So kann das nicht weitergehen!

Es ist schon fast zwei Monate her, seitdem die drei kleinen Jungs das Ei gegen meine Wohnzimmerwand geworfen haben. Mittlerweile kann ich mich für ein, zwei Stunden wieder im Wohnzimmer aufhalten. Aber auf dem Sofa und in der Ecke des Wohnzimmers kann ich mich nicht mehr aufhalten. Die Gardinen bleiben weiterhin geschlossen. Somit verbringe ich die meiste Zeit des Tages in meinem Schlafzimmer.

Stupor, nach einem Krampfanfall. Zwischendurch war ein Kindanteil vorne, deshalb das Kuscheltier.
Stupor, nach einem Krampfanfall. Zwischendurch war ein Kindanteil vorne, deshalb das Kuscheltier.

Ich habe mehrmals die Woche einen dissoziativen Krampfanfall. An den Tagen, an denen ich bis zu einer Stunde lang krampfe, brauche ich sehr viel pflegerische Unterstützung. Denn nach den Anfällen habe ich über viele weitere Stunden (bis zu 6 Stunden) einen dissoziativen Stupor. Auch wenn sich die steinharte Erstarrung gelöst hat, bin ich über Stunden und manchmal Tage extrem bewegungseingeschränkt, sodass mir auch Essen und Trinken angereicht werden muss. Damit ich während der Stunden besser liege, wurde mir ein Seitenlagerungskissen verschrieben, das ist so ähnlich wie ein Stillkissen, nur größer und ein Hilfsmittel. Die Situation macht mir sehr zu schaffen.

 

Weil ich auch schon zweimal unterwegs bei meiner Therapeutin und bei meiner Hausärztin gekrampft habe und es Stunden dauerte, bis wir wieder nach Hause fahren konnten, habe ich entschieden, erstmal nicht mehr zu meiner Psychotherapeutin zu gehen. Voraussichtlich kann ich im Februar 2018 wieder in die Klinik. Meine Therapeutin versucht aber, mir schon vorher einen Platz zu verschaffen. Bis dahin habe ich noch 8 Therapiestunden. Richtige Therapie mache ich ja schon lange nicht mehr, nur unterstützende Gespräche. Bis vor kurzem war ich zweimal die Woche für 25 Minuten bei meiner Therapeutin. Ich schaffe den Weg zur Praxis einfach nicht mehr. Deshalb kommt sie nun alle zwei Wochen einmal zu mir nach Hause. Diese Woche war meine Psychologin das erste Mal zum Hausbesuch bei mir für 25 Minuten in der Wohnung.

 

Letzte Woche hätte eigentlich ein Psychiater, der vom Amtsgericht beauftragt wurde, ein Gutachten bei mir in der Wohnung machen sollen. Nachdem wir an dem Tag drei Stunden auf ihn gewartet hatten, rief er an und sagte meiner Mutter, dass er den Termin vergessen hatte. Schön blöd, dass meine Mutter sich extra den Tag von der Arbeit freigenommen hatte, einen Zahnarzttermin abgesagt hat und dass meine psychiatrische Pflegekraft extra da war und ich schon Tage vorher Panik hatte und dissoziierte. Nun ja, nächsten Montag soll die Begutachtung nachgeholt werden. Ich habe keinen Zweifel, dass mir eine gesetzliche Betreuerin danach zugesprochen wird. Dann hat meine Mutter mit den ganzen Behördenangelegenheiten eine Sorge weniger.

 

Um meine Betreuungssituation flexibler gestalten zu können, hat meine Mutter vor ein paar Monaten das persönliche Budget für mich beantragt. Demnächst steht also auch noch ein weiteres Hilfeplangespräch mit dem Gesundheitsamt an.

 

Seit Januar dieses Jahres habe ich dem Pflegegrad 3. Meine Alltagsbetreuerin und auch meine psychiatrische Pflegerin haben mir beide geraten, eine Erhöhung des Pflegegrades auf PG 4 zu beantragen. Das hat meine Mutter nun auch getan, also kommt demnächst auch noch eine Frau vom MDK zur erneuten Pflegebegutachtung. Auch da ist der Fall ganz klar, die Verschlechterung ist so deutlich, dass ich hoffe, dass der Pflegegrad erhöht wird und es keine Schwierigkeiten gibt. Damit könnten wir mehr so dringend benötigte Betreuungsstunden bekommen. Denn eigentlich brauche ich 24 Stunden am Tag Betreuung, was aber in einem ambulanten Setting nicht möglich ist.

 

Vor diesen ganzen anstehenden Begutachtungen ist mir angst und bange. Fremde Personen kommen in meine Wohnung und stellen Fragen. Aber wahrscheinlich werde ich von den Terminen eh nicht viel mitbekommen, denn selbst als der Psychiater für die Begutachtung zur gesetzlichen Betreuung nicht kam, war ich schon so gut wie weg und einen Schritt vor einem Krampfanfall, Stupor, etc..

 

Seit ein paar Wochen arbeite ich an einem Projekt, über das ich noch nicht öffentlich Details verraten möchte. Es hat sehr lange gedauert, weil ich einfach keine Kraft und Konzentration dafür hatte, deshalb habe ich mit meiner Mutter nur peu à peu dran gearbeitet. Nun sind wir aber fast fertig damit. Wenn alles glatt läuft, kann ich damit dem Thema komplexe Traumafolgestörungen mehr Öffentlichkeit verschaffen. Ich bin gespannt.

Ich möchte die Privatsphäre von Innies wahren.
Ich möchte die Privatsphäre von Innies wahren.

So richtig entspannen und Spaß haben kann nur ein nicht traumaassoziirter Kleinkindanteil aus unserem System. Sie malt viele bunte, fröhliche Bilder, schaut Kinderfilme auf Netflix, wenn unsere Betreuerinnen das für sie anschalten oder sie spielt und kuschelt mit dem Besuchshund - ein Pudel - von unserer psychiatrischen Pflegekraft. Vor ein paar Wochen konnte sie und andere Innies noch laufen, aber entweder ist der Muskelschwund mittlerweile so doll, dass die Muskeln einfach nichts mehr tragen können oder aber die dissoziative Bewegungsstörung ist auch auf andere Innies übergegangen. Dem kleinen Mädchen macht das nichts aus. Ich trauere aber über diese Veränderung, denn das nimmt einem unbeschwerten Innie etwas Leichtigkeit.

 

Ich bin von Sternzeichen Steinbock, ich bin hartnäckig und stur, aber gerade erscheint mir mein Leben aussichtlos. Zusätzlich zu den ganzen Ängsten und dissoziativen Zuständen kommen Schlaflosigkeit, Zwangsgedanken, die Essstörung, Selbsthass, eine tiefe Depression, psychosomatische Schmerzen und vieles mehr. Das macht mürbe! 

 

Aber das macht nicht nur mich mürbe, sondern vor allem leidet meine Mutter unter all dem. Es tut mir furchtbar leid, dass ich so eine große Last bin. Sie arbeitet Vollzeit, wurde sogar gerade zur Vertriebsleiterin befördert (ich bin so stolz auf sie). Sie verlässt morgens um 6/7 Uhr das Haus, muss nach der Arbeit alle Einkäufe erledigen, Telefonate und E-Mails mit Behörden für mich führen, alle Termine mit meinen Betreuerinnen organisieren und dann kommt sie am späten Nachmittag nach Hause und muss sich um mich kümmern. Ohne sie würde es meinen Blog z. B. auch nicht geben. Sie führt nicht nur ihren eigenen Haushalt, sondern auch meinen. Mittlerweile übernehmen meine Betreuerinnen einige Aufgaben, aber trotzdem ist sie überfordert. Abends zwischen 22 – 23 Uhr fährt sie, solange sie nicht bei mir auf einem Klappbett übernachten muss, weil ich noch Hilfe brauche, nach Hause zum Schlafen. Sie hat einen unerschütterlichen Optimismus, das lässt sie weiter machen. Es ist nicht fair, dass sie auch so eine unglaubliche Last mit sich trägt.

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