Therapie... wie geht es weiter?

Wie geht es nun weiter, nachdem ich weiß, dass ich Viele bin? Diese Frage kommt oft in den Therapiestunden auf. Meine Therapeutin kenne ich nun seit ca. vier Jahren. Mir fällt es sehr schwer, Menschen zu vertrauen. Ganz zu Anfang bei meinen ersten Stunden mit meiner Therapeutin habe ich ihr gesagt, dass ich auf keinen Fall über meine Vergangenheit reden möchte. In den folgenden Jahren haben wir versucht, mich zu stabiliseren und haben meine Kindheit und Jugend weitestgehend ausgelassen. Weit kamen wir bei diesen Themen eh nie, wir konnten nichts bearbeiten, denn sobald wir auf die Themen zu sprechen kamen, kam von innen ein Verbot, ich dissoziierte, konnte und durfte nicht darüber sprechen. In der ganzen Zeit, in der ich in Therapie war, konnten wir somit nichts bearbeiten. Wir haben nur versucht, aktuelle Krisen und Schwierigkeiten zu bearbeiten. Aber auf die Dauer funktioniert das nicht, so komme ich nicht weiter. Kindheitstraumata holen mich immer wieder ein. Davonlaufen, sich einreden, dass da doch gar nichts war, Erinnerungen auf Dauer zu verdrängen und mich davon zu dissoziieren klappt eben nicht immer.

 

Meine Therapeutin und ich haben mit den Jahren eine sehr gute Vertrauensbasis aufgebaut. Ich weiß, dass sie mich sehr gut kennt und dass sie mich, wenn ich dissoziiere, zurückholen kann. Sie nimmt sich Zeit für mich und macht auch mal Überstunden, wenn ich während einer Therapiestunde dissoziiere. Selbst wenn ich zwei Stunden lang brauche wieder anzukommen. Bis jetzt konnte ich immer einigermaßen aufrecht aus der Praxis gehen bzw. rollern. Und doch haben wir noch die nötige, professionelle Therapeutin - Patientin Distanz.

 

Nun geht es mir ja schon sehr lange ziemlich mies und ich suche seit Monaten eine Klinik, die mich aufnimmt. Dies erweist sich ja als äußerst kompliziert. Diese Woche hat sich zum Glück eine Fachklinik, in der ich schonmal war gemeldet und mich zu einem Vorstellungstermin eingeladen. Es ist noch überhaupt nicht sicher, ob und wann sie mich aufnehmen. Nun kommt ein weiterer Gedanke, mit dem ich mich vor einem Klinikaufenthalt befassen muss: die Meinungen der anderen Persönlichkeiten in mir zur Therapie . Dies fällt mir sehr schwer, aber ich bin nunmal nicht alleine. Herauszuhören, was wer denkt ist Schwerstarbeit, nur wenige sind mir überhaupt bekannt bzw. machen sich bemerkbar oder schreiben mir. Die Meinungen gehen ziemlich weit auseinander. Mir persönlich geht es aber so schlecht, dass ein Klinikaufenthalt unausweichlich ist. Die Therapeuten haben mich schon darauf vorbereitet, dass manche Innies damit nicht einverstanden sein könnten und es wahrscheinlich auch deutlich machen werden. Davor habe ich große Angst, ich hoffe, dass wir in der Klinik, in einem geschützten Rahmen, ansatzweise lernen können, miteinander umzugehen.

 

Aber was kommt nach dem Klinikaufenthalt? Soll ich wieder zurück ins alte Umfeld gehen? Meine Mutter und ich sind uns sehr nah und innig, wir hocken aufeinander und meine Mutter opfert sich tagtäglich für mich auf. Unser Verhältnis ist eben kompliziert, mehr möchte ich darüber nicht preisgeben. Dass das nicht gut ist, wissen wir alle schon lange und die Therapeuten und Psychiater aus den Kliniken haben mir schon vor Jahren gesagt, dass wir mehr Abstand brauchen und ich in eine therapeutische Wohngruppe ziehen sollte. Meine Mutter ist aber auch nunmal meine einzige Bezugsperson. Meine Therapeutin hat mir auch oft ans Herz gelegt, eine Wohngruppe in Erwägung zu ziehen. Lange war das Thema ein rotes Tuch. Seit einigen Monaten habe ich mich mit dem Thema auseinander gesetzt. 

 

Der vorläufige Plan ist, nach dem Klinikaufenthalt, in eine Wohngruppe zu ziehen. Wenn wir denn eine passende finden. Das heißt aber auch, dass meine Therapeutin und ich meine Therapie beenden würden. Bei meinem Termin diese Woche hat sie mich gefragt, wie ich es denn finden würde, sie nicht mehr zu sehen, den Abschied zu feiern und mir eine neue Therapeutin zu suchen. Als meine neue Diagnose bekannt wurde, sagte sie mir gleich, dass ich ihre erste DIS Patientin bin, sie aber auch viel Erfahrungen mit Traumapatienten hat und doch begab sie sich mit mir auf neues Eis. Es war von Anfang an klar, eben weil wir eine so gute Verbindung haben, dass wir es miteinander versuchen, sie mich aber an eine spezialisierte Therapeutin verweist, sollte sie nicht mehr weiter wissen, sie es überfordern oder wenn sie denkt, dass ich bei jemand anderen einfach besser aufgehoben bin. Ich kann mir es noch überhaupt nicht vorstellen meine Therapeutin nicht mehr zu sehen und mit ihr zu sprechen. Sie hat mir auch erzählt, dass sie einen kompletten Kontaktabbruch auch nicht gut finden würde. Bei Supervisionen bei Michaela Huber hat sie ihre Kollegen gefragt, die einen Kontaktabbruch auch nicht befürworten. Wir haben bereits darüber geredet, dass ich während des Klinikaufenthalts einmal die Woche mit ihr Emailkontakt haben werde.

 

Um voranzukommen muss ich wohl oder übel Abstand zu meiner Mutter bekommen und in eine Wohngruppe ziehen. Wirklich angefreundet habe ich mich mit dem Gedanken noch nicht.