Training auf dem Weihnachtsmarkt

Was ist denn da alles passiert?

 

Ich war gestern am 20.12. wieder bei Alec. Der Tag fing leider so gar nicht gut an, denn am Vortag wurde ich durch einen Artikel, den ich auf Facebook gesehen habe sehr doll getriggert. Die Nacht durch hatte ich immer wieder Flashbacks - schlimme Bilder im Kopf, von etwas, das ich mal wieder vorher nicht wusste. Oft bin ich durch mein eigenes Wimmern im Schlaf und weil ich um mich schlug aufgewacht. Nachdem ich kurz eingeschlafen war, fing ein Idiot um 6 Uhr morgens an draußen Lärm zu machen. Alles in allem war es keine gute Nacht. Verschlafen habe ich dann leider auch noch. Wir wollten um 9 Uhr losfahren, konnten wegen mir dann aber erst um kurz vor 10 Uhr los. 

 

Angekommen bei Alec, begrüßte er mich wieder stürmisch. Es ist so toll, dass er mich wiedererkennt. Diesmal war Kati auch mit von der Partie, denn wir wollten zusammen auf dem Weihnachtsmarkt in Kiel trainieren. Aber erstmal gab es Kaffee für mich und Kuscheleinheiten für Alec. Ich habe mich schon lange darauf gefreut, Kati endlich mal wieder zu sehen, das war total schön, denn wir hatten uns seit Anfang Oktober nicht mehr getroffen.

 

Eigentlich war ja geplant, dass uns wieder das Filmteam begleiten sollte, nur hatten sie nicht mehr rechtzeitig das Ok vom Sender bekommen. Deshalb wurde der Drehtermin nochmal verschoben.

 

Ich versuche mal, das ganze Geschehen zusammen zu puzzeln, was wir auf dem Weihnachtsmarkt in Kiel alles gemacht haben. Es macht mir ziemlich große Angst, denn Erinnerungen habe ich nicht viele, und die Erinnerungen an meine persönlichen Gefühle passen überhaupt nicht mit dem, was mein Körper alles erreicht hat zusammen. Meine Mutter hat ihre Sicht des Tages aufgeschrieben und ich meine. Auf jeden Fall war ich danach völlig ko. aber das ist normal nach einem Training.

 

Aus Sicht meiner Mutter


Wir kamen mit dem Auto auf dem Parkplatz am Rathaus an und gingen von dort aus in Richtung Fußgängerzone. Johanna mit Alec, Kati Zimmermann, Kathrin und Jasmin Neve und ich.

 

Kati ließ Johanna vorausgehen, wir andern folgten in einigem Abstand und sollten Johanna weder ansprechen noch zu nahe kommen, nur beobachten.

 

Der Weg zum Weihnachtsmarkt war unproblematisch. Auf dem Markt lotste Kati Johanna zunächst am Rand entlang, an der Häuserzeile. Schon dort war es relativ belebt. Johanna ging aufrecht, mit festem Schritt und zügig durch die belebte Straße. Immer wieder kamen andere Menschen ihr nahe. Johanna forderte immer wieder Alecs Aufmerksamkeit mit dem Kommando „schau“ ein und belohnte ihn mit Leckerli. Es bestand ständiger Kontakt zwischen Mensch und Hund. 

 

Zwischendurch machte sie eine kleine Erholungspause an der Hauswand. Johanna wirkte angestrengt, aber klar.

 

Am Ende des Marktplatzes forderte Kati Johanna auf, mitten durch die Budengasse zurückzugehen. Hier war es sehr voll. Ohne Zögern machte sich Johanna auf den Weg, der Gruppe vorausgehend, mit Alec an ihrer Seite und in ständigem Kontakt. Auch jetzt noch ging Johanna mit Alec zügig und gerade. An einer Kreuzung kam es zu einem größeren Gedränge und Johanna zog sich mit Alec in eine Ecke zurück. Immer noch war sie ansprechbar und aufmerksam. 

 

Kati beendete die Situation und lotste Johanna zum Glühweinstand, wo sie selbständig einen Früchtepunsch bestellte.  Sie wirkte sehr erschöpft, aber sprach mit uns und lächelte.

Nachdem wir alle ausgetrunken hatten, gingen wir zurück zum Auto, mit einer weiteren Zwischenrast auf einer Bank. Johanna unterhielt sich völlig normal mit Kati. Auch auf dem Rückweg ging sie mit Alec alleine voraus, wir anderen folgten in größerem Abstand.

 

Erst im Auto wurde eine starke Dissoziation erkennbar mit Sprachverlust, Abwesenheit und Bewegungseinschränkung. Beim Aussteigen ließ Kathrin zunächst Alec zum Streicheln und Schmusen zu Johanna, aber trotzdem mussten wir Johanna stützen und sie war sehr wackelig auf den Beinen.

Meine Erinnerungen


Wir sind mit Kathrins Bus alles zusammen nach Kiel gefahren. Dort angekommen, sind wir ausgestiegen und gen Weihnachtsmarkt gegangen. Alec und ich voraus. Wir haben durchgehend geübt, dass er mich anschaut. Zuerst hat er noch etwas an der Leine gezogen, da hat mir Kati etwas geholfen, bis er gemerkt hat, dass jetzt arbeiten angesagt ist. Danach war er echt super an der Leine für seine fünf Monate.

 

Hm ich komme jetzt schon ins Stocken.

Der Weihnachtsmarkt in Kiel war meines Erachtens ziemlich voll. Zuerst sind wir eher am Rand geblieben, da habe ich weiterhin versucht Alecs Aufmerksamkeit zu behalten. Wir sind an vielen Leuten mit Kindern und Hunden vorbeigegangen. Alec hat das echt super toll gemacht. Nur ich war da schon sehr angespannt und meine Stimme fing an zu versagen. Als ich nicht mehr konnte, sind wir wieder ganz zum Rand gegangen und ich habe mich zu Alec hingekniet, habe ihn gestreichelt und mich auf ihn konzentriert, denn er war total gelassen. Das half mir.

 

Ich weiß noch, dass wir weiter gegangen sind und dort, wo wir hingengangen sind, mehr Menschen waren. Ab dem Zeitpunkt versagt meine Erinnerung. 

An Angst und Kontrollverlust erinnere ich mich. Ich konnte nicht mehr sprechen und meine Beine wollten auch nicht mehr so wirklich. 

Dann waren wir bei einem Glühweinstand und ich habe Alec gekrault, der vor mir saß.

 

Dann waren wir auf dem Weg zurück zum Auto, da haben wir uns noch auf eine Bank gesetzt. Alec saß vor mir und Kati neben mir. Ich weiß noch, dass wir über meinen Schwerbehinderten-Ausweis sprachen und Unterlagen, die ich ausdrucken kann um sie mitzunehmen und in Geschäften vorzuzeigen. Ansonsten kann ich mich an das Gespräch nicht wirklich erinnern, außer, dass zwischendurch eine Frau ihren Hund auf Alec zugehen lassen hat und Kati ihr gesagt hat, dass sie das nicht solle.

 

Als wir weiter gingen, konnte ich wieder normal sprechen und besser gehen. Mit Alec habe ich weiterhin geübt. An Straßen habe ich ihn, bevor wir sie überquert haben, absetzten lassen. Das ging alles sehr gut. 

 

Nachdem wir losgefahren sind, fehlen mir wieder die Erinnerungen. Bis ich kurz bevor wir bei Kathrin ankamen, gemerkt habe, dass ich im Auto saß und große Angst vor meiner linken Hand hatte, weil sie mal wieder komplett fremd war. Kathrin hat die Tür vom Auto geöffnet und Alec gehalten, den ich mit der rechten Hand streicheln konnte. Das half mir wieder mehr in der Realität anzukommen. Beim Weg vom Auto bis aufs Sofa haben mir Kati und meine Mutter geholfen. Dort habe ich mich etwas hingelegt um den Tag zu verarbeiten, schlafen konnte ich aber leider nicht. Kati musste dann auch wieder los.


Wie man sehen kann, unterscheidet sich mein Erleben ziemlich von dem, was ich wirklich erreicht habe. Das verwirrt mich wirklich sehr und macht mir auch ziemliche Angst. Ich will mich an den Tag erinnern, um ihn auch richtig verarbeiten und reflektieren zu können. Und damit ich mir eingestehen kann, dass das toll war. Aber wie kann ich das, wenn meine Erinnerungen mir etwas komplett anderes vorgaukeln? Und dann ist die Frage da noch: "War ich das wirklich?"

 

Ich war am Abend echt ko., doch schlafen konnte ich leider auch nicht viel. Ich bin früh ins Bett gegangen, bin aber oft wieder aufgewacht. 

 

Nunja, was ich auch noch erwähnen möchte ist, dass Alecs und meine Bindung wirklich immer enger wird bei jedem Besuch. Bevor wir gegangen sind, saß ich noch eine  Weile neben ihm auf dem Boden und habe ihn gekrault. Er lag da und hat es merklich einfach nur genossen. Das war für uns beide ein sehr schöner Abschluss des Tages. Er ist so schön warm und sein Herzschlag beruhigt mich so sehr. Ich bin auch unglaublich froh, dass ich Kathrin und Kati als Trainerinnen habe. Kathrin und ihre Familie kümmert sich und sozialisiert Alec so gut. Und ich freue mich immer sehr zu Kahtrin zu fahren und mit ihr Zeit zu verbringen. Kati ist auch echt klasse. Ich finde, sie geht so toll mit Alec um und sie ist ein richitger Hundemagnet - Alec liebt sie. Beide, Kati und Kathrin sind super einfühlsam und es ist echt schön mit den beiden Zeit zu verbringen. 

 

Am nächsten Sonntag sind wir ja schon wieder alle zusammen, denn da "feiern" wir gemeinsam meinen Geburtstag. Den ich, wenn ich sie nicht hätte, im Bett verbracht hätte. *freu*