupt keinen Bezug zu meinem Körper oder Spiegelbild oder ein Gefühl von 'Ich' habe. Genauso wenig habe ich ein Gefühl für Zeit und Raum. Zwischendurch, wenn die Depersonalisierung kurz nachlässt, kommt sofort extemer Selbshass und -ekel auf. Dass das alles ein Teil von starker Depression ist, versteht sich glaube ich von selbst. Meine Mutter hat eine gute Metapher dafür gefunden: Ich bin wie ein Astronaut im Weltraum - schwerelos, isoliert und ganz weit weg von Allem.
Ich weiß zwar nicht, wie es jetzt weiter geht, aber nachdem wir das persönliche Budget für die Assistenz im Juni 2017 beantragt hatten, findet nun Ende Juni 2018 eine Hilfeplankonferenz statt. Da sitzen alle Kostenträger (Landkreis/Gesundheitsamt, Pflegekasse, etc.) mit den Leistungsträgern (ambulante Betreuung, meine gesetzliche Betreuerin und meine Mutter/Pflegeperson) an einem Tisch und beratschlagen gemeinsam, welche Unterstützung für mich sinnvoll und machbar ist. Zusätzlich ist zu dem Gespräch auch eine bekannte Psychotherapeutin, die sich auf Dissoziative Störung spezialisiert hat, eingeladen. Eigentlich sollte ich auch dabei sein, aber das ist für mich völlig unmöglich, mit so vielen fremden Menschen in einem Raum zu sein, wo vielleicht sogar gestritten wird und alle ihre Meinung laut kundtun.
Gegen das Versorgungsamt musste meine gesetzl. Betreuerin nun Klage einreichen. Mir wurde ein höherer Grad der Behinderung anerkannt von 60 GdB auf 80 GdB und die Merkzeichen G und B. Aber das aG für außergewöhnliche Gehbehinderung um einen Parkausweis zu bekommen und das H wurden mir nicht zuerkannt. Da ich ja nun so gar nicht aufstehen kann und den Rollstuhl zum Ein- und Austeigen direkt am Auto stehen haben muss und mich dann meine Mutter über ein Rutschbrett rüber hieven muss, müssen wir darauf leider bestehen.
Es gibt aber auch was Erfreuliches zu berichten! Meine Mutter ist umgezogen und wohnt seit ein paar Tagen in meinem Wohnblock. Sie muss nicht mehr bei mir auf einem Klappbett schlafen und kann abends in ihre Wohnung gehen. Wenn ich in Not bin, kann sie aber in wenigen Minuten bei mir sein.
Das Beste an ihrer neuen Wohnung ist eine riesige Dachterrasse, von der man einen tollen Blick bis hin zur Elbe hat. Manchmal kann man die großen Container- und Kreuzfahrtschiffe beobachten. Die Terrasse ist von unten nicht einsehbar und nur wenige Geräusche dringen nach oben, so kann ich mich da relativ sicher fühlen und auch mal ein bisschen frische Luft und Sonne genießen.
Diese Woche war ich mit meiner Mutter in unserem Sanitätshaus, um uns beraten zu lassen, wie wir meinen Rollstuhl anpassen könnten. Weil sich mein körperlicher Zustand doch ziemlich verändert hat, sollte er für mich bequemer sein und einen stabileren Sitz gewährleisten. Der Berater war sehr respektvoll und hat meine Grenzen gewahrt und hat uns sehr kompetent beraten. Anstatt meinen Aktivrollstuhl, den ich seit fast zwei Jahren fahre umzurüsten, werden wir einen ganz neuen Aktivrollstuhl mit individueller Ausstattung beantragen. In meinem alten Rollstuhl kann ich einfach nicht mehr gut sitzen, ich habe zu wenig Halt.
Außerdem wurde mir geraten, für meine Spitzfüße Orthesen zu tragen. Ich weiß, dass das für mich wichtig und hilfreich wäre, denn die Verformungen werden mit der Zeit immer gravierender, wenn man nichts dagegen unternimmt. Auch meine Physiotherapeutin hat mir dazu geraten. Das Problem ist, dass es natürlich sehr schmerzhaft ist, den Fuß im Gelenk zu beugen. Hinzu kommt, dass ich schnell Panik bekomme, wenn mich irgendetwas einengt. Ich werde mich da vorsichtig herantasten und zunächst mal mit einfachen Plastikorthesen ausprobieren, ob es sich lohnt, teure maßangefertigte Orthesen zu beantragen.
Zum Schluss noch das schönste Erlebnis der Woche! Gestern war mein erster Termin mit einer tiergestützten Therapie. Die Therapeutin kam mit ihren zwei Ko-Therapeutinnen (eine ältere, ruhige Collie-Dame und eine verspielte, junge Cockerspaniel-Hündin) zu mir nach Hause. Es war sehr schön für uns, mal wieder mit Hunden zusammen zu sein. Beide hatten so schönes weiches Fell und waren sanft und zutraulich. Es fühlte sich gut an, die Beiden zu streicheln und High-Five's zu geben. Hunde sind einfach toll! Wir haben jetzt wöchentlich einen Termin miteinander, vielleicht gehen wir sogar mal zusammen raus spazieren, wenn ich mehr Vertrauen gewonnen habe.