Vor genau einem Monat wurde ich aus der Psychosomatischen Fachklinik Rottal-Inn in Simbach am Inn entlassen. Seitdem ist ziemlich viel passiert.
Mit gutem Gewissen kann ich die Rottal-Inn Klinik weiterempfehlen. In meinen vorherigen Blogbeiträgen habe ich ja schon ausführlich darüber berichtet, wie schwierig es für mich war, überhaupt eine Klinik zu finden. Dass ich tief in Niederbayern gelandet bin, war dann wirklich ein Glücksfall. Meine Ärztin und das Pflegepersonal meiner Station kannten sich wirklich gut mit der Dissoziativen Identitätstörung aus. Egal was passierte, auf uns wurde immer angemessen eingegangen. Ich fühlte mich verstanden, gut betreut und ernst genommen. Die Pflegerinnen waren allesamt sehr geduldig: Auch wenn ich durch einen Trigger stundenlang dissoziierte, im Stupor war oder wir hin und her switchten oder ich eine Panikattacke hatte ließen sie uns nicht im Stich und versuchten mir mit vielen Skills zu helfen. Das Schöne an der Klinik ist, dass sie bereit sind ihr Konzept individuell anzupassen. Ich wurde zu nichts gedrängt, aber man hat mir öfters angeboten, in Begleitung in den Park zu gehen. Ein paar Mal hat es auch tatsächlich geklappt und ich konnte mit einer umsichtigen Pflegerin frische Luft schnappen. Ich hatte mein rollstuhlgerechtes Einzelzimmer, wo ich auch die Mahlzeiten einnehmen durfte (das Essen war übrigens spitze).
An meinem Allgemeinzustand hat sich in so kurzer Zeit natürlich nicht viel geändert. Trotzdem war der Klinikaufenthalt ein Erfolg für mich. Erstens weil ich jetzt die Erfahrung gemacht habe, dass ein Klinikaufenthalt auch positiv sein kann und es durchaus engagierte und nette Ärztinnen und Pflegerinnen geben kann. Zweitens weiß ich jetzt, dass ich einen Therapieplatz gefunden habe, wo mir/uns geholfen wird und wo ich wieder hingehen kann.
Mit der Entlassung aus der Klinik bin ich auch gleichzeitig in eine neue behindertengerechte Wohnung umgezogen. Hier kann ich mich jetzt frei bewegen, barrierefrei duschen und mir selbstständig etwas aus dem Kühlschrank holen. Ich bin nun die ganze Zeit damit beschäftigt, mir hier einen sicheren Ort einzurichten, damit ich mich hier geschützt fühlen kann. Mir fällt es ziemlich schwer, mich in einer neuen Umgebung sicher zu fühlen. Es ist hier noch alles neu und ungewohnt, deshalb ist es umso wichtiger, mir meine neue Wohnung so angenehm und triggerarm wie möglich zu gestalten.
Eine Voraussetzung dafür, dass ich nächstes Jahr wieder in die Klinik in Simbach am Inn kann, ist, dass wir an meiner Betreuungssituation arbeiten. Bisher war es ja so, dass ich eine ambulante Betreuerin für vier Stunden pro Woche habe, den Rest der Pflege deckt meine Mutter ab. Ich brauche deutlich mehr Betreuung, aber nicht durch meine Mutter. Mit meinem Pflegegrad 3 könnte ich einen ambulanten Pflegedienst in Anspruch nehmen, aber die sind hauptsächlich auf Senioren und Krankenpflege eingestellt und haben wenig oder keine Erfahrung mit psychischen Erkrankungen. Dazu hatte ich letzte Woche ein Teamgespräch mit meiner Mutter, meiner Therapeutin, meiner ambulanten Betreuerin und ihrem Chef. Gemeinsam haben wir überlegt, wie wir das Problem lösen. Wir haben mehrere Möglichkeiten herausgearbeitet.
- wir beantragen eine Erhöhung der Betreuungsstunden, es gibt max. 10 Stunden pro Woche. Wenn das genehmigt wird, stellt mir die Betreuungseinrichtung eine zweite ambulante Betreuerin. Damit immer jemand für mich da ist, auch wenn eine der beiden Betreuerinnen mal krank oder im Urlaub ist.
- wir beantragen Persönliches Budget.
- ich bitte meinen Psychiater um eine Verordung für ambulante psychiatrische Pflege. Das ist eigentlich für Kriseninterventionen gedacht und i. d. R. auf vier Monate befristet, wird aber in Außnahmefällen auch länger gewährt.
- wir verhandeln mit der Krankenkasse über zusätzliche Betreuungsleistungen
- wir erwägen eine gesetzliche Betreuung und lassen uns dahingehend beraten
Der letzte Monat und auch der Klinikaufenthalt waren für mich sehr herausfodernd und anstrengend. Ich hoffe, jetzt langsam in der neuen Wohnung zur Ruhe zu kommen und mich zu erholen. Nach und nach werde ich mit Hilfe meines therapeutischen Teams die geplanten Veränderungen angehen, ohne mich dabei zu sehr unter Druck zu setzen. Als erstes werde ich nächste Woche mit meiner ambulanten Betreuerin meinen Balkon hübsch machen. Ich bin wirklich froh und dankbar, Menschen um mich herum zu haben, die mich unterstützen und manchmal viel mehr machen, als ihr Job verlangen würde. Es erleichtert mich, zu wissen, dass in der Niederbayrischen Klinik schon der Schweinsbraten mit Bayrischkraut und Semmelnknödel auf mich wartet und wir alle dort sein dürfen.
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